1. Verfahren
Zur mitgeteilten Entscheidung des LG Duisburg ist anzumerken, dass die Ausführungen des LG zutreffend sind. Man darf gespannt sein, ob der Bezirksrevisor das "schluckt" oder noch Beschwerde einlegt.
2. Kleiner Lichtblick
In der Sache ist dem AG zuzustimmen. Die Entscheidung ist ein kleiner Lichtblick in der doch recht trüben Rspr. der (Ober-)Gerichte zur Abrechnung der Tätigkeiten des Zeugenbeistands im Strafverfahren (vgl. dazu zuletzt OLG Dresden Beschl. v. 10.12.2021 – 6 Ws 42/21, AGS 2022, 130, in diesem Heft). Die Frage der Honorierung der Tätigkeiten des Rechtsanwalts als Zeugenbeistand im Strafverfahren beschäftigen Rspr. und Lit. seit Inkrafttreten des RVG im Jahr 2004 (dazu Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., 2021, Vorbem. 4.1 VV Rn 5 ff. m.w.N. aus der Rspr.). Man muss das nicht alles wiederholen, denn es hilft nicht, da die OLG an ihren zum Teil falschen Auffassungen, dass nämlich nach Teil 4 Abschnitt 3 VV honoriert wird, seit Jahren festhalten. Sie können das jetzt auch, auch darauf ist bereits hingewiesen, nach der Änderung der Vorbem. 5 Abs. 1 VV durch das KostRÄG 2021 v. 21.12.2020 (BGBl I, 3229) (vgl. dazu u.a. Burhoff, AGS 2021, 49 ff.) mit einem weiteren Argument. Das macht die Auffassung aber nicht richtig. Die Änderung beweist nur, dass der Bundesgesetzgeber – wie schon häufig – nicht bereit war, an der Stelle mit den Bundesländen in Zusammenhang mit dem KostRÄG 2021 den Streit zu suchen und endlich für eine Klarstellung im RVG betreffend die Entlohnung des Zeugenbeistandes zu sorgen. Das war schon für das 2. KostRMoG geplant, ist aber auch da am Widerstand der Bundeslänger gescheitert. Und DAV und BRAK tun nicht so richtig etwas, um hier eine gebührenrechtliche Besserstellung zu erreichen. Warum auch? Wenn schon das BVerfG nichts dagegen einzuwenden hat (Stichwort: Sonderopfer), wenn dann dem Zeugenbeistand der an einer Vernehmung des Zeugen, die an drei Hauptverhandlungsterminen über etwa 9,5 Stunden stattfand, teilgenommen hat, noch nicht einmal eine Pauschgebühr gezahlt wird, sondern er mit 200,00 EUR abgespeist wird (BVerfG NJW 2019, 3370 = RVGreport 2020, 13 = JurBüro 2019, 573).
In dem "Rechtsprechungsdunkel" ist nun diese Entscheidung ein kleiner Lichtblick. Zwar bekennt sie sich auch nicht grds. zur richtigen Abrechnung nach Teil 4 Abschnitt 1 VV, aber immerhin wendet es nach einer Einzelfallbetrachtung Teil 4 Abschnitt 1 VV an; ob in allen Punkten richtig – also Grundgebühr, Verfahrensgebühr, Terminsgebühr (vgl. dazu Burhoff/Volpert/Burhoff, a.a.O.). – lässt sich, da der Beschluss insoweit keine Einzelheiten mitteilt, nicht beurteilen.
Das AG macht es damit ähnlich wie das OLG Stuttgart (RVGreport 2010, 340 = StRR 2010, 357). Das hat nämlich vor einiger Zeit auch entschieden, dass zumindest dann, wenn nach Art der übertragenen und tatsächlich ausgeübten Tätigkeit von einer faktisch umfassenden Vertretung des Zeugen auszugehen ist, eine bloße Einzeltätigkeit zu verneinen ist. Allerdings muss man dem AG "entgegenhalten", dass seine Argumentation genau die Argumente anführt, die dafür sprechen, die Tätigkeit des Zeugenbeistands nicht nur im Einzelfall, sondern immer nach Teil 4 Abschnitt 1 VV zu entlohnen. Denn ein Zeugenbeistand, der sein Mandat ernst nimmt, muss sich in die Sache einarbeiten, um dem Zeugen die richtigen prozessualen Ratschläge geben zu können. Dazu muss er entweder Akteneinsicht nehmen oder sich sonst die Informationen beschaffen, die er benötigt, um z.B. dem Zeugen zur Auskunftsverweigerung nach § 55 StPO raten zu können. Er ist, wovon aber offenbar die Vertreter der Staatskasse und leider auch viele Gerichte ausgehen, nicht nur "Vernehmungsbegleiter", sondern wird für den Zeugen ähnlich wie ein Verteidiger für seinen Mandanten tätig. Und daher ist eben nach Teil 4 Abschnitt 1 VV abzurechnen. Das kann doch nicht so schwer sein. Aber, wenn man aus der Landeskasse eben nicht zahlen will, verschließt man sich eben diesen Argumenten. Abschließend: Im Hinblick auf die Entscheidung des AG, die die Tür zu Teil 4 Abschnitt1 VV einen Spalt öffnet, kann man Kollegen, die ihre Tätigkeit als Zeugenbeistand im Strafverfahren abrechnen, nur empfehlen, dezidiert vorzutragen, welche Tätigkeiten für den Mandanten erbracht worden sind, um so zumindest über eine Einzelfallbetrachtung die Abrechnung nach Teil 4 Abschnitt 1 VV zu erreichen.
3. Erhöhung der Verfahrensgebühr
Folgender Hinweis noch: Eine der als Zeugenbeistand bestellten Rechtsanwältinnen hat zwei Zeugen vertreten, und zwar nacheinander. Es ist richtig, wenn das AG dafür nicht eine nach Nr. 1008 VV erhöhte Verfahrensgebühr festsetzt, sondern offenbar für beide Zeugenbeistandschaften eigenständige Gebühren. Denn es handelt sich um unterschiedliche Angelegenheiten und nicht, was die Anwendung der Nr. 1008 VV voraussetzt, um "dieselbe Angelegenheit". Es ist nämlich die Zeugenbeistandschaft A und die Zeugenbeistandschaft B, die ihr Gepräge durch die unterschiedlichen Personen/Zeugen erh...