ArbGG § 12a; ZPO § 91 Abs. 1; VV RVG Vorbem. 7 Abs. 3 S. 1
Leitsatz
Nimmt der Anwalt anlässlich einer Geschäftsreise am Zielort oder unterwegs auch einen privaten Termin wahr, so ist keine anteilige Aufteilung der Reiskosten nach Vorbem. 7 Abs. 3 S. 1 VV RVG vorzunehmen, weil die Reise nicht mehreren abrechenbaren Geschäften gedient hat.
LAG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 15.9.2008–17 Ta (Kost) 6097/08
1 Aus den Gründen
Die Beklagte ist nach dem Urteil des LAG verpflichtet, die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Zu diesen Kosten gehören auch die notwendigen Reisekosten des Prozessbevollmächtigten des Klägers sowie das in Ansatz gebrachte Abwesenheitsgeld (Nrn. 7003, 7005 VV).
Der Kostenansatz war entgegen der Auffassung des ArbG nicht in entsprechender Anwendung der Vorbem. 7 Abs. 3 S. 1 VV zu ermäßigen. Nach dieser Vorschrift sind die Kosten einer Reise, die mehreren Geschäften dient, nach dem Verhältnis der Kosten zu verteilen, die bei gesonderter Ausführung der einzelnen Geschäfte entstanden wären. Eine derartige Sachlage ist im vorliegenden Fall jedoch nicht gegeben. Auch wenn der Prozessbevollmächtigte des Klägers nicht am gleichen Tag die Rückreise angetreten hat, bedeutet dies doch nicht, dass die Reise nach Berlin auch anderen Geschäften i.S.d. genannten Vorbem. gedient hat. Er war kostenrechtlich nicht gehindert, den Aufenthalt in Berlin auch zu anderen Zwecken zu nutzen, solange es sich nicht um Geschäfte i.S.d. RVG handelte. Die Vorbem. 7 Abs. 3 S. 1 RVG stellt eine abschließende Regelung dar, die nicht auf andere Zwecke einer Reise übertragen werden kann. Auch hat die Verzögerung der Rückreise nicht zu einer Erhöhung der Reisekosten geführt. Bei dieser Sachlage kommt eine Kürzung des zu erstattenden Betrages nicht in Betracht.
2 Anmerkung
Unternimmt ein Anwalt eine Geschäftsreise anlässlich mehrerer Angelegenheiten, in der Regel anlässlich mehrerer Gerichtstermine in verschiedenen Verfahren, dann sind die Reisekosten anteilig aufzuteilen. Es gilt nicht § 7 Abs. 2 RVG wonach jeder Auftraggeber in der Höhe haftet, in der er haften würde, wenn die Tätigkeit alleine für ihn ausgeübt worden wäre. Vorzugehen ist vielmehr wie folgt:
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Zunächst sind die tatsächlichen (erstattungsfähigen) Gesamtkosten zu berechnen. |
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Sodann sind die fiktiven Einzelreisekosten zu ermitteln, die angefallen wären, wenn der Anwalt die Reisen für jeden Mandanten einzeln durchgeführt hätte. |
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Schließlich muss noch die Summe der Kosten der fiktiven einzelnen Reisen errechnet werden. |
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Alsdann werden die fiktiven Einzelreisekosten des Mandanten mit der Summe der tatsächlichen erstattungsfähigen Reisekosten multipliziert und durch den Gesamtbetrag aller fiktiven Reisekosten dividiert. Es gilt also folgende Formel: |
Fiktive Einzelreisekosten des Mandanten x tatsächliche erstattungsfähige Gesamtreisekosten/Summe aller fiktiven Einzelreisekosten
Der Anwalt hat seine Kanzlei in Köln. Für Mandant A fährt er zum LG Bonn und anschließend für Mandant B zum LG Koblenz. Das LG Bonn liegt 30 km von der Kanzlei entfernt, das LG Koblenz 120 km, die Entfernung zwischen LG Bonn und LG Koblenz beträgt 100 km.
Es ergibt sich folgende Berechnung:
(1) Tatsächliche erstattungsfähige Gesamtreisekosten
Fahrtkosten, Nr. 7003 VV ([30 + 100 + 120 km] x 0,30 EUR/km) |
75,00 EUR |
Abwesenheitspauschale 4 bis 8 Stunden, Nr. 7005 Nr. 2 VV |
35,00 EUR |
Gesamt |
110,00 EUR |
(2) Fiktive Einzelreisekosten
Mandant A:
Fahrtkosten, Nr. 7003 VV (2 x 30 km x 0,30 EUR/km) |
18,00 EUR |
Abwesenheitspauschale bis 4 Stunden, Nr. 7005 Nr. 1 VV |
20,00 EUR |
Gesamt |
38,00 EUR |
Mandant B:
Fahrtkosten, Nr. 7003 VV (2 x 120 km x 0,30 EUR/km) |
72,00 EUR |
Abwesenheitspauschale 4 bis 8 Stunden, Nr. 7005 Nr. 2 VV |
35,00 EUR |
Gesamt |
107,00 EUR |
(3) Summe der fiktiven Einzelreisekosten (38,00 EUR + 107,00 EUR =) |
145,00 EUR |
(4) Anteilige Kosten
Mandant A hat zu zahlen: 38,00 EUR x 110,00 EUR/145,00 EUR |
28,83 EUR |
Mandant B hat zu zahlen: 107,00 EUR x 110,00 EUR/145,00 EUR |
81,17 EUR |
Gesamt |
110,00 EUR |
Norbert Schneider