1. Gesetzliche Grundlagen
Der im Wege der PKH oder VKH oder vom Gericht sonst beigeordnete oder bestellte Rechtsanwalt wie hier die der Nebenklägerin als Beistand bestellte Rechtsanwältin A erhält gem. § 45 Abs. 1 RVG die gesetzliche Vergütung aus der Staatskasse, soweit in den nachfolgenden gesetzlichen Vorschriften des RVG nichts anderes bestimmt ist. § 46 Abs. 1 RVG trifft für die Auslagen des beigeordneten oder bestellten Rechtsanwalts die Regelung, dass Auslagen, insbesondere Reisekosten, aus der Staatskasse nicht vergütet werden, wenn sie zur sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit nicht erforderlich waren. Da der beigeordnete oder bestellte Anwalt, der zunächst Reiseauslagen aufwendet und diese nach Durchführung der Reise gegen die Staatskasse geltend macht, das Risiko trägt, dass diese Auslagen dann im Festsetzungsverfahren gem. § 55 Abs. 1 RVG nicht als erforderlich angesehen werden, kann er gem. § 46 Abs. 2 S. 1 RVG eine vorherige diesbezügliche Feststellung des Gerichts beantragen. Hat das Gericht seinem Antrag entsprechend festgestellt, dass die Reise erforderlich ist, ist diese positive Feststellung für das Festsetzungsverfahren gem. § 55 RVG bindend. Allerdings hat dort der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle (UdG) die Höhe der aufgewandten Reisekosten zu überprüfen. So kann er bspw. beanstanden, dass der Rechtsanwalt kein kostengünstigeres Verkehrsmittel in Anspruch genommen hat. Die negative Entscheidung über den Feststellungsantrag hat zwar keine Bindungswirkung für den UdG im Festsetzungsverfahren. Jedoch zeigt die Praxis, dass die UdG allenfalls im seltenen Ausnahmefall die Erforderlichkeit der Reise anders beurteilen als zuvor das Gericht des Rechtszugs.
Diese die Reiseauslagen betreffenden Regelungen gelten gem. § 46 Abs. 2 S. 3 RVG auch für sonstige Aufwendungen des beigeordneten oder bestellten Rechtsanwalts, die er gem. § 670 BGB den Umständen nach für erforderlich halten durfte.
2. Erforderlichkeit
a) Grundsätze
Grds. kann eine Reise des beigeordneten oder bestellten Rechtsanwalts zu seinem nicht am selben Ort wohnhaften Mandanten erforderlich sein, insbesondere wenn der Mandant selbst nicht reisefähig ist (vgl. AnwKomm-RVG/Fölsch, 8. Aufl., § 46 Rn 11). Dabei ist jedoch das allgemein geltende Gebot der sparsamen Prozessführung zu beachten (s. hierzu auch KG RVGreport 2008, 302 [Burhoff] für die Reise des Pflichtverteidigers im Strafvollstreckungsverfahren zu seinem in Frankreich wohnhaften Mandanten). Liegen Anhaltspunkte vor, die auf einen Missbrauch der kostenschonenden Prozessführung des beigeordneten oder bestellten Rechtsanwalts hindeuten (s. BVerfG NJW 2003, 1442; OLG Brandenburg RVGreport 2007, 182 [Burhoff]), spricht schon ein Anscheinsbeweis gegen die Erforderlichkeit der Reise. Gegenstand der Entscheidung des BGH (zfs 2016, 461 m. Anm. Hansens = RVGreport 2016, 302 [Hansens]) war ein Antrag eines Nebenkläger-Vertreters in einer Schwurgerichtssache, der die Feststellung der Erforderlichkeit von Reiseauslagen zwecks Besprechung mit seinem in Las Vegas wohnhaften Mandanten beantragt hatte. Der BGH hat mit nachvollziehbarer Begründung die Erforderlichkeit der Reise verneint und darauf hingewiesen, eine Besprechung zwischen dem Anwalt und seinem Mandanten könne in zumutbarer Weise "unter Nutzung eines Kommunikationsprogramms über das Internet" geführt werden, ein Argument, das gerade in Zeiten der Corona-Pandemie große Bedeutung erlangt hat.
Bei der Prüfung, ob eine Reise erforderlich ist, ist allerdings auch zu berücksichtigen, dass dem beigeordneten oder bestellten Anwalt der Ersatz der Auslagen aus der Staatskasse nicht versagt werden darf, wenn die Kürzung für den Rechtsanwalt unzumutbar ist (BVerfG BRAGOreport 2001, 60 [Hansens] = NJW 2001, 1269 zur Vorgängervorschrift des § 97 Abs. 2 BRAGO). Dies kann der Fall sein, wenn die Auslagen für eine zur sachgerechten Vertretung bzw. Verteidigung erforderliche Reise so hoch sind, dass sie die Gebühren für die Tätigkeit des Rechtsanwalts vollständig aufzehren.
b) Die Erforderlichkeit der Reise im Fall des BGH
Hier ist der BGH zu dem Schluss gelangt, dass die Reise der Nebenkläger-Vertreterin zur Teilnahme an der Revisionshauptverhandlung erforderlich i.S.v. § 46 Abs. 2 S. 1 RVG ist. Die Teilnahme der Rechtsanwältin sei nämlich zur Wahrnehmung der Interessen der Nebenklägerin und ihrer Rechte nach § 397 Abs. 1 StPO geboten. Gegenstand der Revisionshauptverhandlung sei nämlich u.a. die Entscheidung über die Revision der Staatsanwaltschaft, die sich gegen das Unterbleiben der Anordnung der Sicherungsverwahrung gegen den Angeklagten gewandt hatte. Dem steht nach den weiteren Ausführungen des BGH nicht entgegen, dass die Nebenklägerin die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung nicht isoliert rügen könne (s. § 400 Abs. 1 StPO). Die Beteiligungsrechte der Nebenklägerin würden nämlich bei einem zulässigen Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft bestehen bleiben. Dies begründe die Notwendigkeit der Terminsreise der als Beistand der Nebenklägerin best...