Nrn. 1008, 3100 VV RVG; §§ 62 Abs. 1 Nr. 1, 165, 151 VwGO; Art. 6 Abs. 2 GG
Leitsatz
Der Prozessbevollmächtigte in einem Verfahren über einen schulrechtlichen Anspruch auf ermessensfehlerfreier Auswahlentscheidung für die Aufnahme eines minderjährigen Kindes in eine bestimmte Schule hat neben dem Kind dann mit dessen Eltern zwei weitere Auftraggeber, wenn diese nicht nur als gesetzliche Vertreter des Kindes, sondern zugleich gemeinschaftlich im eigenen Namen ihr Elternrecht geltend machen.
VG Berlin, Beschl. v. 3.1.2022 – 14 KE 104/21
I. Sachverhalt
Das später als Antragsteller zu 1 auftretende minderjährige Kind hatte vergeblich die Aufnahme in die John-F.-Kennedy-Schule in Berlin beantragt. Hieraufhin machten dessen Eltern als Antragsteller zu 2 und 3 einmal als gesetzliche Vertreter, zugleich aber auch gemeinschaftlich im eigenen Namen im Wege des Eilverfahrens den schulrechtlichen Anspruch ihres Kindes auf ermessensfehlerfreie Auswahlentscheidung gem. § 3 Abs. 3 S. 2 des Gesetzes über die John-F.-Kennedy-Schule geltend. In seinem Beschl. v. 7.9.2021, in dessen Rubrum die Eltern als Antragsteller zu 2 und 3 aufgeführt worden sind, hat das Gericht in den Beschlussgründen den Antrag auch der Antragsteller zu 2 und 3 ohne Einschränkung als zulässig und begründet angesehen. Die Kosten des Eilverfahrens hat das VG Berlin dem Antragsgegner auferlegt. Aufgrund dieser Kostenentscheidung haben die Antragsteller zu 1 bis 3 die Festsetzung ihrer außergerichtlichen Kosten beantragt, darunter eine um den Satz von 0,6 erhöhte Verfahrensgebühr nach Nrn. 1008, 3100 VV. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat diesem Kostenfestsetzungsantrag durch Kostenfestsetzungsbeschluss vom 13.10.2021 in vollem Umfang stattgegeben. Hiergegen hat der Antragsgegner Erinnerung eingelegt, die das VG Berlin zurückgewiesen hat.
II. Erhöhung der Verfahrensgebühr
1. Gesetzliche Regelung
Nach Vorbem. 3 Abs. 2 VV entsteht die Verfahrensgebühr für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information. Vorliegend war dem Prozessbevollmächtigten der Antragsteller eine 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV angefallen. In dem Erinnerungsverfahren vor dem VG Berlin ging es darum, ob sich diese Verfahrensgebühr nach Nr. 1008 VV erhöht hat. Voraussetzung hierfür ist, dass in derselben Angelegenheit, hier also in dem Verfahren auf vorläufigen Rechtsschutz, Auftraggeber des Rechtsanwalts mehrere Personen sind. In diesem Fall erhöht sich die Verfahrensgebühr für jede weitere Person um den Satz von 0,3. Diese Voraussetzungen lagen hier nach Auffassung des VG Berlin vor.
2. Eltern als weitere Auftraggeber
Das VG Berlin hat darauf hingewiesen, dass die Antragsteller zu 2 und 3 vorliegend nicht lediglich als gesetzliche Vertreter des Antragstellers zu 1 und damit im fremden Namen aufgetreten waren, um einen schulrechtlichen Anspruch ihres Kindes, des Antragstellers zu 1, auf ermessensfehlerfreie Auswahlentscheidung hinsichtlich der Aufnahme in die John-F.-Kennedy-Schule im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes geltend zu machen (§ 1629 Abs. 1 S. 1 und 2 HS 1 BGB i.V.m. § 62 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Vielmehr hätten die Antragsteller zu 2 und 3 als Eltern des Antragstellers zu 1 zugleich auch gemeinschaftlich im eigenen Namen ihr Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 GG verfolgt. Dies hat das VG Berlin sowohl aus der Antragsschrift, aus der vorgelegten Vollmacht und aus dem Beschluss des VG Berlin vom 7.9.2021 gefolgert. In jenem Beschluss hat das VG nämlich die Antragsteller zu 2 und 3 ausdrücklich als (Mit-)Antragsteller aufgeführt. In der Begründung des Beschlusses hat das VG den Antrag auch der Antragsteller zu 2 und 3 ohne jegliche Einschränkung als zulässig und begründet angesehen.
Demgegenüber hatte der Antragsgegner die Auffassung vertreten, die Antragsteller zu 2 und 3 seien lediglich als gesetzliche Vertreter aufgetreten. Insoweit hat der Antragsgegner vorgebracht, bei der Geltendmachung einer Schadensersatzforderung eines minderjährigen Kindes durch seine Eltern habe der Prozessbevollmächtigte nicht mehrere Auftraggeber, sodass die Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV nicht anfalle. Dem hat das VG zugestimmt, soweit die Eltern bei der Geltendmachung der Schadensersatzforderung nur als gesetzliche Vertreter aufgetreten seien, nicht aber eigene Rechte geltend gemacht hätten, weil Inhaber der Forderung ausschließlich das minderjährige Kind sei. Dieser Fall sei mit der vorliegenden Situation jedoch nicht vergleichbar, weil die Antragsteller zu 2 und 3 gerade (auch) eigene Rechte geltend gemacht hätten, die von ihrer prozessualen Rolle als gesetzliche Vertreter des Antragstellers zu 1 unabhängig seien. Dass die Geltendmachung beider Rechtspositionen letztlich auf dasselbe Ziel – nämlich auf eine ermessensfehlerfreie Auswahlentscheidung auf Aufnahme in die Schule – gerichtet sei, sei unerheblich.
3. Mehrbelastung nicht erforderlich
Die Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV entsteht nach den weiteren Ausführungen des VG Berlin ohne Rücksicht darauf, ob in Schulangelegenheiten eines minderjährigen Kindes zusätzlich für beide Eltern im Ra...