ZPO § 91; RVG VV Nrn. 7003 ff.
Leitsatz
- Ein Interessenverband i.S.d. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG muss in der Lage sein, einen im Gerichtsbezirk ansässigen Anwalt schriftlich bzw. fernmündlich zu unterrichten.
- Beauftragt er ungeachtet dessen einen anderen Rechtsanwalt, sind dessen Reisekosten aber bis zur Höhe der weitesten Entfernung im Gerichtsbezirk erstattungsfähig.
OLG München, Beschl. v. 16.12.2019 – 11 W 1194/19
1 Sachverhalt
Der Kläger, ein Interessenverband von Online-Unternehmern und ein Verband zur Förderung und Verfolgung gewerblicher Interessen i.S.d. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG, machte mit der Klage vor dem LG Augsburg im Wege der einstweiligen Verfügung gegen die Beklagte einen Unterlassungsanspruch wegen eines Wettbewerbsverstoßes nach §§ 3, 3a UWG geltend.
Der in Leverkusen ansässige Verband wurde dabei durch einen Prozessbevollmächtigten mit Kanzleisitz in Bremerhaven im Verfahren vertreten.
Nach mündlicher Verhandlung erließ das LG Augsburg ein Endurteil, durch welches dem Antrag der Verfügungsklägerin stattgegeben wurde. Die Kosten des Verfahrens wurden der Beklagten auferlegt und der Streitwert auf 10.000,00 EUR festgesetzt.
Hiernach machte die Klagepartei ihre Rechtsanwalts- und Gerichtsvollzieherkosten i.H.v. insgesamt 1.933,07 EUR zur Erstattung im Kostenfestsetzungsverfahren geltend. Dabei wurden anteilig – wegen mehrerer an aufeinanderfolgenden Tagen in verschiedenen Städten wahrgenommener Gerichtstermine, Reisekosten i.H.v. zusammen 446,66 EUR in Ansatz gebracht.
Die Beklagtenpartei wendet hiergegen ein, dass die geltend gemachten Fahrtkosten und Parkgebühren i.H.v. 412,06 EUR deutlich zu reduzieren seien, da lediglich die Reisekosten für die Beauftragung eines am Geschäftssitz der Partei ansässigen Rechtsanwalts erstattungsfähig seien.
Hiergegen bringt die Klagepartei vor, die Vereinsstruktur der Verfügungsklägerin sei sehr komplex, es sei deshalb unumgänglich, dass ein Verfahrensbevollmächtigter beauftragt werde, der in die Problematik der Verbandsmaterie eingearbeitet sei und den Verfügungskläger und dessen Verbandsstruktur hinreichend gut kenne. Der hiesige Verfahrensbevollmächtigte habe den Verfügungskläger bereits seit mehreren Jahren regelmäßig in einer Vielzahl von Verfahren vertreten und sei deshalb als "Hausanwalt" bzw. "Vertrauensanwalt" zu behandeln. Zudem würden die fiktiven Reisekosten eines Rechtsanwalts am Sitz des Verfügungsklägers 563,40 EUR (brutto) bzw. 471,02 EUR (netto) betragen.
Mit Beschluss des LG Augsburg wurden die von der Beklagtenpartei an die Klagepartei zu erstattenden Kosten auf 1.486,41 EUR nebst Zinsen festgesetzt. Mit Ausnahme der Reisekosten des Prozessbevollmächtigten zur Terminswahrnehmung wurden die geltend gemachten Kosten antragsgemäß berücksichtigt. Die Erstattung der Reisekosten wurde unter Hinweis auf die Kommentarliteratur und einer BGH-Rspr. abgelehnt, da die Verfügungsklägerin als Verband zur Verfolgung gewerblicher Interessen personell und sachlich so ausgestattet sein müsse, dass er in der Lage sei einen Prozessbevollmächtigten am Gerichtsort schriftlich zu instruieren.
Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss legte die Klagepartei sofortige Beschwerde ein, mit dem Antrag in Abänderung des angefochtenen Beschlusses weitere 525,47 EUR als Reisekosten festzusetzen. Zur Begründung wird ausgeführt, dass zwar nicht mehr die Reisekosten eines Anwalts am dritten Ort, also von Bremerhaven aus, jedoch die fiktiven Reisekosten eines Rechtsanwaltes am Sitz der Partei (Leverkusen) als erstattungsfähig einverlangt würden. Unter Zugrundelegung der einfachen Fahrtstrecke von 530 km seien Fahrtkosten von 318,00 EUR, zweimal Abwesenheitsgeld von jeweils 70,00 EUR, Übernachtungskosten von 60,75 EUR und Parkgebühren von 6,72 EUR in Ansatz zu bringen.
Die Beklagtenpartei schloss sich der Rechtsauffassung des LG an, dass der Kläger einen Rechtsanwalt am Gerichtsort beauftragen hätte müssen und deshalb weder auf die Reisekosten aus Bremerhaven noch aus Leverkusen abzustellen sei, sondern wenn überhaupt lediglich die fiktiven Reisekosten, die bei der Anreise eines am weitest entfernten Ort im Gerichtsbezirk ansässigen Anwalts entstehen, erstattungsfähig seien.
Der sofortigen Beschwerde hat das LG Augsburg nicht abgeholfen und die Akten zur Beschwerdeentscheidung dem OLG vorgelegt.
2 Aus den Gründen
Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§§ 104 Abs. 3, 567, 569 ZPO). Das Rechtsmittel des Klägers hat in der Sache nur zu einem geringen Teil Erfolg. Sie führt zur Berücksichtigung der Reisekosten des Prozessbevollmächtigten des Beklagten bis zur Höhe der fiktiven Reisekosten eines innerhalb des Gerichtsbezirks am weitesten vom Gerichtsort entfernt ansässigen Rechtsanwalts und zur Abänderung des Erstattungsbetrages um 80,20 EUR auf 1.566,61 EUR.
I.Ü. erwies sich die sofortige Beschwerde jedoch als unbegründet.
Zu Recht hat das LG in der angefochtenen Entscheidung eine Erstattung der tatsächlich angefallenen Reisekosten des Prozessbevollmächtigten für die Strecke von Bremerhaven nach Augsburg verneint, da hier die Zuziehung eines nic...