Entscheidungsstichwort (Thema)
Gerichtskosten bei vergleichsweiser Beendigung des erstinstanzlichen Kündigungsschutzverfahrens nach teilweiser Klagerücknahme vor streitiger Verhandlung. Verbot erweiternder Auslegung von Kostenermäßigungstatbeständen im arbeitsgerichtlichen Verfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Wird in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren erster Instanz die Klage vor streitiger Verhandlung teilweise zurückgenommen und nach streitiger Verhandlung ein Vergleich geschlossen, ist eine 0,4-Verfahrensgebühr gemäß KVGKG Nr. 8211 zu erheben.
2. Der klare Wortlaut der Regelung in Teil 8 KVGKG und der klar erkennbare gesetzgeberische Wille verbieten es, Kostenermäßigungstatbestände im arbeitsgerichtlichen Verfahren erweiternd auszulegen.
Normenkette
GKG §§ 3, 40; GKG-KV Vorbem. 8; GKG-KV Nrn. 8210-8211; GKG-KV Nrn. 1210-1211; GKG-KV Teil 8 Vorbem. Sätze 1-2; GKG-KV Nr. 8210 Abs. 2, Nr. 8211 Nr. 1
Verfahrensgang
ArbG München (Entscheidung vom 06.06.2012; Aktenzeichen 1 Ca 5807/10) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Bezirksrevisorin bei dem Landesarbeitsgericht München wird der Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 06.06.2012 (Az.: 1 Ca 5807/10) aufgehoben.
2. Auf die Erinnerung der Bezirksrevisorin bei dem Landesarbeitsgericht München wird der Beschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 01.02.2012 (Az.: 1 Ca 5807/10) aufgehoben.
3. Die Erinnerung der Beklagten zu 1) gegen den Kostenansatz in der Kostenrechnung vom 11.11.2011 (BKZ 3501.5041.4517) wird zurückgewiesen.
4. Auf die Erinnerung der Bezirksrevisorin wird die Gesamtsumme des Kostenansatzes für die Beklagte zu 1) auf € 119,98 festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im Kostenfestsetzungsverfahren über die von der Beklagten zu 1) im zugrunde liegenden Verfahren erster Instanz zu tragenden Gerichtskosten.
Mit der Klage gegen die Beklagten zu 1) und 2) im zugrunde liegenden Verfahren hat sich der Kläger gegen eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung gewandt, die Feststellung des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses auf unbestimmte Zeit geltend gemacht sowie im Falle des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung verfolgt.
Im Protokoll des Kammertermins vom 26.10.2011 heißt es hinsichtlich der Antragstellung wie folgt:
Der Klägervertreter erklärt auf Anregung des Gerichts, es werde zunächst gegenüber der Beklagten zu 2) aufgrund des unstreitigen Betriebsübergangs auf die Beklagte zu 1) die Klage zurückgenommen.
Gegenüber der Beklagten zu 1) wird unter weiterer Klagerücknahme im Übrigen, der Antrag aus Ziffer 1 der Klage vom 05.05.2010 mit der Maßgabe gestellt, dass sich der Feststellungsantrag auf die hilfsweise erklärte, außerordentliche Kündigung mit der von der Beklagten erklärten sozialen Auslauffrist wende.
Sodann ist die Sach- und Rechtslage erörtert worden und das Verfahren insgesamt durch einen Vergleich beendet worden. Eine Kostenregelung enthält der Vergleich nicht.
Durch Beschluss vom 08.12.2011 hat der Kammervorsitzende des Arbeitsgerichts den Streitwert für das Verfahren auf € 20.915,28 und für den Vergleich auf € 41.830,56 festgesetzt.
Mit Kostenrechnung vom 11.11.2011 wurden dem Kläger und der Beklagten zu 1) jeweils € 115,38 in Rechnung gestellt, die sich insgesamt aus € 106,00 Gerichtsgebühren aus einem Gegenstandswert von € 17.248,00 und € 124,75 JVEG-Entschädigungen zusammensetzten.
Gegen die Kostenrechnung hat die Beklagte zu 1) mit einem am 19.12.2011 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Erinnerung eingelegt. Sie hat geltend gemacht, durch den abgeschlossenen Vergleich seien Gerichtsgebühren entfallen.
Durch Beschluss vom 01.02.2012 hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle der Erinnerung abgeholfen und die Kostenrechnung vom 11.11.2011 als gegenstandslos erklärt.
Gegen den Beschluss hat die Bezirksrevisorin bei dem Landesarbeitsgericht München mit einem am 30.03.2012 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Erinnerung eingelegt, die Festsetzung einer Gebühr von € 115,20 aus einem Gegenstandswert von € 20.915,28 beantragt und gefordert, davon € 57,60 von der Beklagten zu 1) einzuziehen.
Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass eine vollständige Gebührenermäßigung durch den Vergleich nicht eingetreten sei, weil dadurch das Verfahren nicht insgesamt erledigt worden sei.
Durch Beschluss vom 06.06.2012 hat das Arbeitsgericht die Erinnerung der Bezirksrevisorin zurückgewiesen und die Beschwerde zugelassen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass in entsprechender Anwendung der amtlichen Vorbemerkung 8 des Teils 8 zum GKG das Verfahren zum entscheidenden Vergleichszeitpunkt insgesamt durch einen Prozessvergleich erledigt worden sei und für die vorangegangene Teilklagerücknahme in entsprechender Anwendung des Absatzes 2 der Schlussbemerkung der Nr. 8210 KVGKG ebenso ein Entfall der hierauf bezogenen Gebühr gegeben sei. Für den Fall einer Teilklagerücknahme vor streitiger Verhandlung im Zusammentreffen mit einem Vergleich über den restlichen Streitgegenstand nach streitiger Ver...