RVG § 18 Abs. 1 Nr. 3;RVG VV Nr. 2400
Leitsatz
- Zur Frage des Anfalls einer Terminsgebühr bei einer "reinen Untätigkeitsklage".
- Zur Auslegung des Begriffes "Anerkenntnis" in Anm. Nr. 1 zu Nr. 3106 VV.
- Zum Begriff der anderen Angelegenheiten i.S.d. § 17 Nr. 1 RVG und des Anfalles einer Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV im Untätigkeitsverfahren.
- Zur Kostenerstattung eines Erinnerungsverfahrens und zum Begriff der besonderen Angelegenheit i.S.d. § 18 Nr. 5 RVG a.F. (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 RVG n. F.).
- Zur Bestimmung der fiktiven Terminsgebühr bei nicht durchgeführtem Termin.
- Zu den Anforderungen (und Auslegung) an eine Erinnerungsschrift des Bevollmächtigten.
SG Cottbus, Beschl. v. 28.10.2009 – S 27 SF 87/09 E
1 Sachverhalt
Die Beteiligten streiten um den Anfall einer Terminsgebühr im Rahmen einer sog. "reinen Untätigkeitsklage".
Die Erinnerungsführerin hatte am 8.10.2008 Untätigkeitsklage erhoben. Mit Widerspruchsbescheid v. 27.10.2008 kam die Beklagte dem Klagebegehren nach und beschied den Widerspruch der Erinnerungsführerin. Die Beklagte erklärte sich zur Kostenübernahme mit Schriftsatz v. 24.11.2008 bereit. Am 10.12.2008 erklärte der Bevollmächtigte der Erinnerungsführerin dann den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt.
Mit der Erinnerung wird die Festsetzung einer Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV i.H.v. 158,00 EUR sowie die Festsetzung einer Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV i.H.v. 240,00 EUR verfolgt. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat in dem streitgegenständlichen Kostenfestsetzungsbeschluss beide Gebühren nicht festgesetzt.
Die Erinnerung hatte teilweise Erfolg.
2 Aus den Gründen
1. Die Erinnerung ist zum Teil zulässig. Der Kostenfestsetzungsbeschluss datiert auf den 11.6.2009 und wurde der Erinnerungsführerin (nach der schwer leserlichen Datumsangabe auf dem Empfangsbekenntnis) unter dem 25.6.2009 bekannt gegeben. Die dagegen eingelegte Erinnerung des Bevollmächtigten v. 27.7.2009, die am 27.7.2009 vorab per Fax beim SG einging, war damit fristgerecht eingelegt worden. Nach § 197 Abs. 2 i.V.m. § 178 SGG kann gegen die Entscheidung des Urkundsbeamten das Gericht angerufen werden. Das statthafte Rechtsmittel ist daher die Erinnerung. Es ergibt sich zwar keine ausdrückliche Verweisung auf § 178 SGG, diese ergibt sich aber aus der Systematik des SGG und dem Wortlaut des § 178 SGG. Die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 197 Abs. 2 SGG sind erfüllt. Insbesondere ist die Erinnerung auch im Namen der Klägerin erhoben worden, obschon dies aus dem Schriftsatz des Bevollmächtigten nicht hervorgeht. Nach Auslegung dessen, unter Berücksichtigung der Vollmachtsurkunde, die auch für Kostensachen ("Folgeverfahren aller Art") erteilt wurde, muss (noch) davon ausgegangen werden, dass der Rechtsbehelf zugunsten der Klägerin eingelegt wurde.
Der Urkundsbeamte hat der Erinnerung nicht abgeholfen, so dass diese der Kammer zur Entscheidung vorzulegen war (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig SGG, 9. Aufl., § 197 Rn 10).
Die Gebührenvorschriften des VV sind nach dem RVG anwendbar. Nach der Übergangsvorschrift des § 60 Abs. 1 RVG ist das RVG anzuwenden, wenn die unbedingte Auftragserteilung ab dem 1.7.2004 erfolgte. Ausweislich der Vollmacht ist der Bevollmächtigte nach dem 1.7.2004 beauftragt worden. Eine Anwendung der Vorschriften der BRAGO scheidet daher aus.
2. Nicht Streitgegenstand ist die Geschäftsgebühr des Bevollmächtigten der Erinnerungsführerin. Diesbezüglich ist die Erinnerung unzulässig und war zurückzuweisen. Die Geschäftsgebühr kann ausschließlich Gegenstand der Kostenentscheidung im Hauptsacheverfahren (Klage gegen den Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides) sein. Die Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV fällt für das Betreiben des Geschäftes im Verwaltungsverfahren an. Das Betreiben des Geschäftes im Verwaltungsverfahren, wenn ein Widerspruch gegen einen Bescheid eingelegt wird, ist aber nicht die Vorbereitung einer Untätigkeitsklage, sondern das Führen eines Rechtsbehelfs gegen eine behördliche Entscheidung.
Der Anwalt verdient sich die Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV in einer Fallkonstellation wie dieser hier dadurch, dass er einen Widerspruch gegen einen belastenden Verwaltungsakt der Behörde einlegt. Im Rahmen des dann folgenden Widerspruchsverfahrens hat die Behörde über die Kosten des Widerspruchsverfahrens im Widerspruchsbescheid zu entscheiden. Über die Höhe der Gebühren entscheidet zunächst nach §§ 3, 14 RVG der Rechtsanwalt, indem er der Behörde seine Kostenrechnung vorlegt. Gegenstand der Kostenrechnung ist, bei ordnungsgemäßem und erfolgreichem Verlauf des Widerspruchsverfahrens, dann nur die Gebühr nach Nr. 2400 VV. Wenn der Widerspruchsführer mit der Kostenentscheidung der Behörde im Widerspruch nicht einverstanden ist, kann dazu das Gericht angerufen werden (sog. isolierte Kostenentscheidungen). Wird dem Widerspruch nicht abgeholfen, erfolgt eine Kostenfestsetzung im Ganzen im Rahmen des sich anschließenden Klageverfahrens (Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung). Die Geschäftsgebühr ist daher mit dem Weg des Wider...