§ 48 ff. RVG; § 80 ZPO; § 73 Abs. 6 S. 5 SGG; § 117 Abs. 1 InsO
Leitsatz
- Der Umfang des Vergütungsanspruchs gegen die Staatskasse ist nach seinem Grund und seiner Höhe von dem Umfang der Beiordnung abhängig. Für die Wirksamkeit der Beiordnung ist es unerheblich, ob das Gericht sie überhaupt oder in diesem Rahmen anordnet durfte. Die Zulässigkeit der Beiordnung ist jedenfalls in der Kosteninstanz nicht nachprüfbar. Solange der Beschluss über die Beiordnung wirksam und nicht nach § 124 ZPO aufgehoben wurde, ist er für das Kostenverfahren bindend.
- Die Erteilung einer Prozessvollmacht gem. § 80 ZPO setzt lediglich voraus, dass die Partei prozessfähig ist.
- Der wirksam erteilten Prozessvollmacht steht die Bestimmung des § 117 InsO nicht entgegen, wenn der Kläger seinen Prozessbevollmächtigten erst nach der Insolvenzeröffnung mandatiert hat. Denn in diesem Fall ist § 117 InsO schon tatbestandlich nicht einschlägig.
Bay. LSG, Beschl. v. 20.10.2020 – L 12 SF 62/17 E
I. Sachverhalt
Mit der am 25.6.2013 beim SG Bayreuth eingegangenen Klageschrift erhob die Rechtsanwältin für den Kläger Klage gegen das Jobcenter W. mit dem Ziel einer Überprüfung verschiedener ablehnender Bescheide im Zusammenhang mit Leistungen nach dem SGB II. Zu ihrer Legitimation legte die Anwältin eine am 23.9.2010 ausgestellte Originalvollmacht des Klägers "in Sachen B./.Hauptzollamt M-Stadt" "wegen Vollstreckungsankündigung" vor. Durch Beschl. v. 7.4.2014 bewilligte das SG Bayreuth dem Kläger PKH ab Antragstellung und ordnete ihm seine Prozessbevollmächtigte bei. Im Erörterungstermin vom 18.11.2015, den eine ortsansässige Anwältin als Terminsvertreterin wahrnahm, schlossen die Parteien einen widerruflichen Vergleich. Diesen widerrief die Prozessbevollmächtigte des Klägers mit der Begründung, sie habe zwischenzeitlich erfahren, dass über das Vermögen des Klägers tatsächlich – wie dieser erstmals im Termin am 18.11.2015 angegeben hatte – bereits am 20.6.2012 das Insolvenzverfahren eröffnet worden sei.
Hieraufhin teilte das SG Bayreuth den Parteien mit, dass der Rechtsstreit durch die Insolvenzeröffnung gem. § 240 ZPO kraft Gesetzes zwingend unterbrochen sei.
Einige Zeit später beantragte die Rechtsanwältin die Festsetzung der ihr aus der Landeskasse zu zahlenden PKH-Anwaltsvergütung. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle wies diesen Antrag mit der Begründung zurück, wegen des am 20.6.2012 eröffneten Insolvenzverfahrens sei die Prozessvollmacht vom 23.9.2010 gem. § 117 InsO erloschen. Eine gültige Vollmacht des Insolvenzverwalters habe der Kläger nicht vorgelegt. Deshalb fehle es an einer Vollmacht als Voraussetzung für einen Vergütungsanspruch.
Auf die hiergegen gerichtete Erinnerung der Rechtsanwältin hat das SG Bayreuth unter Aufhebung der Entscheidung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle festgestellt, dass dieser grds. ein Anspruch auf Zahlung ihrer gesetzlichen Vergütung gegen die Landeskasse zustehe. Die Landeskasse sei verpflichtet, über die beantragte Festsetzung dem Grunde und der Höhe nach zu entscheiden.
Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Vertreters der Landeskasse hat das Bay. LSG zurückgewiesen.
II. Anspruch auf Vergütung gegen die Landeskasse
1. Gesetzliche Regelung
In Verfahren vor Gerichten eines Landes erhält der im Wege der PKH beigeordnete Rechtsanwalt gem. § 45 Abs. 1 RVG die gesetzliche Vergütung aus der Landeskasse. Der Vergütungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts bestimmt sich gem. § 48 Abs. 1 RVG nach den Beschlüssen, durch die die PKH bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet worden ist. Vorliegend hatte das SG Bayreuth die Rechtsanwältin dem Kläger durch Beschl. v. 7.4.2014 mit Rückwirkung ab Antragstellung im Wege der PKH beigeordnet.
2. Wirksame Beiordnung
Das Bay. LSG hat darauf hingewiesen, dass für die Wirksamkeit dieser Beiordnung unerheblich ist, ob das Gericht sie überhaupt oder in diesem Rahmen anordnen durfte. Die Zulässigkeit der Beiordnung sei nämlich jedenfalls im Verfahren auf Festsetzung der PKH-Anwaltsvergütung nicht nachprüfbar.
Nach den weiteren Ausführungen des Bay. LSG war der Beiordnungsbeschluss vom 7.4.2014 wirksam. Er sei auch in der Folgezeit nicht gem. § 124 ZPO aufgehoben worden, sodass er für das Verfahren auf Festsetzung der PKH-Anwaltsvergütung bindend sei. Selbst eine (gesetzwidrige) Beiordnung eines auswärtigen Anwalts außerhalb von § 121 Abs. 3 und 4 ZPO sei für den UdG und für das Beschwerdegericht bindend.
3. Wirksame Prozessvollmacht
Nach den weiteren Ausführungen des Bay. LSG handelt es sich bei der Rechtsanwältin auch um eine vom Kläger durch Erteilung einer Prozessvollmacht nach § 80 ZPO bestellte Prozessbevollmächtigte. Die Erteilung der Prozessvollmacht gem. § 80 ZPO setze nämlich lediglich voraus, dass die Partei prozessfähig sei, was hier außer Frage stehe. Die Prozessfähigkeit und die Geschäftsfähigkeit würden durch den Wegfall der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Klägers als Insolvenzschuldner nicht berührt.
Das Bay. LSG hat ferner darauf hingewiesen, dass die Vollmachtserteilung keinen Formvorschriften unterliege und sie deshalb auch durch sc...