Das OLG München bejaht – wie zuvor schon das LG Augsburg – die Bindungswirkung der gem. § 46 Abs. 2 RVG ergangenen Entscheidung des AG für das Festsetzungsverfahren. Die Entscheidung über die Erstattung von Auslagen des beigeordneten oder bestellten Rechtsanwaltes erfolge in zwei Stufen:
1. Zwei Stufen
Auf der ersten Stufe entscheide das Gericht, das den Rechtsanwalt beigeordnet oder bestellt hat, dem Grunde nach darüber, ob die geltend gemachten Auslagen für eine sachgemäße Durchführung der Sache, hier der Vertretung des Auszuliefernden im Rahmen des Auslieferungsverfahrens, erforderlich gewesen seien. In keinem Fall sei für Feststellung der Erforderlichkeit der Rechtspfleger oder der UdG zuständig. Denn es gehe um solche Fragen, die nur das erkennende Gericht aus seiner Beurteilung der materiell-rechtlichen und prozessualen Gesamtsituation beantworten kann (vgl. Toussaint/Toussaint, KostR, 52. Aufl., 2022, RVG § 46 Rn 38). Nach der ausdrücklichen und unmissverständlichen Regelung in § 46 Abs. 2 S. 1 RVG sei die gerichtliche Feststellung der Notwendigkeit von Auslagen, zu denen gem. § 46 Abs. 2 S. 3 RVG auch die Kosten für Übersetzungen und Dolmetscher gehören, für das weitere Festsetzungsverfahren bindend. Die Entscheidung des Gerichts, mit der die Erforderlichkeit festgestellt werde, erfolge nach Anhörung des Bezirksrevisors und sie sei zu begründen. Sie sei jedoch nicht anfechtbar (vgl. Toussaint/Toussaint, a.a.O.), auch nicht für die Staatskasse (NK-GK/Hagen Schneider, 3. Aufl., 2021, RVG § 46 Rn 28).
Auf der zweiten Stufe, nämlich im Rahmen des Festsetzungsverfahrens nach § 55 RVG, entscheide der zuständige UdG, ob die auf der ersten Stufe vom Gericht für erforderlich erachteten Auslagen auch der Höhe nach erstattungsfähig seien. Werden Auslagen für Übersetzungen oder Dolmetscher geltend gemacht, so prüfe er insbesondere, ob diese sich – wie in § 46 Abs. 2 S. 3 2. Hs. RVG geregelt – auf die nach JVEG erstattungsfähigen Beträge beschränken.
2. Bindung auf der ersten Stufe
Dies zugrunde gelegt hätte der UdG die mit Beschl. v. 15.6.2021 getroffene Entscheidung des AG, dass die Übersetzung der fraglichen 259 Seiten für eine sachgerechte Verteidigung im Auslieferungsverfahren erforderlich war, hinzunehmen. Er sei nicht berechtigt gewesen, unter Verstoß gegen die ausdrückliche gesetzliche Regelung und unter Missachtung der gesetzlich bestimmten Bindungswirkung der gerichtlichen Entscheidung im Rahmen der von ihm vorzunehmenden Prüfung der Höhe inzident erneut und ohne Zuständigkeit die Erforderlichkeit der Übersetzungskosten zu prüfen, wie dies im Festsetzungsbeschluss geschehen sei.
Etwas anderes gelte auch nicht etwa deshalb, weil die Entscheidung des AG insofern fehlerhaft gewesen sei, als weder eine Anhörung des Bezirksrevisors noch eine eigene Prüfung der beantragten Auslagen stattgefunden habe und der Beschluss außerdem jegliche Begründung vermissen lasse. Stelle ein Gericht, und sei es auch fehlerhaft, die Erforderlichkeit einer Reise oder anderer Auslagen fest, schaffe es für den Rechtsanwalt einen Vertrauenstatbestand, auf den sich der Rechtsanwalt verlassen dürfe (Hartung/Schons/Enders/Hartung, 3. Aufl., 2017, RVG § 46 Rn 59). Das OLG merkt an, dass der UdG, wenn er sich denn über eine gerichtliche Entscheidung hinwegsetzen möchte, seine eigene zumindest in einem solchen Umfang begründen sollte, damit eine inhaltliche Nachprüfung möglich sei. Der Festsetzungsbeschl. v. 7.4.2022 teilt aber zu keinem der als nicht für eine sachgerechte Verteidigung erforderlich erachteten Dokumente mit, worauf sich diese Einschätzung stützt. Auch die Stellungnahme des Bezirksrevisors verhalte sich dazu nicht.