Rechtspfleger Werner Klüsener, Einigungsgebühr in Kindesschutzverfahren nach § 1666 BGB, JurBüro 2023, 617
Nach Nr. 1000 VV fällt die Einigungsgebühr für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrages, durch den der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, an. Nach Abs. 5 S. 3 der Anm. zu Nr. 1000 VV entsteht die Gebühr in Kindschaftssachen auch für die Mitwirkung an einer Vereinbarung, über deren Gegenstand nicht vertraglich verfügt werden kann. Eine weitere Regelung findet sich in Abs. 2 der Anm. zu Nr. 1003 VV, nach der in Kindschaftssachen die Einigungsgebühr auch für die Mitwirkung am Abschluss eines gerichtlich gebilligten Vergleichs und an einer Vereinbarung entsteht, über deren Gegenstand nicht vertraglich verfügt werden kann, wenn hierdurch eine gerichtliche Entscheidung entbehrlich wird oder wenn die Entscheidung der getroffenen Vereinbarung folgt.
Klüsener weist in seinem Beitrag darauf hin, dass es in der obergerichtlichen Rspr. umstritten sei, ob die Einigungsgebühr auch in Kindesschutzverfahren nach §§ 1666, 1666a BGB anfallen kann. Die h.M. verneine dies, während eine Mindermeinung davon ausgehe, dass auch in dieses Kindesschutzverfahren eine Einigungsgebühr anfallen könne.
Der Autor gibt zunächst einen Überblick über die eingangs erwähnten Gesetzesvorschriften und weist auf die Problematik hin, dass Kindesschutzverfahren von Amts wegen durchgeführt würden und damit nicht der Disposition der Verfahrensbeteiligten unterlägen. Deshalb sei das FamG auch nicht unmittelbar an eine elterliche Einigung gebunden. Gleichwohl spricht sich Klüsener dafür aus, dass auch Vergleiche im Kindesschutzverfahren bei entsprechender Mitwirkung der Verfahrensbevollmächtigten eine Einigungsgebühr auslösen können. Zwar erfordere die Grundregelung in Nr. 1000 S. 1 VV die anwaltliche Mitwirkung beim Abschluss eines Einigungsvertrages. Demgegenüber könne in Kindschaftssachen nach Abs. 2 der Anm. zu Nr. 1003 VV die Einigungsgebühr auch für die Mitwirkung an einer Vereinbarung, über deren Gegenstand nicht vertraglich verfügt werden kann, ausgelöst werden. Dies gelte dann aber auch für die elterliche Sorge, bei der den Eltern die Verfügungsbefugnis fehle. Der Gesetzgeber habe jedoch – so fährt Klüsener fort – nicht zwischen den verschiedenen Sorgerechtsverfahren unterschieden. Hätte er bestimmte Fälle des Kindschaftsrechts ausnehmen wollen, so hätte er eine gesetzliche Regelung getroffen, dass in bestimmten Fällen keine Einigungsgebühr entstehen könne. Ergänzend stützt der Autor seine Auffassung auch auf die Gesetzesbegründung, die er in seinem Beitrag auszugsweise wiedergibt.
Der von dem Autor bejahte Anfall der Einigungsgebühr in Kindesschutzverfahren entspricht seiner Meinung nach auch dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelungen zur Einigungsgebühr. Diese solle streitvermeidende oder streitbeendende Tätigkeiten des Rechtsanwalts fördern und damit gerichtsentlastend wirken. Für seine Mehrbelastung und erhöhte Verantwortung erhalte der Rechtsanwalt dann die Einigungsgebühr. Dieser Sinn und Zweck sei auch in Kindesschutzverfahren anwendbar, in denen Vereinbarungen weitergehenden Streit vermeiden und dann gerichtsentlastend seien. Würden in der getroffenen Vereinbarung Absprachen zur Gefahrenabwehr getroffen, seien entsprechende Maßnahmen des FamG zur Abwendung einer Kindeswohlgefährdung entbehrlich. Dies führe dann zur Entlastung der Gerichte, auch wenn das FamG trotz der getroffenen Vereinbarung im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes für seine Entscheidung zu prüfen habe, ob diese dem Kindeswohl entspreche. Dies ist nach Auffassung Klüseners jedoch in Sorgerechtssachen nichts Besonderes, weil das FamG auch bei Entscheidungen nach § 1671 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB und im Rahmen der Billigung eines gerichtlichen Vergleichs nach § 156 Abs. 2 FamG eine solche Prüfung vornehmen müsse. Die Entlastung des Gerichts sieht der Autor in diesen Fällen darin, dass sich trotz der fortbestehenden Begründungspflicht seitens des Gerichts der Aufwand für die Begründung verringere, wenn sich die Beteiligten einigungsbereit zeigen würden.
Allerdings fällt nach den weiteren Ausführungen des Autors die Einigungsgebühr in Kindesschutzverfahren nicht bei jeder Einigung automatisch an. Vielmehr müsse im Einzelfall geprüft werden, ob die getroffene Vereinbarung unmittelbaren Einfluss auf das gerichtliche Verfahren dergestalt gehabt hat, dass sie eine Entscheidung entbehrlich gemacht hat oder das Gericht im Rahmen seiner Entscheidung der Vereinbarung folgt.
Dem Anfall einer Einigungsgebühr in Kindesschutzverfahren steht nach den weiteren Ausführungen Klüseners nicht entgegen, dass Sorgerechtsentscheidungen nicht der materiellen Rechtskraft fähig sind und bei Änderung der Sachlage erneut und von der bisherigen Entscheidung des FamG abweichend zu prüfen hat, ob Maßnahmen nach §§ 1666, 1666a BGB zu treffen oder abzuändern sind.
Dipl.-Rechtspfleger Maik Schlaak, Die Gerichtskostenvorwegleistungspflicht in Kindschaftssachen, Rpfle...