ZPO 121 Abs. 3
Leitsatz
- Ein nicht im Gerichtsbezirk niedergelassener Anwalt kann nicht zu den Bedingungen eines "ortsansässigen" Anwalts beigeordnet werden, sondern nur zu den Bedingungen eines "im Gerichtsbezirk niedergelassenen" Anwalts.
- Ein mit dieser Maßgabe eingeschränkt beigeordneter Anwalt erhält seine Reisekosten insoweit, als Reisekosten von dem vom Prozessgericht am weitesten entfernten Ort im Gerichtsbezirk angefallen wären.
- Die Beiordnung eines Verkehrsanwalts ist i.d.R. erst ab einer Entfernung von 50 km zwischen Wohnsitz der bedürftigen Partei zum Prozessgericht erforderlich.
OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 29.5.2009–2 WF 154/09
Sachverhalt
Das AG hatte der Klägerin für das zugrundeliegende Unterhaltsverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin A bewilligt, wobei die Beiordnung unter der Einschränkung zu den kostenrechtlichen Bedingungen einer Rechtsanwältin mit Sitz am Ort des Prozessgerichts erfolgte.
Aufgrund der Beschwerde der Klägerin hat das AG den Beschluss dahingehend abgeändert, dass der Klägerin Rechtsanwältin A zu den Bedingungen eines am Gerichtssitz niedergelassenen Rechtsanwalts beigeordnet wurde. Im Übrigen wurde der Beschwerde nicht abgeholfen.
Die gem. § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist in der Sache zum Teil begründet.
Aus den Gründen
Es kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob die Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Beschwerde gegen die Einschränkung der Beiordnung im eigenen Namen oder im Namen der von ihr vertretenen Klägerin eingelegt hat.
Grundsätzlich sind in derartigen Fällen nämlich sowohl der Prozessbevollmächtigte als auch die Partei selbst beschwerdeberechtigt (Philippi, in: Zöller, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 127 ZPO Rn 19); beide sind durch die Einschränkung der Beiordnung beschwert: der Prozessbevollmächtigte dadurch, dass ein gewisser Anteil seiner Gebührenansprüche nicht von der Staatskasse erstattet wird, die Partei dadurch, dass die Möglichkeit besteht, dass der Rechtsanwalt sie selbst wegen der Mehrkosten unmittelbar in Anspruch nimmt.
Die Beschwerde ist jedoch in der Sache nur teilweise begründet.
Gem. § 121 Abs. 3 ZPO kommt vorliegend eine uneingeschränkte Beiordnung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Rahmen der Prozesskostenhilfe nicht in Betracht.
Grundsätzlich darf nach § 121 Abs. 3 ZPO dem Wunsch einer Partei, ihr einen nicht im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassenen Rechtsanwalt beizuordnen, nur stattgegeben werden, wenn dadurch keine weiteren Kosten entstehen.
Es ist also ein Kostenvergleich anzustellen zwischen den möglichen Kosten des nicht im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassenen Wahlanwalts mit denen eines im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassenen Rechtsanwalts.
Hierbei ist zu berücksichtigen, dass nach dem Wegfall von § 126 Abs. 1, 2 BRAGO auch die Reisekosten des Rechtsanwalts zu vergüten sind, der zwar im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist, seine Kanzlei jedoch nicht an dem Ort hat, an dem sich das Gericht befindet (Vorbem. 7 Abs. 2 VV).
In dem Kostenvergleich nach § 121 Abs. 3 ZPO sind damit mögliche Kosten der Beiordnung eines Rechtsanwalts, der im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist, mit denen des Wahlanwalts der Partei zu vergleichen.
Hinsichtlich der Höhe der Reisekosten ist auf die Entfernung zwischen dem Prozessgericht und dem Ort im Gerichtsbezirk, der am weitesten vom Prozessgericht entfernt ist, abzustellen, da die Partei berechtigt ist, ohne Einschränkung innerhalb des Gerichtsbezirks jeden Anwalt zu wählen, und nicht etwa verpflichtet ist, einen am Ort des Prozessgerichts selbst ansässigen Rechtsanwalt zu beauftragen.
Höhere Reisekosten i.S.d. § 121 Abs. 3 ZPO können daher nur entstehen, wenn die Entfernung der Kanzlei des nicht im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassenen Rechtsanwalts weiter vom Prozessgericht entfernt ist als der am weitesten im Gerichtsbezirk entfernte Ort.
Im Rahmen des anzustellenden Kostenvergleichs ist ferner zu prüfen, ob neben einem Prozessbevollmächtigten im Bezirk des Prozessgerichts zusätzlich ein Verkehrsanwalt gem. § 121 Abs. 4 ZPO am Wohnort der Partei beizuordnen wäre (vgl. BGH NJW 2004, 2749 [= AGS 2004, 349]).
Geht es wie vorliegend um die Geltendmachung von Unterhalt, erfordert die Vorbereitung des Verfahrens umfangreiche Ermittlung von Daten und Zahlen.
Der Umfang und die Schwierigkeit der Sachlage machen Rückfragen und persönliche Gespräche erforderlich, diese Informationen können nicht schriftlich oder telefonisch erfolgen. Bei derartigen Rechtsstreitigkeiten ist zumindest bei größerer Entfernung zwischen dem Wohnort der Partei zum Bezirk des Prozessgerichts die Einschaltung eines Verkehrsanwalts erforderlich, wobei die entstehenden Kosten im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zusätzlich zu den Kosten des Hauptbevollmächtigten mit Sitz im Bezirk des Prozessgerichts berücksichtigt werden müssten (BGH NJW 2004, 2749 [= AGS 2004, 349]).
Nach der Rspr. des OLG Frankfurt/M. ist ein Verkehrsanwalt dann beizuordnen, wenn eine notwendige Informationsreise der Partei zu dem...