Zum einen ergibt sich die Ungleichbehandlung daraus, dass sich der Wahlanwalt seine Geschäftsgebühr nicht anrechnen lassen muss, während der Beratungshilfeanwalt, der ohnehin nur geringere Geschäftsgebühren erhält, diese dann auch noch anrechnen lassen muss.
Eine weitere Ungleichbehandlung folgt aber auch aus einem Vergleich der verschiedenen Konstellationen bei Beratungshilfemandaten, was folgende Beispiele verdeutlichen sollen:
Beispiel 1: Der Anwalt war im Widerspruchsverfahren tätig und wird anschließend im gerichtlichen Verfahren beauftragt
Der Anwalt wird von einem Rechtsuchenden beauftragt, ihn in einem sozialrechtlichen Widerspruchsverfahren zu vertreten. Hiernach kommt es zum gerichtlichen Verfahren vor dem SG, das ohne mündliche Verhandlung endet.
Für die Vertretung im Widerspruchsverfahren entsteht eine Geschäftsgebühr. Im Rechtsstreit entsteht jetzt wegen der Vorbefassung die Verfahrensgebühr der Nr. 3102 VV lediglich aus dem ermäßigten Rahmen der Nr. 3103 VV. Unter Anrechnung der hälftigen Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr ergibt sich folgende Berechnung:
I. Außergerichtliche Vertretung im Widerspruchsverfahren
Geschäftsgebühr, Nr. 2503 VV |
70,00 EUR |
II. Gerichtliche Vertretung
1. |
Verfahrensgebühr, Nrn. 3102, 3103 VV |
170,00 EUR |
2. |
gem. Anm. Abs. 2 zu Nr. 2503 VV anzurechnen |
-35,00 EUR |
|
Gesamt |
135,00 EUR |
|
Gesamt I + II |
205,00 EUR |
Beispiel 2: Der Anwalt war im Widerspruchsverfahren nicht tätig, sondern ist erstmals im gerichtlichen Verfahren beauftragt worden
Der Anwalt wird in einem gerichtlichen Verfahren vor dem SG beauftragt, das ohne mündliche Verhandlung endet. Er war vorgerichtlich nicht tätig.
Jetzt entsteht mangels Vorbefassung der volle Rahmen nach Nr. 3102 VV. Abzurechnen ist wie folgt:
Gerichtliche Vertretung
Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV |
250,00 EUR |
Daraus folgt, dass ein Anwalt, der einen weitergehenden Auftrag erhält, nämlich für Widerspruchsverfahren und Klageverfahren, im Ergebnis weniger erhält als ein Anwalt, der im Widerspruchsverfahren nicht tätig war. Die Tätigkeit im Widerspruchsverfahren führt also trotz Mehrarbeit zu einem Gebührenverlust von 45,00 EUR.
Dass darin ein eklatanter Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liegt, ist evident.
Der Gesetzgeber hat zwischenzeitlich reagiert und beabsichtigt, die Anrechnung der Geschäftsgebühr aus Nr. 2503 VV auf die Verfahrensgebühr der Nr. 3103 VV auszuschließen, wie es zum Teil von der Rspr. auch praktiziert wird.
Auch dies führt jedoch nicht zu einer völligen Gleichstellung.
Beispiel 3: Der Anwalt war im Widerspruchsverfahren tätig und wird anschließend im gerichtlichen Verfahren beauftragt – Anrechnung unterbleibt
Wie Beispiel 1; jedoch soll von einer Anrechnung abgesehen werden.
I. Außergerichtliche Vertretung im Widerspruchsverfahren
Geschäftsgebühr, Nr. 2503 VV |
70,00 EUR |
II. Gerichtliche Vertretung
Verfahrensgebühr, Nrn. 3102, 3103 VV |
170,00 EUR |
Gesamt I + II |
240,00 EUR |
Das bedeutet, dass der vorbefasste Anwalt immer noch 10,00 EUR weniger an Gebühren erhält, als der nicht vorbefasste Anwalt. Soweit Wolf meint, diese Differenz von 10,00 EUR sei hinzunehmen, ist dies schon im Ansatz unzutreffend. Es gibt keinen Grund, einen Anwalt, der mehr tut, mit weniger Gebühren zu bestrafen.
Abgesehen davon, übersieht Wolf, dass es hier nicht um eine Differenz von 10,00 EUR geht. Selbst wenn der Anwalt zu einem Gebührenaufkommen von 250,00 EUR käme, läge immer noch eine Ungleichbehandlung vor, weil der Anwalt dann immer noch für das Widerspruchsverfahren kostenlos arbeiten würde. Das würde bedeuten, dass die Mehrarbeit ohne Vergütung bliebe.