Dem OLG erschien eine Pauschvergütung i.H.v. 36.600,00 EUR angemessen, aber auch ausreichend. Bei deren Bemessung hat es sich von folgenden Überlegungen leiten lassen:

1. In den 1980-er Jahren erbrachte Tätigkeiten

Bei der Bemessung der Pauschgebühr hat das OLG Tätigkeiten des Rechtsanwalts, die dieser in den 1980-er Jahren erbracht hat, nicht berücksichtigt. Dabei könne dahinstehen, ob – wie der Bezirksrevisor und der GBA meinten – längst Verjährung eingetreten sei, oder ob dies – weil die Einstellungsverfügung vom 23.11.1982 das Ermittlungsverfahren gerade nicht endgültig beendet habe – nicht der Fall sei. Entscheidendes Kriterium für die Festsetzung einer Pauschgebühr sei – wie ausgeführt – die "Unzumutbarkeit" der gesetzlichen Gebühren für den beigeordneten Rechtsanwalt. Maßgeblich seien mithin Billigkeitserwägungen, die es ausschließen, Tätigkeiten, die fast 40 Jahre zurückliegen, noch zu vergüten. Der Senat sei der Auffassung, dass der Rechtsgedanke der Verwirkung, welche von der Verjährung unabhängig sei (vgl. BGH NJW-RR 1992, 2249), bei diesen Erwägungen zu berücksichtigen sei. Das erforderliche Zeitmoment bedürfe angesichts mehrerer verstrichener Jahrzehnte keiner besonderen Begründung. Von der Rspr. (z.B. BGH NJW 2010, 1074) für eine "Verwirkung" verlangte weitere objektive Umstände, die beim Anspruchsgegner das Vertrauen wachsen lassen konnten, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden, lägen ebenfalls nahe: Der Rechtsanwalt habe nach eigenen Angaben in den 1980er Jahren – neben Kostenerstattungen – lediglich ca. 900,00 DM Honorar erhalten. Er habe es sodann über 30 Jahre lang bei dieser geringen Summe bewenden lassen und sich auch nicht anlässlich der "Neumandatierung" Im Jahr 2008 um Zahlungen der Mandantschaft oder Dritter bemüht, sondern erst im Jahr 2016/2017 – also weitere 8 bis 9 Jahre später – insgesamt 3.950,00 EUR vereinnahmt.

2. Tätigkeiten ab 2008

Bei der Bemessung der Pauschvergütung hat das OLG jedoch die Tätigkeiten des Antragstellers seit seiner erneuten Vertretungsanzeige vom 5.12.2008 einschließlich der dafür erforderlichen "Vorarbeiten" seit 2006 berücksichtigt. Die Beiordnung durch den Ermittlungsrichter beim BGH v. 8./9.2.2016 wirkte gebührenrechtlich zurück (§ 48 Abs. 6 RVG, vgl. Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, § 48 Rn 201). Davon seien auch solche Tätigkeiten umfasst, die vor der förmlichen Wiederaufnahme der Ermittlungen mit Verfügung des GBAs vom 5.12.2014 vom Rechtsanwalt mit dem Ziel der Wiederaufnahme unternommen wurden, da jedenfalls seit seiner neuen Bestellung klar gewesen sei, dass seine nunmehrigen Bemühungen, Anregungen, Anträge, Einlassungen etc. bei der Entscheidung über die Wiedereröffnung des Verfahrens zu berücksichtigen sein würden.

3. Sachwidrige Ausübung von Verletztenrechten?

Das OLG hat i.Ü. nicht nur solche Tätigkeiten berücksichtigt, die den Geschädigten unmittelbar zu Gute kamen, also als "Beistand" i.e.S., z.B. bei der Erlangung von Entschädigung nach dem OEG. Den Geschädigten sei es vielmehr auch und gerade darauf angekommen, die sogenannte "Einzeltäterthese", die zur Einstellung der Ermittlungen am 23.11.1982 führte, zu hinterfragen. Unabhängig davon, ob sich diese These oder die vermutete Beteiligung Dritter an dem Bombenanschlag nach Jahrzehnten noch erhärten ließen oder nicht, könne es den Verletzten i.S.d. Opferschutzes nicht versagt werden, sich in die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft "einzumischen", um eigene Klarheit über den Hergang des ihnen zugefügten Unrechts zu erlangen. Dass dies dem Willen des Gesetzgebers entspreche, folgt bereits aus dem in § 406e Abs. 1 S. 1 StPO niedergelegten Akteneinsichtsrecht des Verletzten und etlichen weiteren Verletztenrechten, wie dem Recht, als Nebenkläger an der Hauptverhandlung teilzunehmen und dort eigene Rechte wahrzunehmen und gehört zu werden (vgl. § 397 Abs. 1 StPO einschließlich des Beweisantragsrechts aus § 244 Abs. 3 bis 6 StPO sowie des Erklärungsrechts, insbesondere des Rechts zum Schlussvortrag (vgl. §§ 257, 258 StPO). Es stehe außer Frage, dass Verletzten im Strafverfahren eine eigene, aktive Rolle zustehe.

Ob und in welchem Umfang der Verletztenbeistand diese Verletztenrechte im Ermittlungsverfahren ausübe, müsse – vergleichbar dem Verteidigungsverhalten auf Seiten des Beschuldigten – dem pflichtgemäßen Ermessen des Rechtsanwalts überlassen bleiben. Zwar könne auch im Rahmen der Entscheidung über die Zubilligung einer Pauschgebühr nicht außer Betracht bleiben, ob die jeweils entfaltete anwaltliche Tätigkeit bei objektiver Betrachtung zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung des Mandats tatsächlich geboten bzw. bei Zubilligung eines entsprechenden Ermessensspielraums zumindest noch als objektiv sinnvoll anzusehende Handlung zur Wahrung der Interessen des Vertretenen anzusehen war (OLG Hamm AGS 2013, 332 = RVGreport 2013, 269 m.w.N.; OLG München RVGreport 2018, 450 = JurBüro 2018, 409). Die umfängliche Tätigkeit des Rechtsanwalts, die auch und gerade Ermittlungstätigkeit war, sei vorliegend angesichts der übe...

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