Es ist streitig, ob ein nach Verkündung eines Urteils abgeschlossener Vergleich die gebührenrechtliche Privilegierung nach der Vorbem. 8 GKG KV herbeiführt.
1. Kein Wegfall mehr möglich
Nach einer Auffassung soll der Abschluss eines Vergleiches nach Verkündung eines Urteils keine gebührenrechtlichen Auswirkungen mehr haben. Nach dieser Ansicht müsse der gerichtliche Vergleich vor Verkündung der die Instanz beendenden Entscheidung geschlossen sein. Zwar können die Parteien den Rechtsstreit bis zur Rechtskraft der Entscheidung noch durch Vergleich beenden, doch ziele die – nach dieser Ansicht – gesetzgeberische Intention der kostenmäßigen Vergleichsprivilegierung auf eine in diesen Fällen nicht mehr erreichbare Entlastung der Gerichte. Der kostenrechtlich maßgebende Zeitpunkt der Instanzbeendigung trete mit der Verkündung des Urteils ein, sodass ein danach abgeschlossener Vergleich nicht mehr zu einer Beendigung des Verfahrens führen könne (so LAG Berlin, Urt. v. 8.7.1991 – 2 Sa 18/90; LAG Köln, Beschl. v. 21.8.1985 – 8 Ta 136/85; LAG Frankfurt, Beschl. v. 31.8.2011 – 13 Ta 350/11).
Das LAG Frankfurt führt in seinem Beschl. v. 31.8.2011 (13 Ta 350/11) zur Begründung aus, dass die Verfahrensgebühr nicht entfallen könne, wenn die Parteien den Vergleich erst nach Zustellung des arbeitsgerichtlichen Urteils während des Laufs der Berufungsfrist zwischen den Instanzen geschlossen hätten. In diesem Zeitraum sei der Abschluss eines Vergleichs zwar möglich, häufig sogar geboten; eine kostenrechtliche Privilegierung nach Vorbem. 8 GKG KV könne er aber nicht mehr erfahren. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut und Sinn der Vorbem. 8 GKG KV. Kostenrechtlich sei die Instanz mit Verkündung des Urteils beendet, nicht erst mit Zustellung des Urteils oder dessen Rechtskraft. Dies folge aus § 6 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 2 Nr. 1 GKG. Danach seien Gebühren und Auslagen fällig, wenn eine unbedingte Entscheidung über die Kosten ergangen sei. Eine Zustellung des Urteils oder gar dessen Rechtskraft seien nicht nötig. Die Vorbem. 8 GKG-KV solle den Abschluss eines Vergleiches kostenrechtlich privilegieren, wenn dem Gericht dadurch Arbeit erspart werde. Dies sei nach der Verkündung und Abfassung des Urteils nicht mehr der Fall. Alle für das Gericht in Betracht kommenden Tätigkeiten seien dann bereits erbracht. Die in Nr. 8211 GKG KV geregelte Gebührenermäßigung auf 0,4 komme zwar nur in Betracht, wenn zuvor kein Urteil ergangen sei. Daraus folge aber nicht, dass umgekehrt bei Wegfall der Gebühr nach einem Vergleich gem. Vorbem. 8 GKG KV ein Urteil vorausgegangen sein dürfe. Dieser Umkehrschluss sei nicht zwingend und berücksichtige nicht die ratio der Vorbem. 8 GKG KV.
2. Auch nach Urteil noch Wegfall möglich
Nach a.A. (LAG Stuttgart, Beschl. v. 31.5.2001 – 4 Ta 29/01; LAG Düsseldorf, Beschl. v. 5.2.2020 – 13 Ta 96/19; LAG Hamm, Beschl. v. 7.12.2010 – 6 Ta 486/10) führt auch ein nach Verkündung des Urteils geschlossener Vergleich, soweit das Verfahren noch beim ArbG schwebt, also weder rechtskräftig abgeschlossen ist noch ein Rechtsmittel eingelegt ist, zur Kostenprivilegierung.
3. Das LAG Nürnberg folgt der zweiten Ansicht
Die Gesetzgeber wollten mit der Reform im Jahr 2004 das Gebührenniveau in arbeitsgerichtlichen Verfahren unter dem der Verfahren der ordentlichen Gerichte halten, die Prozessparteien sollten aber stärker an den Kosten des Verfahrens beteiligt werden (BT-Drucks 15/1971, 175). Die Struktur für die arbeitsgerichtlichen Verfahren in Bezug auf die Gebührentatbestände und die Gebührenhöhe sollten sich aber weiterhin von denen des Zivilprozesses unterscheiden. Jede Form der Verständigung zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgeber soll auch weiterhin gefördert werden. Das Kostenrecht ist zwingendes öffentliches Abgabenrecht. Es ist nach dem Wortlaut und der Systematik auszulegen. Der Sinn und Zweck der Vorschrift ist im engen Umfang daneben zu beachten, der Wortlaut darf nur in engen Grenzen überschritten werden. Kosten, also Gebühren und Auslagen, dürfen nur insoweit erhoben werden, als das Gesetz dies ausdrücklich erlaubt, § 1 GKG. Die Vorschriften sind somit als Ausnahmen vom Grundsatz eng auszulegen. Die Fälligkeit der Kosten bei den Gerichten für Arbeitssachen richtet sich nach §§ 6 Abs. 4, 9 GKG. Die Parteien sollen vollständig erst "zur Kasse gebeten" werden, wenn einer der Fälligkeitstatbestände des § 9 Abs. 2 GKG erfüllt ist. Es ist somit zwischen dem Entstehen, also dem Erwachsen der Kostenschuld und ihrer Fälligkeit zu unterscheiden. Die Verfahrensgebühr etwa entsteht auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren mit der Einleitung des Verfahrens, sie ist nur noch nicht fällig. Eine Urteilsgebühr ist für das erstinstanzliche Verfahren vor den Arbeitsgerichten überhaupt nicht vorgesehen.
Nach § 9 Abs. 2 GKG werden die Gebühren und Auslagen fällig, wenn eine unbedingte Entscheidung über die Kosten ergangen ist, das Verfahren oder Rechtszug durch gerichtlichen Vergleich oder Zurücknahme beendet ist, das Verfahren sechs Monate geruht oder se...