Aus sozialen Gründen hat der Gesetzgeber die Gegenstandswerte in Mietsachen gedeckelt: Zieht z.B. § 8 ZPO bei Streit über das Bestehen oder die Dauer des Mietverhältnisses den auf die streitige Zeit entfallenden Mietwert, max. den 25-fachen Jahreswert heran, so begrenzt § 41 GKG den Wert auf maximal den Jahresbetrag des Mietzinses. Das führt inzwischen offensichtlich zu der zweifellos nicht erwünschten Folge, dass Fachanwälte für Mietrecht die Übernahme derartiger Mandate ohne eine von Rechtsschutzversicherungen nicht getragene Vergütungsvereinbarung ablehnen.
Räumungsstreitigkeiten enden häufig mit einem Vergleich: Der Mieter akzeptiert den Räumungsanspruch des Vermieters, erhält aber für den Verlust der bisherigen Wohnung, den wahrscheinlich höheren zukünftigen Mietzins und/oder die Kosten des Umzugs eine sogenannte Umzugskostenbeihilfe. Nach herrschender Auffassung führt eine solche Vergleichsregelung nicht zu einem Vergleichsmehrwert: Es bleibt beim häufig deutlich niedrigeren Wert des Räumungsverfahrens. Begründet wird dies damit, dass der Mieter auf eine derartige Leistung keinen Anspruch habe, dieser auch nicht Gegenstand des Rechtsstreites sei und deshalb die freiwillige Leistung des Vermieters nicht zu einem Mehrwert führe. Übersehen wird dabei, dass mit dieser "Umzugskostenbeihilfe" der Vermieter sich den Verzicht des Mieters auf Einspruchsrechte gegen die Kündigung, Verlängerung des Verfahrens durch Rechtsmitteleinlegung und – soweit zulässig – auf Räumungsschutzrechte erkauft.
Dies hat das LG Köln richtig erkannt, wenn es bei Abgeltung eines bestehenden Mieterrechts die Abfindung zum Räumungsstreitwert addiert. Auch das OLG Düsseldorf geht bei einem Verzicht auf Räumungsschutzrechte von einem Vergleichsmehrwert aus. Wird mit der Zahlung ein eventueller Schadensersatzanspruch wegen Verschlechterung der Mietsache oder wegen eventuell unberechtigter Eigenbedarfskündigung abgegolten, so erhöht dies den Vergleichsmehrwert.
Einen eher seltenen Fall hatte das OLG Hamm zu entscheiden: Im Zuge eines Räumungsrechtsstreites schlossen die Parteien im Rahmen eines Vergleiches einen neuen Mietvertrag. Das OLG Hamm verneinte einen Vergleichsmehrwert und beließ es beim Wert gem. § 41 Abs. 2 GKG, also maximal beim Jahresmietwert. Maßgeblich sei, dass das neue Mietverhältnis weder rechtshängig war noch sonst in Streit stand und deshalb nicht Gegenstand eines Vergleichs sein könne – ein gegenseitiges Nachgeben zur Beilegung eines Streites oder einer Ungewissheit sei mit dieser Vereinbarung nicht verbunden. Es beruft sich auf OLG Düsseldorf und angeblich zustimmende Kommentierungen bei Zöller/Herget und Mayer/Kroiß/Rohn. Schaut man sich die als Zustimmung gewerteten Kommentierungen an, so zeigt sich eine schlichte, unbewertete Nennung der Entscheidung.
Die Entscheidungen des OLG Düsseldorf und mehr noch des OLG Hamm dürften unrichtig sein: Hatte das OLG Düsseldorf noch einen "goldenen Mittelweg" versucht, indem es den gekündigten, nicht aber rechtshängigen Mietvertrag mit dem Jahreswert einbezog, so übersehen beide Gerichte, dass sich mit dem RVG die Bedingungen über das Entstehen einer Einigungsgebühr gem. Nr. 1000 VV gewandelt haben – und damit auch zwangsläufig die Einbeziehung dieser Regelung in den Vergleichsmehrwert. In Nr. 1000 heißt es unter Abs. 2: Die Gebühr entsteht auch für die Mitwirkung bei Vertragsverhandlungen, es sei denn, dass diese für den Abschluss des Vertrags i.S.d. Abs. 1 nicht ursächlich war. Genau dies liegt aber zweifellos vor, wenn im Räumungsrechtsstreit zu dessen Beendigung ein neuer Mietvertrag geschlossen wird.
Der Vergleichsmehrwert berechnet sich dann nach § 9 ZPO mit dem 3,5-fachen Miet-Jahresbetrag, wobei eine eventuell gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer, aber auch pauschale Nebenkosten einzubeziehen sind.
Autor: Rechtsanwalt Klaus Winkler, Freiburg
AGS 4/2019, S. 157 - 158