ZPO § 114 Abs. 1 S. 1; FamFG §§ 49, 214 ff.
Leitsatz
Verfahrenskostenhilfe für einen Hauptantrag nach dem GewSchG ist auch dann nicht wegen Unbilligkeit zu versagen, wenn über den Verfahrensgegenstand bereits antragsgemäß durch einstweilige Anordnung entschieden wurde.
OLG Stuttgart, Beschl. v. 9.8.2018 – 18 WF 24/18
1 Sachverhalt
Die Antragstellerin hat jeweils unter gleichem Datum beim FamG inhaltsgleiche Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und den vorliegenden Hauptsacheantrag nach dem GewSchG gestellt. Das AG hat am 8.12.2017 ohne mündliche Verhandlung im Wege der einstweiligen Anordnung Gewaltschutzanordnungen beschlossen, jedoch Einschränkungen im Hinblick auf den Umgang mit dem gemeinsamen Kind der Beteiligten gemacht. Die Dauer der Anordnungen wurde befristet bis 8.6.2018.
Den Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für den Hauptsacheantrag hat das FamG mit der Begründung abgelehnt, die beabsichtigte Rechtsverfolgung erscheine mutwillig, da beide Verfahren auf dasselbe Rechtsschutzziel gerichtet seien.
Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde.
2 Aus den Gründen
Die zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.
Die Frage, ob Verfahrenskostenhilfe für einen Hauptsacheantrag nach dem GewSchG wegen Mutwilligkeit zu versagen ist, soweit über den Verfahrensgegenstand bereits antragsgemäß durch einstweilige Anordnung entschieden wurde, wird in der Rspr. unterschiedlich entschieden.
Einerseits wird die Verfahrenskostenhilfe wegen Mutwilligkeit versagt, falls dem Gewaltschutzantrag im einstweiligen Anordnungsverfahren antragsgemäß stattgegeben wurde (OLG Hamm FamRZ 2014, 585; OLG Karlsruhe NZFam 2017, 863; OLG Zweibrücken FamRZ 2010, 666 = NJW 2010, 540).
Andererseits wird die Meinung vertreten, dass Verfahrenskostenhilfe für einen Hauptsacheantrag nach dem GewSchG nicht schon deshalb verweigert werden kann, weil der Antragsteller gleichzeitig ein Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung eingeleitet hat (OLG Stuttgart FamRZ 2010, 1266; OLG München FamRZ 2012, 1234).
Der letzteren Ansicht ist zu folgen. Grds. können in Bezug auf einen Verfahrensgegenstand in allen Bereichen von Familiensachen i.S.d. §111 FamFG Verfahren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes nach den §§ 49, 214 ff. FamFG und zur jeweiligen Hauptsache parallel geltend gemacht werden, weil im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes lediglich eine vorläufige Regelung erreicht werden kann, die nach § 54 FamFG abänderbar ist und in der Regel nicht zur Vorwegnahme der Hauptsache fuhren darf. Entsprechend kann, wenn für beide Verfahren Verfahrenskostenhilfe beantragt wird, grds. keine Mutwilligkeit i.S.d. § 76 Abs. 1 FamFG, § 114 Abs. 1 S. 1 ZPO angenommen werden (Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, 36. Aufl., § 214 FamFG Rn 6). In diesem Zusammenhang hält der Senat an seiner im Beschl. v. 25.1.2010 geäußerten Rechtsauffassung fest, dass sich das Rechtsschutzbedürfnis für ein Hauptsacheverfahren im Hinblick auf die Vorschrift des § 56 Abs. 2 FamFG, nach der einstweiligen Anordnungen dann außer Kraft treten, wenn der Antrag in der Hauptsache rechtskräftig abgewiesen ist, auch daraus ergibt, dass es nicht ausgeschlossen erscheint, dass Unklarheit zwischen den Beteiligten bestehen kann, ob dies auch gilt, wenn ein Antrag auf Verfahrenskostenhilfe für die Hauptsache abgewiesen wird.
Vorliegend bestand darüber hinaus auch in der Sache die Notwendigkeit, im Erkenntnisverfahren zur Hauptsache eine bindende Entscheidung herbeizuführen, da die Beteiligten Eltern der gemeinsamen Tochter E, geboren 2013, sind und das AG dem Gewaltschutzantrag insoweit nicht entsprochen hat, als dem Antragsgegner gestattet wurde, mit der Antragstellerin schriftlichen Kontakt zur Regelung des Umgangs mit dem gemeinsamen Kind aufzunehmen und die Geltung der Verbote der Ziff. 1.1 bis 1.4 aufgehoben hat, soweit der Antragsgegner berechtigt ist, Umgang mit der gemeinsamen Tochter zu haben. Schon allein weil das AG dem Antrag der Antragstellerin nicht voll entsprochen hat, bestand die Notwendigkeit, im Hauptsacheverfahren zu klären, ob die im summarischen Verfahren durch das AG gemachten Einschränkungen aufrechtzuerhalten waren. Zudem war von der Sachlage her nicht erkennbar, dass der Antragsgegner die Entscheidung im einstweiligen Anordnungsverfahren ohne Weiteres hinnehmen wird. Solange aber nicht feststellbar ist, dass sich der Streit umfassend im Rahmen des Verfahrens auf einstweiligen Anordnungsverfahrens erledigt hat, fehlt es nicht an einem entsprechenden Rechtsschutzbedürfnis für einen Hauptsacheantrag.
Der Beschluss des AG war daher abzuändern.
AGS 4/2019, S. 193 - 194