Der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss kürzt zu Unrecht die geltend gemachte Verfahrensgebühr durch hälftige Anrechnung der Geschäftsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV. Das wird dem Sinn und Zweck der Anrechnungsvorschrift nicht gerecht. Dieselbe soll nämlich verhindern, dass die gleiche – oder annähernd gleiche – anwaltliche Tätigkeit zweimal honoriert wird, und zwar einmal als vorgerichtlich betriebene und das andere Mal als gerichtliche Angelegenheit (Gerold/Schmidt/Madert, RVG, 18. Aufl., Rn 40 zu Nrn. 2300, 2301 VV). Vorliegend kommt es aber gar nicht zur zweimaligen Honorierung ein- und derselben Tätigkeit, so dass die Regelung in Vorbem. 3 Abs. 4 VV nicht zum Zuge gelangt.

Zuzugeben ist zwar, dass es weder darauf ankommt, ob die Geschäftsgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren berücksichtigt werden kann (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 14.8.2008 – I ZB 103/07 [= AGS 2008, 574]), noch darauf, ob – wie die Rechtspflegerin zu Recht meint – die Geschäftsgebühr gezahlt oder tituliert ist. Sie muss aber als solche entstanden und dem Rechtsanwalt geschuldet sein. Nur dann kann die die Anrechnungsvorschrift in Vorbem. 3 Abs. 4 VV tragende Erwägung, dem Rechtsanwalt solle nicht die (auch nur annähernd) gleiche Tätigkeit zweimal vergütet werden, überhaupt erst zum Tragen kommen.

Die Frage, ob eine Geschäftsgebühr i.S.d. vorgenannten Anrechnungsregelung "entstanden" ist, richtet sich nicht allein danach aus, ob der abstrakte Gebührentatbestand (hier Nr. 2300 VV) verwirklicht ist. Die Gebühr muss darüber hinaus auch vom Auftraggeber konkret geschuldet sein. Nur dann kann überhaupt erst eine Situation eintreten, wonach der Anwalt – ohne eine Anrechnung auf die Verfahrensgebühr – für seine Tätigkeit doppelt honoriert würde. In dem hier vorliegenden Fall liegt die Sache anders. Denn der Prozessbevollmächtigte der Klägerin konnte von vornherein keine Geschäftsgebühr verlangen, da er – unstreitig – mit seiner Mandantin, der Klägerin, für die Vielzahl der ihm übertragenen Fälle eine Pauschalvergütung (§ 4 RVG) vereinbart hat, die sich an der vorprozessualen Abmahnpauschale (§ 12 UWG) orientiert. Eine solche Vereinbarung lässt sich als – zulässiger – ausdrücklicher oder zumindest konkludenter Verzicht des Anwalts auf die Geltendmachung von Geschäftsgebühren gegenüber seiner Auftraggeberin auslegen. Damit ist eine Geschäftsgebühr nicht im vorgenannten Sinn "entstanden" (worin sich der Fall von dem Sachverhalt, welcher der von der Beklagten zitierten Entscheidung des BGH, a.a.O., zugrunde liegt, in erster Linie unterscheidet), und ein Anrechnungsfall scheidet mithin aus.

Eine Anrechnung von Pauschalvergütungen des Rechtsanwalts oder von Pauschalen, die nach § 12 UWG zu entrichten sind, auf Verfahrensgebühren sieht die gesetzliche Regelung nicht vor.

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