Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Abgrenzung zwischen Verfahrens- und Terminsgebühr nach Nrn. 4106 ff. VV-RVG
Leitsatz (amtlich)
Die anwaltlichen Tätigkeiten, die der konkreten Vor- und Nachbereitung eines Hauptverhandlungstermins dienen, werden ausschließlich mit der Verfahrensgebühr nach Nr. 4112 VV-RVG, und nicht mit der Terminsgebühr nach Nr. 4114 VV-1 RVG, abgegolten."
Normenkette
RVG § 45 Abs. 3, § 51 Abs. 1; RVG-VV Nrn. 4100, 4104, 4112, 4114, 4116
Tenor
Dem Verteidiger Rechtsanwalt B. wird auf seinen Antrag vom 17.9.2010 eine Pauschgebühr i.H.v. EUR 3.784 bewilligt. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
Gründe
Über den vom Antragsteller am 17.9.2010 gestellten Antrag auf Gewährung einer sog. Pauschgebühr von 6.000 EUR zusätzlich zu den bereits erhaltenen Pflichtverteidigergebühren von 1.768 EUR entscheidet der Senat in der Besetzung mit drei Richtern, da die originär zuständige Einzelrichterin mit Beschluss vom 24.11.2011 die Sache dem Senat gem. §§ 51 Abs. 2 S. 4, 42 Abs. 3 S. 2 RVG zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung übertragen hat.
Dem Antragsteller, der am 24.9.2008 dem ehemaligen Angeklagten als Verteidiger beigeordnet worden ist, steht nach § 45 Abs. 3 RVG ein Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse zu (Hartmann, KostG, 41. Aufl., § 45 RVG Rz. 38), dessen Höhe sich nach dem Vergütungsverzeichnis in Anlage 1 des RVG (im Folgenden: VV) bemisst (§ 2 Abs. 2 RVG i.V.m. Teil 4, Vorbemerkung 4 (1) VV). Abweichend von den dort in den Nrn. 4100 und 4112 VV festgeschriebenen Gebühren war ihm eine darüber hinausgehende Pauschgebühr zu bewilligen, weil das Strafverfahren einen besonderen Umfang aufwies und auch rechtlich besonders schwierig war, so dass die nach dem Vergütungsverzeichnis bestimmten Gebühren für den Verteidiger unzumutbar sind (§ 51 Abs. 1 S. 1 RVG).
Mit dem OLG Hamm (Beschluss vom 17.2.2005, AGS 2005, 112) geht der Senat in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass hinsichtlich der Bewilligung der Pauschgebühr gem. § 51 RVG der besondere Umfang und die besondere Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit in den einzelnen Verfahrensabschnitten zu berücksichtigen sind. Diese Prüfung führt zu folgenden Ergebnissen.
1. Allgemeine Gebühren:
Dem Verteidiger steht zunächst eine Grundgebühr nach Nr. 4100 VV i.H.v. 132 EUR zu. Mit dieser Gebühr wird die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall abgegolten, somit das erste Gespräch mit dem Mandanten sowie die erste Beschaffung der erforderlichen Informationen z.B. durch Akteneinsicht oder Gespräche mit Familienangehörigen (Burhoff, RVG, 2. Aufl., Nr. 4100 VV Rz. 20 ff.).
Der Antragsteller hat seine Bevollmächtigung erst am 19.9.2008 und somit fast ein Jahr nach Verfassung der Anklageschrift vom 10.12.2007 angezeigt. In diesem Stadium des Verfahrens musste der Antragsteller eine besonders umfangreiche anwaltliche Tätigkeit entfalten, weil er sich damals in eine Akte von 11 Bänden mit einem Umfang von ca. 12.000 Seiten einarbeiten musste. Dass er dabei auf den Aktenauszug des Weiteren Verteidigers, RA C., zurückgreifen konnte, wird ihm die eigene Einarbeitung zwar erleichtert, aber nicht erspart haben. Die Gebühr für die erste Einarbeitung in das Verfahren war daher angemessen auf 924 EUR (7 × 132 EUR) zu erhöhen, auch wenn hierdurch die Höchstgebühr des Wahlverteidigers überschritten wird, was in diesem Ausnahmefall vertretbar erscheint.
2. Vorbereitendes Verfahren:
Da der Antragsteller vor dem Eingang der Anklageschrift vom 10.12.2007 nicht tätig geworden ist, ist keine Gebühr Nr. 4104 VV angefallen.
3. Gerichtliches Verfahren - Erster Rechtszug:
Die in dem gerichtlichen Verfahren entstandene Verfahrensgebühr Nr. 4112 VV war auf 1.240 EUR (10 × 124 EUR) zu erhöhen.
Der Senat vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass mit der pauschalen Verfahrensgebühr Nr. 4112 VV die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts im Strafverfahren des ersten Rechtszugs nach Abschluss des vorbereitenden Verfahrens mit Ausnahme der durch die Terminsgebühr Nr. 4114 VV abgegoltenen Tätigkeit honoriert wird. Mit der Gebühr Nr. 4112 VV wird insbesondere die Vorbereitung der Hauptverhandlung, die Beratung des Auftraggebers, der gesamte schriftliche oder mündliche Verkehr mit dem Auftraggeber, der gesamte Schriftverkehr mit Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht sowie die Vornahme von Akteneinsicht abgegolten. Mit der Verfahrensgebühr werden somit auch die anwaltlichen Tätigkeiten honoriert, die der Vor- und Nachbereitung eines Hauptverhandlungstermins dienen. Die vom Bezirksrevisor in seiner Stellungnahme vom 15.10.2010 vertretene Auffassung, diese Tätigkeit werde von den Terminsgebühren nach Nr. 4114 VV abgegolten, wird somit nicht geteilt.
Für diese vom Senat weiterhin vertretene Abgrenzung zwischen Verfahrens- und Terminsgebühr spricht bereits der Wortlaut der Vorbemerkung 4 Abs. 2 und 3 der Anlage 1 des RVG. Dort heißt es ausdrücklich, die Verfahrensgebühr falle für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information an (Abs. 2). Hingegen entsteht die T...