Leider ist der Sachverhalt in den Beschlussgründen nicht genau wiedergegeben. Offenbar hatte die Antragsgegnerin zwar gegen den gesamten Scheidungsbeschluss Beschwerde eingelegt, aber die Beschwerde – wenn überhaupt – nur hinsichtlich des Unterhalts begründet. Jedenfalls hat sie die Beschwerde vor Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist zurückgenommen.
Die Wertfestsetzung im Beschwerdeverfahren richtet sich zunächst einmal nach § 40 FamGKG. Maßgebend ist danach folgende Prüfungsreihenfolge:
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Ist ein Antrag fristgerecht gestellt worden, dann richtet der Verfahrenswert im Beschwerdeverfahren nach dem Wert des Antrags (§ 40 Abs. 1 S. 1 FamGKG). |
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Ist kein Antrag gestellt bzw. keine Begründung eingereicht worden ist, gilt der volle Wert der Beschwer (§ 40 Abs. 1 S. 2, 1. Alt. FamGKG). |
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Wird zwar ein Antrag gestellt, aber erst nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist, bleibt es ebenfalls beim Wert der Beschwerde (§ 40 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. FamGKG). |
In der Folgesache nachehelicher Unterhalt hat das Gericht wohl den vollen Verfahrenswert angenommen, sodass es hier keine Rolle spielt, ob ein entsprechender Antrag gestellt worden ist oder ob auf den gleichlautenden Wert der Beschwer abzustellen war.
In der Ehesache hat das OLG auf die "Mindestgebühr" festgesetzt. Gemeint war hier aber nicht die Mindestgebühr, sondern der Mindestwert. In Verfahren der Wertfestsetzung werden keine Gebühren festgesetzt, sondern Verfahrenswerte. Hinsichtlich der Ehesache schreibt § 43 Abs. 1 FamGKG vor, dass dieser Wert nicht unter 3.000,00 EUR angesetzt werden darf. Ausweislich der Beschlussgründe ist hinsichtlich der Ehesache kein Antrag gestellt worden. Damit hätte nach § 40 Abs. 1 S. 2 FamGKG auf den vollen Wert der Beschwer abgestellt werden müssen. Der Wert der Beschwer in einer Ehesache bemisst sich aber nach dem vollen Wert der Ehesache. Einen Grund dafür, einen geringeren Wert als in der Vorinstanz anzusetzen und sogar auf den Mindestwert abzustellen, besteht nicht. Das Gesetz gibt hierfür auch keine Grundlage. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 40 FamGKG führt eine fehlende Begründung des Rechtsmittels niemals zu einer Herabsetzung des Werts, sondern im Gegenteil zum Ansatz des vollen Werts.
Ebenso verhält es sich mit der Folgesache Versorgungsausgleich. Auch hier war mangels eines Antrags und Begründung auf den vollen Wert der Beschwer abzustellen. Damit kam auch hier eine Herabsetzung des Verfahrenswerts auf den Mindestwert nicht in Betracht. Auch insoweit ist die Entscheidung des OLG aus den vorstehenden Erwägungen unzutreffend.
Darüber hinaus hat sich das OLG aber nicht darauf beschränkt, den Mindestwert von 1.000,00 EUR festzusetzen; vielmehr hat das OLG diesen Mindestwert auch noch auf 500,00 EUR herabgesetzt. Insoweit beruft sich das OLG auf den Wortlaut des § 50 Abs. 3 FamGKG, wonach auch der Mindestwert herabgesetzt werden könne. In der Tat scheint nach dem Wortlaut des Gesetzes auch eine Herabsetzung des Mindestwerts möglich.
Dies erscheint jedoch bedenklich. Aus der Bezeichnung "Mindestwert" in § 50 Abs. 1 S. 2 FamGKG folgt nach allgemeinem Sprachgebrauch, dass dieser Wert nicht unterschritten werden darf. Ein Mindestwert, den man unterschreiten kann, ist gerade kein Mindestwert mehr. Die Mindestwertregelung in § 50 Abs. 1 S. 2 FamGKG wäre letztlich inhaltsleer und könnte immer durch die Anwendung des § 50 Abs. 3 FamGKG unterlaufen werden. Es muss bezweifelt werden, dass der Gesetzgeber bei Fassung des § 50 Abs. 3 FamGKG dies wirklich gewollt hat. Zusammenfassend beachtet hat der Antragsgegner hier "Glück" gehabt, dass das OLG nur einen geringen Wert für Ehesache und Versorgungsausgleich angesetzt hat, da bei einer Rücknahme des Rechtsmittels nicht nur die Kosten des eigenen Anwalts und die Gerichtskosten, sondern auch die Kosten der Gegenseite nach dem vom Gericht festgesetzten Wert zu zahlen sind. Bei Festsetzung der zutreffenden Werte hätten sich hier viel höhere Zahlungs- und Erstattungsansprüche ergeben. Ein Beteiligter, der in einem Scheidungsverbundverfahren ein Rechtsmittel einlegt, sollte sich vorher also genau überlegen, ob er eine unbeschränkte Beschwerde einlegt oder die Beschwerde auf Ehesache und einzelne Folgesachen beschränkt. Abgesehen davon sollte er überlegen, ob er vor Rücknahme der Beschwerde nicht doch noch einen beschränkten Antrag stellt, um damit seine Kostenlast zu vermindern.
Norbert Schneider
AGS 3/2019, S. 125 - 126