Nach diesen Grundsätzen war nach Auffassung des KG die Tätigkeit des Rechtsanwalts nach der Gesamtwürdigung jedenfalls im Abgeltungsbereich der Grundgebühr und der Verfahrensgebühren durch die gesetzlichen Gebühren nicht zumutbar abgegolten.
1. Hauptverhandlung
Die Gebühren für das Verfahren im Rahmen der Hauptverhandlung standen nach Ansicht des KG allerdings nicht außer Verhältnis zur Indienstnahme des Rechtsanwalts, obgleich eine besondere Schwierigkeit darin Bestand habe, dass das Tötungsdelikt bereits 12 Jahre zurück gelegen habe und das Aktenkonvolut sowie das Zeugen- und Sachverständigenprogramm umfangreich gewesen sei. Die Pflichtverteidigervergütung im Hauptverfahren sei durch die Terminsgebühr geprägt. Diese soll die Vor- und Nachbereitung des Termins sowie die Teilnahme am Termin bis zu 5 Stunden abgelten (vgl. VerfGH Berlin RVGreport 2020, 299; Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, 25. Aufl., 2021, VV 4118 bis 4123 Rn 6, VV 4108 Rn 10). Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber den mit den vor den Schwurgerichtskammern geführten Verfahren aufgrund der nicht alltäglich von einem Rechtsanwalt zu bewältigenden Inhalte regelmäßig einhergehenden überdurchschnittlichen Schwierigkeit und besonderen Arbeitsbelastung bereits dadurch Rechnung getragen habe, dass der Rechtsanwalt – wie hier der Antragsteller – höhere Verfahrens- und Terminsgebühren (Nrn. 4118 und 4120 VV) erhalte, als für eine Tätigkeit in den von den Gebührentatbeständen Nrn. 4106, 4108, 4112 und 4114 VV erfassten erstinstanzlichen Strafsachen vor dem AG oder einer anderen Großen Strafkammer. Diese würden die vom Gesetzgeber für diese Verfahren antizipierten besonders intensiven und wegen der Verfahrensdauer auch zeitlich aufwändigeren Vor- und Nachbereitungen abgelten, die abgesehen davon ohnehin zu den selbstverständlichen und daher nicht besonders zu vergütenden Pflichten des Verteidigers gehören (vgl. KG, Beschl. v. 10.5.2016 – 1 ARs 33/15 und v. 24.10.2019 – 1 ARs 4/19).
Die durchschnittliche Verhandlungsdauer von zweieinhalb Stunden der durch den Antragsteller (zum Teil nicht in Gänze) wahrgenommenen 37 Hauptverhandlungstermine lag hier deutlich unter der mit etwa 6 Stunden durchschnittlichen Verhandlungsdauer im Verfahren vor der Schwurgerichtskammer des LG. Der Rechtsanwalt war vorliegend nach Auffassung des KG mithin durch die große Anzahl der jeweils einzeln vergüteten Hauptverhandlungstermine erheblich besser gestellt worden als in einem durchschnittlichen Verfahren, was zu einer Kompensation arbeitsintensiver Abschnitte der Tätigkeit des Verteidigers führt (KG, Beschl. v. 2.6.2016 – 1 ARs 23/15). Bei der durchschnittlichen Verhandlungsdauer von zweieinhalb Stunden sowie einer Erstreckung der 37 Termine über einen Zeitraum von neun Monaten sei die Möglichkeit des Antragstellers, andere Mandate zu bearbeiten, auch nicht erheblich eingeschränkt. Insbesondere sei nicht ersichtlich, dass der Rechtsanwalt durch seine Bestellung so belastet gewesen sei, dass dies seine Existenz gefährdete oder zumindest erhebliche negative finanzielle Auswirkungen auf seinen Kanzleibetrieb gehabt habe (vgl. VerfGH, a.a.O.).
2. Einarbeitung
Demgegenüber ist nach Auffassung des KG die Phase der Einarbeitung in das Verfahren mit einem Aktenumfang von 17 Bänden Sachakten, 19 Sonderbänden, diversen Bildermappen und 12 Beistücken sowie der 33 Seiten umfassenden Anklage als besonders umfangreich einzustufen (vgl. KG, Beschl. v. 17.6.2015 – 1 ARs 5/13 und v. 2.6.2016 – 1 ARs 23/15, m.w.N.; Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., § 51 Rn 19 m.w.N.). Dem Antragsteller habe dabei nur eine vergleichsweise kurze Einarbeitungszeit zur Verfügung gestanden (vgl. Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., § 51 Rn 21), nachdem er mit Schriftsatz vom 26.5.2019 gegenüber der Staatsanwaltschaft die Vertretung des Nebenklageberechtigten angezeigt und beantragt hatte, die Nebenklage zuzulassen, ihn als Nebenklagevertreter beizuordnen und ihm Akteneinsicht zu gewähren und er diesen Antrag mit Schriftsatz vom 16.5.2019 erneut an die zuständige Schwurgerichtskammer gerichtet hat, als er durch die Staatsanwaltschaft Kenntnis von der Anklageerhebung erhalten hatte. Die Bestellung des Antragstellers erfolgte am 31.5.2019. Bereits am 17.7.2019 hat eine Vorbesprechung mit den Verfahrensbeteiligten zur Strukturierung der am 31.7.2019 beginnenden Hauptverhandlung stattgefunden. Die Arbeitskraft des Antragstellers sei daher – so das KG – in der Phase der Einarbeitung in das Verfahren, auch vor dem Hintergrund, dass es sich um ein 12 Jahre zurückliegendes Tötungsdelikt gehandelt hat und der Verurteilte nicht geständig war, weit überdurchschnittlich gebunden gewesen. Damit seien die Pflichtverteidigergebühren nach Nrn. 4100, 4104 und 4118 VV auch in der Gesamtschau nicht mehr zumutbar. Bei der Bemessung der Pauschgebühr seien daher für diese Gebühren statt der Pflichtverteidigergebühren jeweils die Wahlanwaltshöchstgebühren (i.H.v. 360,00 EUR, 290,00 EUR und 690,00 EUR [nach altem Recht]) anzusetzen.
Das ...