I. Fragen
1. Ausgangsfall
Rechtsanwalt A hat den B als Beklagten in einem Zivilprozess vor dem LG Berlin vertreten, in dem der Kläger die Zahlung von 20.000,00 EUR verlangt hat. Rechtsanwalt A hat in diesem Rechtsstreit einen Schriftsatz bei Gericht eingereicht, der einen Klageabweisungsantrag und dessen Begründung enthielt. Der Vorsitzende der zuständigen Zivilkammer hat Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt und das persönliche Erscheinen der Parteien hierzu angeordnet. Zu diesem Termin sind die Prozessbevollmächtigten beider Parteien, die nach mündlicher Erörterung widerstreitender Anträge gestellt haben und der Kläger sowie der Beklagte selbst erschienen. Nach Anhörung der Parteien hat das LG Berlin einen Verkündungstermin anberaumt, in dem es ein der Klage auf Kosten des Beklagten stattgebendes Urteil verkündet hat. Dieses Urteil wurde rechtskräftig.
Nach Beendigung des Rechtsstreits hat Rechtsanwalt A die Festsetzung seiner Vergütung gegen den Beklagten gem. § 11 RVG beantragt.
Welche Vergütung wird Rechtsanwalt A in seinem Festsetzungsantrag geltend gemacht haben?
2. Erste Abwandlung
Der zu dem Vergütungsfestsetzungsantrag gehörte B wendet ein, er kenne Rechtsanwalt A gar nicht und habe ihm auch keine Vollmacht erteilt. Folglich stehe dem Anwalt auch kein Vergütungsanspruch zu. Der hierzu gehörte Rechtsanwalt A bestreitet dies, legt aber keine Prozessvollmacht vor.
Welche Entscheidung wird der mit dem Vergütungsfestsetzungsantrag befasste Rechtspfleger treffen?
3. Zweite Abwandlung
Der zu dem Vergütungsfestsetzungsantrag gehörte B macht geltend, dem Rechtsanwalt A sei nur eine 0,8-Verfahrensgebühr angefallen. Außerdem trägt B vor, er habe auf die Vergütung des Rechtsanwalts A einen Vorschuss i.H.v. 1.295,43 EUR gezahlt.
Rechtsanwalt A vertritt die Auffassung, sein Vergütungsfestsetzungsantrag sei zutreffend und bestreitet die Zahlung.
Welche Entscheidung trifft der Rechtspfleger in dieser Abwandlung des Ausgangsfalls?
II. Lösungen
1. Lösung zum Ausgangsfall
In seinem Vergütungsfestsetzungsantrag nach § 11 RVG wird Rechtsanwalt A seinen gesetzlichen Vergütungsanspruch gegen B geltend machen, der sich wie folgt zusammensetzt:
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
1.068,60 EUR |
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(Wert: 20.000,00 EUR) |
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2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
980,40 EUR |
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(Wert: 20.000,00 EUR) |
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3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
393,11 EUR |
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Gesamt |
2.462,11 EUR |
2. Lösung zur ersten Abwandlung
Der Rechtspfleger wird die Einwendung des Beklagten zunächst auszulegen haben. Der Einwand des Beklagten, er habe dem Rechtsanwalt keine Vollmacht erteilt, ist als solcher unbeachtlich und führt deshalb auch nicht zur Ablehnung der Vergütungsfestsetzung nach § 11 Abs. 5 S. 1 RVG. Zwar bedürfen außergebührenrechtliche Einwendungen keiner Substantiierung oder gar Schlüssigkeit. Sie müssen lediglich – ihre Richtigkeit unterstellt – erkennen lassen, dass der Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts aufgrund dieses Einwandes aus materiell-rechtlichen Gründen unbegründet sein könnte.
Der Einwand der fehlenden Prozessvollmacht hat seine Grundlage jedoch nicht im materiellen Recht, sondern im Verfahrensrecht (s. §§ 80 ff. ZPO) und hat damit auch keinen Einfluss auf den Vergütungsanspruch (unrichtig OLG Saarbrücken, das in dem Einwand eine "doppelt relevante Tatsache" sieht, die zur Ablehnung der Vergütungsfestsetzung führt; im vom OLG Saarbrücken entschiedenen Fall hatte der Antragsgegner allerdings nicht die Erteilung einer Prozessvollmacht geleugnet, sondern ausdrücklich geltend gemacht, er habe den Rechtsanwalt nicht beauftragt).
Das Vorbringen des Beklagten ist aber so auszulegen, dass er auch die Erteilung eines Auftrages, also den Abschluss eines Anwaltsdienstvertrages nach den §§ 675, 611 BGB leugnet. Dies kann man daraus folgen, dass der Beklagte geltend gemacht hat, er kenne Rechtsanwalt A überhaupt nicht, sodass ihm auch kein Vergütungsanspruch zustehe.
Der Einwand, dem Rechtsanwalt keinen Auftrag erteilt zu haben, ist grds. ein zur Ablehnung der Festsetzung nach § 11 Abs. 5 S. 1 RVG führender Einwand. Er ist jedoch hier ausnahmsweise unberücksichtigt zu lassen, weil er offensichtlich aus der Luft gegriffen ist. Er ist nämlich durch den Akteninhalt widerlegt. B war in dem Verhandlungstermin anwesend, in dem Rechtsanwalt A als sein Prozessbevollmächtigter aufgetreten ist und für ihn Anträge gestellt hat, ohne dass B der Anwaltstätigkeit widersprochen hätte. Darin ist jedenfalls eine stillschweigend erteilte Auftragserteilung zu sehen.
Folglich wird der Rechtspfleger den Einwand des B als offensichtlich aus der Luft gegriffen unberücksichtigt lassen und dem Vergütungsfestsetzungsantrag stattgeben.
3. Lösung zur zweiten Abwandlung
Hier hat der Beklagte B sowohl einen gebührenrechtlichen als auch einen außergebührenrechtlichen Einwand erhoben.
a) Nur 0,8-Verfahrensgebühr entstanden
Über den gebührenrechtlichen Einwand, es sei nur eine 0,8-Verfahrensgebühr entstanden, hat der Rechtspfleger in der Sache zu entscheiden. Dieser Einwan...