ZPO §§ 172, 114 ff.
Leitsatz
- Zustellungen im PKH-Überprüfungsverfahren sind an den Anwalt zu bewirken, wenn er sich bereits im Prüfungsverfahren für die bedürftige Partei bestellt hatte.
- Zustellungen an die bedürftige Partei lösen keine Rechtsmittelfristen aus.
BGH, Beschl. v. 8.12.2010 – XII ZB 39/09
1 Sachverhalt
Der Antragsteller wendet sich gegen die Aufhebung der ihm bewilligten Prozesskostenhilfe.
Dem durch Rechtsanwältin Dr. W. vertretenen Antragsteller war mit Beschluss des AG vom 29.11.2005 ratenfreie Prozesskostenhilfe für eine Abänderungsklage bewilligt und Rechtsanwältin Dr. W. beigeordnet worden. Im Januar 2006 schlossen die Parteien über den Gegenstand des Verfahrens einen Vergleich, in dem sie sich unter anderem über eine Kostenaufhebung verständigten.
In der Folgezeit forderte das AG den Antragsteller wiederholt erfolglos dazu auf, eine Erklärung darüber abzugeben, ob sich die für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe maßgeblichen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich geändert hätten und kündigte zuletzt eine Aufhebung der Prozesskostenhilfe an.
Mit Beschl. v. 20.5.2008 hat das AG die Prozesskostenhilfe aufgehoben. Der Beschluss ist dem Antragsteller am 29.5.2008 zugestellt worden und Rechtsanwältin Dr. W. durch formlose Übermittlung am 2.6. 2008 zugegangen.
Die am 2.7.2008 bei Gericht eingegangene sofortige Beschwerde des Antragstellers hat das Beschwerdegericht als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner von dem Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.
2 Aus den Gründen
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das OLG.
Für das Verfahren ist gem. Art. 111 Abs. 1 FGG-ReformG noch das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. Senatsurt. v. 16.12.2009 – XII ZR 50/08, FamRZ 2010, 357 m.w.Nachw.).
I. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil das Beschwerdegericht sie gem. § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO i.V.m. § 574 Abs. 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen hat und es um Fragen des Verfahrens der Prozesskostenhilfe geht (Senatsbeschlüsse v. 18.112009 – XII ZB 152/09, FamRZ 2010 197 m.w.Nachw. u. v. 4.8.2004 – XII ZA 6/04, FamRZ 2004, 1633 f.).
II. Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
1. Das OLG hat die Beschwerde für unzulässig erachtet, weil sie nicht innerhalb der Beschwerdefrist von einem Monat seit Zustellung des angefochtenen Beschlusses eingelegt worden sei (§§ 127 Abs. 2 S. 2, 569 Abs. 1 ZPO) und die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vorlägen. Maßgebend für den Fristbeginn sei der Zeitpunkt der Zustellung des Beschlusses an den Antragsteller und nicht der Zugang bei der Prozessbevollmächtigten des Hauptverfahrens. Diese habe sich im Prozesskostenhilfeaufhebungsverfahren nicht für den Antragsteller bestellt. Daher sei ihr der Aufhebungsbeschluss nur zu Informationszwecken übersandt worden. Dies entspreche der Regelung des § 172 Abs. 1 S. 1 ZPO, wonach nur in einem anhängigen Verfahren die Zustellung an den für den Rechtszug bestellten Prozessbevollmächtigten zu erfolgen habe. Das anhängige Verfahren ende mit der formellen Rechtskraft der abschließenden Entscheidung. Werde danach ein die Aufhebung der Prozesskostenhilfe betreffendes Verfahren eingeleitet, sei dieses nicht Teil des Hauptverfahrens. Auch falle es nicht unter die sonstigen in § 172 ZPO aufgezählten Verfahren. Es komme nicht darauf an, ob der bevollmächtigte Rechtsanwalt das Hauptsacheverfahren seinerzeit durch einen Prozesskostenhilfeantrag eingeleitet habe, denn die Bevollmächtigung zur Beantragung der Prozesskostenhilfe begründe nicht die Vermutung, dass der Anwalt auch für das Verfahren gem. § 120 Abs. 4 ZPO bevollmächtigt sei. Der Umfang der Prozessvollmacht ergebe sich allein aus § 81 ZPO.
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Nach § 120 Abs. 4 ZPO kann das Gericht innerhalb eines Zeitraums von vier Jahren ab rechtskräftiger Entscheidung oder sonstiger Beendigung des Verfahrens die Entscheidung über die im Rahmen der bewilligten Prozesskostenhilfe zu leistenden Zahlungen ändern, wenn sich die für die Prozesskostenhilfe maßgebenden persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich geändert haben. Auf Verlangen des Gerichts hat sich die Partei darüber zu erklären, ob eine Änderung der Verhältnisse eingetreten ist. Nach § 124 Nr. 2 Alt. 2 ZPO kann das Gericht die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, wenn die Partei eine Erklärung nach § 120 Abs. 4 S. 2 ZPO nicht abgegeben hat.
In Rspr. u. Lit. ist streitig, ob die Aufforderung zur Erklärung über die persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse und der Beschluss, durch den nach rechtskräftigem Abschluss des Hauptsacheverfahrens die für dieses Verfahren bewilligte Prozesskostenhilfe gem. §§ 120 Abs. 4, 124 ZPO aufgehoben wird, der Partei persönlich oder gem. § 172 Abs. 1 ZPO deren (frü...