Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenprivilegierung eines Vergleichs nach Urteilsverkündung
Leitsatz (amtlich)
Auch wenn die Parteien im arbeitsrechtlichen Verfahren erst nach Verkündung eines Urteils, aber vor dessen Rechtskraft oder vor Einlegung eines Rechtsmittels einen verfahrensbeendenden Vergleich schließen, entfallen die Gerichtsgebühren nach der Vorbemerkung 8 KVGKG.
Leitsatz (redaktionell)
Die Parteien können prozessual bis zur Rechtskraft der Entscheidung einen Prozessvergleich abschließen. Nach dem Wortlaut der Vorbemerkung 8 KVGKG ist für einen Gebührenentfall lediglich die Beendigung des Verfahrens durch Vergleich erforderlich. Die Verkündung des Urteils bedeutet also keine zeitliche Zäsur für das Eingreifen der Regelung zur Kostenprivilegierung. Ein Vergleich nach Urteilsverkündung bleibt deshalb frei von Gerichtsgebühren.
Normenkette
ZPO § 278 Abs. 6; GKG § 9 Abs. 2; GKG-KV Vorbem. 8; GKG-KV Nr. 8210; GKG § 6 Abs. 1, § 9 Abs. 2 Nr. 1; GKG Anl. 1 Nrn. 1211, 8210, 8211 Nr. 2
Verfahrensgang
ArbG Bamberg (Entscheidung vom 11.04.2022; Aktenzeichen 5 Ca 327/21) |
Tenor
1. Die Beschwerde des Bezirksrevisors beim Landesarbeitsgericht Nürnberg vom 26.04.2022 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bamberg vom 11.04.2022 - Aktenzeichen: 5 Ca 327/21 - wird zurückgewiesen.
2. Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
A.
Im Ausgangsverfahren hat das Arbeitsgericht Bamberg am 09.11.2021 ein Endurteil verkündet und mit diesem Endurteil der Kündigungsschutzklage gegen eine außerordentliche Kündigung, vorsorglich ordentliche Kündigung, vom 20.04.2021 in vollem Umfang stattgegeben. Nach Verkündung dieses Urteiles hatten die Parteivertreter außergerichtliche Vergleichsverhandlungen aufgenommen, die erfolgreich abgeschlossen werden konnten. Mit Beschluss vom 28.01.2022 hat das Arbeitsgericht Bamberg gemäß § 278 Abs. 6 ZPO festgestellt, dass ein gerichtlicher Vergleich zustande gekommen ist, mit dem die Parteien den Rechtsstreit vollumfänglich erledigt und darüber hinaus das Arbeitsverhältnis vollständig abgewickelt haben. Darüber hinaus waren sich die Parteien einig, dass aus dem Endurteil des Arbeitsgerichts Bamberg vom 09.11.2021 keine Rechtswirkungen hergeleitet werden und die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben werden.
Nach dieser Feststellung nach § 278 Abs. 6 ZPO hat der Erstrichter ein Endurteil abgesetzt und von der Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe aufgrund des Vergleiches vom 28.01.2022 und der dadurch bewirkten Erledigung des Rechtsstreits analog § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO, § 313a Abs. 1 und Abs. 2 ZPO abgesehen.
Die Urkundsbeamtin des Arbeitsgerichts Bamberg hat das Verfahren am 22.02.2022 als gebührenfrei behandelt und die Akte dem Bezirksrevisor des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vorgelegt. Der Bezirksrevisor als Vertreter der Staatskasse vertritt die Auffassung, dass bei der vorliegenden Konstellation die Verfahrensgebühr nicht entfallen sei, sondern sich lediglich auf 0,4 ermäßigt habe. Deshalb legte er gegen den Kostenansatz der Urkundsbeamtin des Arbeitsgerichts Bamberg am 25.02.2022 Erinnerung ein und beantragte den entsprechenden Gebührenansatz und die Zulassung der Beschwerde zum Landesarbeitsgericht Nürnberg wegen grundsätzlicher Bedeutung. Die Kostenbeamtin half der Erinnerung des Bezirksrevisors nicht ab und legte sie dem Kammervorsitzenden der 5. Kammer des Arbeitsgerichtes Bamberg zur Entscheidung vor. Sie ist der Ansicht, dass die Kostenprivilegierung gemäß der Vorbemerkung 8 KVGKG greife. Diese Regelung sei auch nach Urteilsverkündung anwendbar. Eine zeitliche Begrenzung der Vorbemerkung 8 KVGKG lasse sich der Regelung nicht entnehmen, der Gebührenwegfall sei in der Vorbemerkung auch nicht an bestimmte Verfahrensabschnitte gebunden. Bei der Vorbemerkung 8 KVGKG handele es sich um eine Besonderheit, die mit ihrem Inhalt ausschließlich für die Gerichte für Arbeitssachen gelte. Hintergrund der Regelung sei nicht allein die Arbeitsersparnis für die Gerichte. Nach der Gesetzesbegründung solle vielmehr jede Form der Verständigung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber in besonderer Weise auch gebührenrechtlich gefördert, also ein sozialpolitischer Zweck verfolgt werden.
Der Vorsitzende der 5. Kammer des Arbeitsgerichts Bamberg wies mit Beschluss vom 11.04.2022 die Erinnerung des Bezirksrevisors vom 25.02.2022 gegen den Kostenansatz der Kostenbeamtin vom 22.02.2022 zurück und ließ die Beschwerde zu. Nach Wertung des Vorsitzenden umfasse die Vorbemerkung 8 KVGKG auch die verfahrensgegenständliche Konstellation, dass die Parteien den Rechtsstreit im Anschluss an ein gerichtliches Endurteil durch gerichtlichen Vergleich erledigen. Die umfassende Beilegung des Rechtsstreits im Anschluss an das verkündete, aber noch nicht vollständig abgefasste Endurteil vom 09.11.2021 erfülle die Voraussetzungen der Vorbemerkung 8 KVGKG. Die Kostenprivilegierung nach der Vorbemerkung 8 KVGKG entspreche dem Willen des Gesetzgebers, den Abschluss eines Ver...