RVG VV Nrn. 3206, 3403
Leitsatz
- In einer Familiensache löst im Revisionsverfahren die Beratung des Revisionsbeklagten durch seinen Prozessbevollmächtigten der ersten und zweiten Instanz dahin, dass eine Vertretung durch einen am BGH zugelassenen Rechtsanwalt nicht erforderlich sei, weil ein Versäumnisurteil ausgeschlossen werden könne, keine gesonderte Gebühr aus.
- Eine 1,1-Verfahrensgebühr im Revisionsverfahren nach Nr. 3206 VV fällt nicht an, weil dem Prozessbevollmächtigten die Postulationsfähigkeit für ein Auftreten vor dem BGH fehlt.
- Eine 0,8-Verfahrensgebühr für sonstige Einzeltätigkeiten nach Nr. 3403 VV fällt nur an, wenn ein entsprechender Auftrag erteilt wurde, wovon bei der vorliegend erteilten Beratung nicht ausgegangen werden kann.
- Eine 0,5- bis 1,0-Beratungsgebühr nach Nr. 2100 VV n.F. (Nr. 2200 VV a.F.) erfordert eine Prüfung der Erfolgsaussicht der Revision. Sie entsteht deshalb nicht bei einer lediglich verfahrensrechtlichen Beratung.
- Eine Beratungsgebühr nach § 34 RVG n.F. (Nr. 2100 VV a.F.) wird durch die genannte Auskunftserteilung nicht ausgelöst, sondern ist gebührenrechtlich gem. § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 9 RVG als dem vorangegangenen Rechtszug zugehörig anzusehen.
OLG Stuttgart, Beschl. v. 10.7.2008 – 8 WF 101/08
1 Sachverhalt
In der Familiensache wegen Zugewinnausgleichs wurde durch Urteil des BGH die Revision des Beklagten auf dessen Kosten zurückgewiesen.
Mit Kostenfestsetzungsantrag verlangt die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten der 1. und 2. Instanz die Erstattung einer für ihn geltend gemachten 1,1-Verfahrensgebühr im Revisionsverfahren nach Nr. 3206 VV nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer mit der Begründung, dass ihm alle Schriftsätze und Entscheidungen zugestellt worden seien und die Klägerin dahingehend beraten worden sei, dass eine Vertretung durch einen am BGH zugelassenen Rechtsanwalt nicht erforderlich sei, weil ein Versäumnisurteil ausgeschlossen werden könne.
Der Rechtspfleger hat den Kostenfestsetzungsantrag zurückgewiesen unter Hinweis auf die fehlende Postulationsfähigkeit des Klägervertreters vor dem BGH. Dagegen hat die Beklagte sofortige Beschwerde eingelegt und weiter vorgetragen, dass sie mehrfach bei ihrem Anwalt um Beratung nachgesucht habe, ob und gegebenenfalls welche Maßnahmen ihrerseits einzuleiten seien. Hierdurch sei zumindest eine 0,3-Beratungsgebühr angefallen und erstattungsfähig.
Die sofortige Beschwerde hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen
a) Die mit dem Kostenfestsetzungsantrag beanspruchte 1,1-Verfahrensgebühr im Revisionsverfahren nach Nr. 3206 VV ist nicht angefallen, weil dem Klägervertreter die Postulationsfähigkeit für ein Auftreten vor dem BGH fehlt.
Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 1.2.2007 – V ZB 110/06, NJW 2007, 1461 [= AGS 2007, 298], für die Nichtzulassungsbeschwerde klargestellt, dass die Verfahrensgebühr (Nr. 3506 VV) für die anwaltliche Tätigkeit in dem Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision (§ 544 ZPO) nur entsteht, wenn der mit der Wahrnehmung der Rechte in dem Verfahren beauftragte Rechtsanwalt vor dem BGH postulationsfähig ist. Die Entstehung der Gebühr setzt voraus, dass dem Rechtsanwalt ein umfassender Auftrag zur Wahrnehmung der Rechte des Mandanten in dem gerichtlichen Verfahren dahin erteilt worden ist, den Rechtsbehelf einzulegen oder sich gegen diesen zu verteidigen. Der nicht postulationsfähige Rechtsanwalt ist aber an der Erfüllung eines solchen Auftrags aus einem in seiner Person liegenden Grund gehindert, weswegen der Auftraggeber eine den Auftrag voraussetzende Verfahrensgebühr als Gegenleistung nicht schuldet.
Dieselben Erwägungen treffen unzweifelhaft auch auf das Revisionsverfahren gem. §§ 542 Abs. 1, 543 ZPO zu.
Die geltend gemachte Verfahrensgebühr nach Nr. 3206 VV ist damit bereits nicht angefallen.
b) Davon unberührt bleibt die Möglichkeit des nicht postulationsfähigen Rechtsanwalts, den Auftrag teilweise auszuführen und einzelne Tätigkeiten für seinen Auftraggeber nach Nr. 3403 VV abzurechnen. Die danach angefallene Verfahrensgebühr für eine sonstige Einzeltätigkeit wäre auch erstattungsfähig gem. § 91 ZPO (BGH NJW 2007, 1461 [= AGS 2007, 298]; BGH NJW 2006, 2266 [= AGS 2006, 491]). Voraussetzung wäre aber wiederum ein entsprechender Auftrag (Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 18. Aufl. 2008, Nr. 3403 VV Rn 9 ff. m.w.N.; BGH NJW 2006, 2266).
Ein solcher Auftrag wird von der Klägerin selbst nicht behauptet, sondern dargelegt, dass sie ihren Prozessbevollmächtigten zur Beratung aufgesucht habe.
Eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3403 VV ist danach ebenfalls nicht angefallen.
c) Im Beschwerdeverfahren beruft sich die Klägerin demgemäß darauf, dass zumindest eine 0,3-Beratungsgebühr angefallen und erstattungsfähig sei.
Gem. § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 9 RVG gehören zum Rechtszug insbesondere die Zustellung oder Empfangnahme von Entscheidungen oder Rechtsmittelschriften und ihre Mitteilung an den Auftraggeber. Diese Tätigkeiten haben unzweifelhaft keinen neuen Gebührentatbestand erfüllt. Sie sind mit der Verfahrensgebühr der vora...