Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Untätigkeitsklage. Geschäftsgebühr. ≪fiktive≫ Terminsgebühr. faktisches Anerkenntnis. andere Angelegenheit iSd § 17 Nr 1 RVG. Erinnerung. Erinnerungsschrift. Kostenerstattung. besondere Angelegenheit iSd § 18 Nr 5 RVG. Rechtspfleger. Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Frage des Anfalls einer Terminsgebühr bei einer "reinen Untätigkeitsklage".
2. Zur Auslegung des Begriffes "Anerkenntnis" in VV 3106 S 2 Nr 3 RVG.
3. Zum Begriff der anderen Angelegenheiten im Sinne des § 17 Nr 1 RVG und des Anfalles einer Geschäftsgebühr nach VV 2400 RVG im Untätigkeitsverfahren.
4. Zur Kostenerstattung eines Erinnerungsverfahrens und zum Begriff der besonderen Angelegenheit im Sinne des § 18 Nr 5 RVG.
5. Die Bestimmung der fiktiven Terminsgebühr bei nicht durchgeführtem Termin.
6. Zu den Anforderungen (und Auslegung) an eine Erinnerungsschrift des Bevollmächtigten.
Tenor
1.) Auf die Erinnerung der Erinnerungsführerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Sozialgerichts Cottbus vom 11. Juni 2009 dahingehend abgeändert, dass die Beklagte der Klägerin zusätzlich zu den festgesetzten Gebühren nach VV 3102; VV 7002 RVG, eine Terminsgebühr nach §§ 3, 14 RVG, VV 3106 Nr. 3 RVG in Höhe von 20,00 Euro, sowie daraus 3,80 Euro Umsatzsteuer, nach VV 7008 RVG, zu erstatten hat.
2.) Im Übrigen wird die Erinnerung zurückgewiesen.
3.) Von den notwendigen außergerichtlichen Kosten des Erinnerungsverfahrens hat die Erinnerungsgegnerin der Erinnerungsführerin 5 % zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um den Anfall einer Terminsgebühr im Rahmen einer sog. “reinen Untätigkeitsklage„.
Die Erinnerungsführerin hatte am 08. Oktober 2008 Untätigkeitsklage erhoben. Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Oktober 2008 kam die Beklagte dem Klagebegehren nach und beschied den Widerspruch der Erinnerungsführerin. Die Beklagte erklärte sich zur Kostenübernahme mit Schriftsatz vom 24. November 2008 bereit. Am 10. Dezember 2008 erklärte der Bevollmächtigte der Erinnerungsführerin dann den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt.
Mit der Erinnerung wird die Festsetzung einer Terminsgebühr nach §§ 3, 14 des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz RVG), 3106 Vergütungsverzeichnis Anlage 1 zum RVG (VV RVG), in Höhe von 158,00 Euro, sowie die Festsetzung einer Geschäftsgebühr nach VV 2400 RVG, in Höhe von 240,00 Euro, verfolgt. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat in dem streitgegenständlichen Kostenfestsetzungsbeschluss beide Gebühren nicht festgesetzt.
II.
1.
Die Erinnerung ist zum Teil zulässig. Der Kostenfestsetzungsbeschluss datiert auf den 11. Juni 2009 und wurde der Erinnerungsführerin (nach der schwer leserlichen Datumsangabe auf dem Empfangsbekenntnis) unter dem 25. Juni 2009 bekannt gegeben. Die dagegen eingelegte Erinnerung des Bevollmächtigten vom 27. Juli 2009, die am 27. Juli 2009 vorab per Fax beim Sozialgericht einging, war damit fristgerecht eingelegt worden. Nach § 197 Absatz 2, in Verbindung mit § 178 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann gegen die Entscheidung des Urkundsbeamten das Gericht angerufen werden. Das statthafte Rechtsmittel ist daher die Erinnerung. Es ergibt sich zwar keine ausdrückliche Verweisung auf § 178 SGG, diese ergibt sich aber aus der Systematik des SGG und dem Wortlaut des § 178 SGG. Die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 197 Absatz 2 SGG sind erfüllt. Insbesondere ist die Erinnerung auch im Namen der Klägerin erhoben worden, obschon dies aus dem Schriftsatz des Bevollmächtigten nicht hervorgeht. Nach Auslegung dessen, unter Berücksichtigung der Vollmachtsurkunde vom 19. September 2008, die auch für Kostensachen (“Folgeverfahren aller Art„) erteilt wurde, muss (noch) davon ausgegangen werden, dass der Rechtsbehelf zu Gunsten der Klägerin eingelegt wurde.
Der Urkundsbeamte hat der Erinnerung nicht abgeholfen, so dass diese der Kammer zur Entscheidung vorzulegen war (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig SGG, 9. Aufl. § 197 Rn 10).
Die Gebührenvorschriften des VV RVG sind nach dem RVG anwendbar. Nach der Übergangsvorschrift des § 60 Absatz 1 RVG ist das RVG anzuwenden, wenn die unbedingte Auftragserteilung ab dem 1. Juli 2004 erfolgte. Ausweislich der Vollmacht ist der Bevollmächtigte, nach dem 1. Juli 2004 beauftragt worden. Eine Anwendung der Vorschriften der Bundesrechtsanwaltsvergütungsordnung (BRAGO) scheidet daher aus.
2.
Nicht Streitgegenstand ist die Geschäftsgebühr des Bevollmächtigten der Erinnerungsführerin. Diesbezüglich ist die Erinnerung unzulässig und war zurückzuweisen. Die Geschäftsgebühr kann ausschließlich Gegenstand der Kostenentscheidung im Hauptsacheverfahren (Klage gegen den Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides) sein. Die Geschäftsgebühr nach VV 2400 RVG fällt für das Betreiben des Geschäftes im Verwaltungsverfahren an. Das Betreiben des Geschäftes im Verwaltungsverfahren, wenn ein Widersp...