Der Rechtsanwalt verdient die erhöhte Gebühr, wenn sich der Beschuldigte / sein Mandant nicht auf freiem Fuß befindet. Weitere Voraussetzungen hat die Gebühr nicht. Der Begriff "nicht auf freiem Fuß" ist weit auszulegen. Gemeint ist jede (behördliche) Anordnung, die den Betroffenen in der Wahl seines Aufenthaltsortes beschränkt.[6] Dieser Sinn und Zweck der Regelung erfasst aber auch die Fälle, in denen sich der Beschuldigte selbst Beschränkungen "anordnet", deren Übertreten für ihn persönlich Nachteile hat, wie z.B. den Abbruch einer Therapie (vgl. IV., 2.).

Der Mandant muss sich nach allgemeiner Meinung nicht in der Sache / in dem Verfahren in Haft befinden, in der/dem ihn der Rechtsanwalt verteidigt.[7] Auch wenn er sich in anderer Sache in (Untersuchungs-)Haft befindet, entstehen nämlich die beschriebenen Erschwernisse für den Rechtsanwalt, die die Anwendung der Zuschlagsgebühr rechtfertigen.

Die Voraussetzungen für den Haftzuschlag müssen nicht bei Entstehen der jeweiligen Gebühr, für die der Zuschlag bestimmt ist, vorliegen.[8] Da der Zuschlag die durch die Inhaftierung entstehenden Erschwernisse abgelten soll, ist entscheidend, dass der Mandant in dem Zeitraum, der durch die geltend gemachte Gebühr abgegolten werden soll, inhaftiert war.[9] Ob er schon bei Auftragserteilung inhaftiert war, ist unerheblich.[10] Wird der Mandant nachträglich inhaftiert, hat das auf das Entstehen des Haftzuschlags für Gebühren, die für bereits abgeschlossene Verfahrensabschnitte anfallen, keinen Einfluss (mehr).[11]

[6] So wohl auch BGH, Beschl. v. 10.3.2021 – 2 BGs 751/20, AGS 2021, 555 allerdings in Zusammenhang mit der Gewährung von Akteneinsicht im Fall eines im Ausland inhaftierten Beschuldigten; AG Heilbronn AGS 2006, 516.
[7] OLG Hamm AGS 2010, 17 = RVGreport 2010, 27 unter Aufgabe seiner früheren Rspr. in JurBüro 2005, 535; s. auch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.12.2010 – III-4 Ws 623/10, AGS 2011, 227 = JurBüro 2011, 197 = RVGreport 2011, 143; LG Bochum StRR 2009, 283 (Ls.); Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., VV Vorb. 4 Rn 46; AnwK-RVG/N. Schneider, 9. Aufl., 2021, VV Vorb. 53; a.A. AG Bochum AGS 2009, 325 = StRR 2009, 280.
[8] KG RVGprofessionell 2007, 41.
[9] KG RVGprofessionell 2007, 41; OLG Karlsruhe AGS 2017, 504 = RVGreport 2017, 386 = JurBüro 2017, 523; LG Köln, Beschl. v. 28.2.2014 – 117 AR 8/13.
[10] KG RVGprofessionell 2007, 41 für die Grundgebühr, wenn das erste Informationsgespräch nicht zeitnah zur Auftragserteilung erfolgt ist; offen gelassen von LG Köln, Beschl. 28.2.2014 – 117 AR 8/13.
[11] Insoweit zutreffend LG Offenburg AGS 2006, 436 = RVGreport 2006, 350 = NStZ-RR 2006, 358.

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