1. Gesetzliche Regelung
Gem. § 120a Abs. 1 S. 3 ZPO muss die Partei auf Verlangen des Gerichts jederzeit erklären, ob eine Veränderung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingetreten ist. Dazu muss sie nach § 120a Abs. 4 S. 1 ZPO das gem. § 117 Abs. 3 ZPO eingeführte Formular benutzen. Für die vom Gericht vorzunehmende Überprüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gilt gem. § 120a Abs. 4 S. 2 ZPO die Bestimmung des § 118 Abs. 2 ZPO entsprechend. Zur Abgabe der Erklärung hat das Gericht der Partei entsprechend § 118 Abs. 2 S. 4 ZPO eine Frist zu setzen. Gibt die Partei die geforderte Erklärung absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit nicht fristgerecht ab, kann das Gericht die Bewilligung der PKH gem. § 124 Abs. 1 Nr. 2 zweiter Fall ZPO aufheben.
2. Berücksichtigung neuen Vorbringens
Nach Auffassung des BAG waren hier die gesetzlichen Voraussetzungen für die Aufhebung der PKH-Bewilligung nicht erfüllt. Zwar sei der Kläger dem Verlangen des ArbG bis zur aufhebenden Entscheidung vom 21.11.2018 nicht nachgekommen. Der Kläger habe jedoch noch im Beschwerdeverfahren geltend machen können, dass die Bewilligungsvoraussetzungen weiterhin vorliegen würden. Nach Auffassung des BAG war sein Vorbringen nicht auf das – erstinstanzliche – Überprüfungsverfahren beschränkt. Insoweit hat sich das BAG auf seinen zu § 120 Abs. 4 S. 2 ZPO a.F. ergangenen Beschl. v. 18.11.2003 (RVGreport 2004, 195 [Hansens] = AGS 2004, 118) bezogen. Diese Rspr. könne – so das BAG – auch auf die Neufassung der gesetzlichen Bestimmungen übertragen werden (s. BAG, Beschl. v. 26.1.2017 – 9 AZB 46/16 und BAG, Beschl. v. 18.8.2016, RVGreport 2016, 474 [Hansens] = AGS 2016, 646) sowie BGH, Beschl. v. 8.10.2018 – VIII ZB 44/18. Wie bereits das BVerfG (AP Nr. 4 zu § 124 ZPO) in dieser Sache entschieden habe, lasse der damals geänderte Normzusammenhang nicht erkennen, dass unterschiedliche Regelungsabsichten bestanden hätten.
3. Neues Vorbringen in der Beschwerdeinstanz
Das BAG hat darauf hingewiesen, dass die Beschwerde gem. § 571 Abs. 2 S. 1 ZPO auf neue Angriffs- und Verteidigungsmittel gestützt werden kann. Die Beschwerdeinstanz sei eine vollwertige zweite Tatsacheninstanz. Das Gericht könne zwar ebenso wie das Beschwerdegericht eine Frist für das Vorbringen von Angriffs- und Verteidigungsmitteln setzen und deren Zulassung ggf. ablehnen (s. § 571 Abs. 3 ZPO). Dies sei jedoch im Streitfall nicht geschehen. Folglich könne die Partei die erforderliche Erklärung auch noch im Beschwerdeverfahren abgeben (BAG RVGreport 2004, 195 [Hansens] = AGS 2004, 118; BGH, Beschl. v. 9.10.2018 – VIII ZB 44/18).
4. Neues Vorbringen nicht durch § 118 Abs. 2 S. 4 ZPO ausgeschlossen
Nach den weiteren Ausführungen des BAG schließt § 118 Abs. 2 S. 4 ZPO die Anwendung von § 571 Abs. 2 S. 1 ZPO nicht aus. Dies hat das BAG damit begründet, die nach § 120a Abs. 1 S. 3 ZPO gesetzten Fristen seien keine Ausschlussfristen. Hierzu hätte es vielmehr einer entsprechenden gesetzlichen Regelung bedurft. § 120a Abs. 3 ZPO sehe i.V.m. § 120a Abs. 4 S. 1 und § 118 Abs. 2 ZPO nur die Einräumung von Erklärungsfristen durch das Gericht vor. Deren Sinn bestehe darin, dass erforderliche Erklärungen und Nachweise binnen angemessener Zeit beschafft würden. Jedoch sei mit der Versäumung der Fristen ein endgültiger Rechtsverlust nicht verbunden. Die Aufhebung der PKH-Bewilligung nach § 124 Abs. 1 Nr. 2 zweiter Fall ZPO ist nach den weiteren Ausführungen des BAG bis zur Bestandskraft der Entscheidung nicht endgültig in diesem Sinne (s. auch BAG RVGreport 2004, 195 [Hansens] = AGS 2004, 118 zu § 124 Nr. 2 a.F.).
Das BAG hat darauf hingewiesen, durch § 124 Abs. 1 Nr. 2 zweiter Fall ZPO werde sanktioniert, dass die Partei eine Erklärung nach § 120a Abs. 1 S. 3 ZPO "nicht oder ungenügend" abgegeben habe. Demgegenüber enthalte diese Bestimmung keine Sanktion für eine nicht fristgerechte Abgabe einer ansonsten ordnungsgemäßen Erklärung. Folglich trete die Sanktionswirkung des § 124 Abs. 1 Nr. 2 zweiter Fall ZPO nur dann ein, wenn die Partei ihr Versäumnis auch im Beschwerdeverfahren nicht behoben habe (s. BGH, Beschl. v. 9.10. 2018 – VIII ZB 44/18).
5. Keine Entschuldigung erforderlich
Das BAG hat darauf hingewiesen, dass – abgesehen vom hier nicht vorliegenden Fall des § 571 Abs. 3 ZPO – ein verspätetes Vorbringen nicht entschuldigt werden muss. Folglich sei es für die Beurteilung der Aufhebung der PKH-Bewilligung im Beschwerdeverfahren unerheblich, ob die Partei die Fristversäumung verschuldet habe (BAG RVGreport 2004, 195 [Hansens] = AGS 2004, 118; BGH, Beschl. v. 9.10.2018 – VIII ZB 44/18).
Das BAG hat somit auf die sofortige Beschwerde des Klägers den Beschluss des ArbG Düsseldorf vom 21.11.2018 und dessen Nichtabhilfebeschluss vom 2.1.2019 und auf die Rechtsbeschwerde des Klägers den Beschluss des LAG Düsseldorf vom 26.5.2020 aufgehoben. Hierdurch wurde die ursprüngliche PKH-Bewilligung vom 22.11.2017 wiederhergestellt.