Die Entscheidung des OVG Münster liegt auf der Linie der ganz überwiegenden Auffassung in der Rspr.
1. Rechtsanwalt als Kostenschuldner gegenüber der Staatskasse
Sowohl die Bundesgerichte als auch die meisten Obergerichte vertreten die auch in der Entscheidung des OVG Münster zum Ausdruck kommende Auffassung, dass Schuldner der Aktenversendungspauschale nur der Rechtsanwalt selbst, nicht der von ihm vertretene Mandant ist (BVerwG AGS 2010, 383 = zfs 2010, 467 m. Anm. Hansens = RVGreport 2010, 304 [Hansens]; BGH AGS 2011, 262 = zfs 2011, 402 m. Anm. Hansens = RVGreport 2011, 215 [Ders.]; BSG AGS 2015, 398 = zfs 2015, 461 m. Anm. Hansens = RVGreport 2015, 365 [Ders.]; VGH Mannheim RVGreport 2016, 276 [Ders.]; OVG Lüneburg AGS 2010, 126; BayVGH AGS 2007, 574 = RVGreport 2007, 399 [Ders.]).
Anderer Auffassung sind bei den Obergerichten lediglich das OVG Bautzen AGS 2009, 492 und das OVG Hamburg RVGreport 2006, 318 [Ders.], die beide nicht den Rechtsanwalt, der den Aktenübersendungsantrag gestellt hat, sondern seinen Mandanten als Kostenschuldner ansehen. Diese Entscheidungen sind allerdings zeitlich vor der Entscheidung des beiden Gerichten übergeordneten BVerwG, a.a.O. ergangen und dürften damit überholt sein.
Der Rechtsanwalt ist übrigens nicht nur dann Kostenschuldner der Aktenversendungspauschale, wenn er – wie hier im Fall des OVG Münster – die Übersendung der Akten in seine Kanzleiräume beantragt, sondern auch dann, wenn er die Übersendung an das nächstliegende AG beantragt, um dort Akteneinsicht zu nehmen (FG Düsseldorf DStRE 2011, 706).
2. Schuldner im Innenverhältnis zum Mandanten
Hat die Staatskasse somit zu Recht den Rechtsanwalt für die Zahlung der gerichtlichen Aktenversendungspauschale nach Nr. 9003 GKG KV in Anspruch genommen, ist der von dem Rechtsanwalt an die Staatskasse gezahlte Auslagenbetrag Teil seiner Vergütung. Er kann nämlich gem. § 675 BGB i.V.m. § 670 BGB von dem Auftraggeber Ersatz der ihm entstandenen Aufwendungen verlangen (s. Vorbem. 7 Abs. 1 S. 2 VV). Folglich kann der Rechtsanwalt seinem Mandanten die Aktenversendungspauschale neben den Gebühren und sonstigen Auslagen in Rechnung stellen. Sie gehört nämlich nicht zu den mit den Anwaltsgebühren gem. § 15 Abs. 1 RVG allgemeinen Geschäftskosten des Rechtsanwalts und wird auch nicht von der Post- und Telekommunikationspauschale nach Nr. 7002 VV abgedeckt (BGH AGS 2011, 262 = zfs 2011, 402 m. Anm. Hansens = RVGreport 2011, 215 [Hansens] für die Aktenversendungspauschale nach § 107 Abs. 5 S. 1 OWiG).
Auf die Aktenversendungspauschale kann der Rechtsanwalt seinem Mandanten auch die nach Nr. 7008 VV entfallende Umsatzsteuer berechnen. Die Aktenversendungspauschale ist nämlich kein durchlaufender Posten i.S.v. § 10 Abs. 1 S. 6 UStG (BGH, a.a.O.; OVG Lüneburg AGS 2010, 126). Hierunter fallen vielmehr nur Beträge, die der Unternehmer (hier also der Rechtsanwalt) im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt, nicht zum umsatzsteuerpflichtigen Entgelt. Die Aktenversendungspauschale schuldet jedoch – wie erörtert – der Rechtsanwalt, der den Antrag gestellt hat, persönlich.
3. Aktenversendungspauschale des beigeordneten Rechtsanwalts
Der dem Mandanten – etwa im Wege der PKH oder VKH – beigeordnete Rechtsanwalt hat gem. § 48 Abs. 1 S. 1 RVG einen Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse. Hierzu gehören auch gem. § 46 Abs. 1 RVG die Auslagen, mithin auch die von dem beigeordneten Rechtsanwalt selbst geschuldete Aktenversendungspauschale. Diese wird von der Landeskasse nur dann nicht vergütet, wenn diese darlegt, dass die Aktenübersendung zur sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit nicht erforderlich war. Ein solcher Fall wird in der Praxis kaum einmal vorliegen.
4. Kostenerstattung
Kann somit der Rechtsanwalt die Aktenversendungspauschale nebst Umsatzsteuer seinem Mandanten in Rechnung stellen, gehört diese zu der gesetzlichen Vergütung des Rechtsanwalts, die der erstattungspflichtige Gegner gem. § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO; § 162 Abs. 2 S. 1 VwGO kraft Gesetzes zu erstatten hat. Aus diesen Vorschriften folgt, dass im Kostenfestsetzungsverfahren grds. nicht zu prüfen ist, ob die Aktenversendung notwendig ist. Im Regelfall ist aber ohnehin von der Notwendigkeit einer Übersendung auszugehen.
VorsRiLG a.D. Heinz Hansens, Berlin
AGS 3/2024, S. 126 - 128