§§ 104, 91 ZPO
Leitsatz
Die Kosten eines auswärtigen Rechtsanwalts sind erstattungsfähig, wenn ein zweiter Rechtsstreit aus einer Gegenabmahnung mit denselben Vertretern resultiert.
OLG Dresden, Beschl. v. 11.1.2023 – 12 W 638/22
I. Sachverhalt
In einem Rechtsreit hatte sich eine Partei durch einen auswärtigen Rechtsanwalt vertreten lassen, dieser war weder am Gerichtsort noch am Sitz der vertretenen Partei ansässig. Im Kostenfestsetzungsverfahren stritten sich die Parteien über dessen Erstattungsfähigkeit. Das OLG Dresden sah die Erstattungsfähigkeit als gegeben an – jedoch nur ausnahmeweise. Nach Ansicht des OLG lagen besondere Umstände vor.
II. Grundsätzliches zur Erstattungsfähigkeit
Das OLG Dresden führt zunächst zur allgemeinen Erstattungsfähigkeit aus. Danach habe die unterlegene Partei die dem Gegner erwachsenen Kosten – einschließlich der Reisekosten eines Rechtsanwalts – gem. § 91 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 ZPO zu erstatten, soweit diese zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Notwendigkeit bemisst sich danach, was eine vernünftige und kostenorientierte Partei als sachdienlich ansehen durfte. Dabei sei – so das OLG – im Grundsatz davon auszugehen, dass die Reisekosten eines Rechtsanwalts, der weder am Gerichtsort noch am Sitz der vertretenen Partei ansässig ist, nur bis zur Höhe der fiktiv durch die Einschaltung eines an den genannten Orten ansässigen Bevollmächtigten als notwendig und damit erstattungsfähig anzusehen sind.
III. Ausnahmsweise ein darüberhinausgehender Betrag erstattungsfähig
Das OLG Dresden legt in seiner Entscheidung dann weiter dar, dass es vom Grundsatz der Kostenminderungspflicht einer Partei auch Ausnahmen geben kann. In seltenen Fällen – so das OLG – können auch die Mehrkosten eines an einem dritten Ort ansässigen Bevollmächtigten notwendig und damit erstattungsfähig sein (OLG Nürnberg, Beschl. v. 17.7.2020 – 13 W 2351/20, juris Rn 7). Hierfür reichten allerdings ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen Partei und ihrem Anwalt grds. nicht aus. Auch das Vorhandensein bestimmter Fachkenntnisse sei – so das OLG – dabei alleine nicht ausschlaggebend für die Erstattungsfähigkeit – hier der Reisekosten – von Mehraufwendungen. Wenn aber – wie im entschiedenen Fall – unter "gleichen Konstellationen" zwischen Partei und Gegner und den entsprechenden Vertretern bereits anderweitige Rechtstreite identischer Natur – hier nicht nur ähnlich gelagerter Natur, sondern sogar die gleichen Parteien und im weiteren Sinn sogar denselben Lebenssachverhalt (wenn auch nicht denselben Streitgegenstand) betreffend – anhängig seien, liege ein besonderes Momentum vor, welches auch die Erstattungsfähigkeit höherer Kosten rechtfertigen könne. Zwar sei – so das OLG – allein der Umstand, dass ein auswärtiger Rechtsanwalt für die Partei in derselben Angelegenheit bereits vorprozessual tätig war, kein Grund, die kostenträchtige Mandatierung eines auswärtigen Rechtsanwalts durch dessen Erstattungsfähigkeit zu rechtfertigen (vgl. hierzu BGH, Beschl. v. 20.12.2022 – XI ZB 13/11, Rn 10, AGS 2012, 434). In einer besonderen Konstellation wie vorliegend könne bei verschiedenen Gerichtsstandorten im Einzelfall aber auch die Wahl eines auswärtigen Anwalts unter wirtschaftlichen Gesamtgesichtspunkten "sinnvoll" sein. Auch sei es aus Sicht einer vernünftigen und kostenorientierten Partei nicht sachgerecht, für die gerichtliche Geltendmachung des sich aus dem gleichen Streitstoff und der Gegenabmahnung ergebenden gerichtlichen Gegenantrags einen weiteren Rechtsanwalt zu beauftragen. Denn dies hätte dazu geführt, dass eine Anrechnung der vorgerichtlichen Anwaltskosten auf die Verfahrensgebühr gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV nicht hätte erfolgen können.
IV. Bedeutung für die Praxis
Auch wenn es sich nur um eine Einzelfallentscheidung handelt, spiegelt sie doch den wichtigen Aspekt der Einzelfallbetrachtung wieder. Dieser folgend muss auch der bekannte "Blick über den Tellerrand" hinaus in Betracht gezogen und dabei stets auf die Perspektive der Partei abgestellt werden. Ergibt sich hieraus in einer Gesamtbetrachtung ein wirtschaftlicher oder verfahrensrechtlicher Vorteil, so können auch "höhere" Kosten im Ausnahmefall in Betracht kommen. Hierfür reicht aber das bloße "bessere" Vertrauensverhältnis einerseits, oder Spezialkenntnisse andererseits nicht aus. Das OLG legt zutreffend dar, dass nur zweckdienliche Kosten erstattungsfähig sind. Die Beurteilung der Frage, ob aufgewendete Prozesskosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren, hat sich daran auszurichten, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die Kosten auslösende Maßnahme ex ante als sachdienlich ansehen durfte. Dabei darf die Partei ihr berechtigtes Interesse verfolgen, die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte zu ergreifen. Sie trifft lediglich die Obliegenheit, unter mehreren gleich gearteten Maßnahmen die kostengünstigste auszuwählen. Beauftragt die Prozesspartei einen außerhalb des Gerichtsbezirks ansässigen und auch dort wohnenden Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung, ist hinsichtlich der von ihr geltend gema...