Vorsicht Falle!
Nach dem neuen § 15a Abs. 2 RVG ist im Kostenfestsetzungsverfahren eine Geschäftsgebühr anzurechnen, soweit sie gegen den Erstattungspflichtigen bereits tituliert ist.
Wird die Geschäftsgebühr als Schadensersatz mit eingeklagt und zugesprochen, also tituliert, dann lässt sich aus dem Urteilstenor unter Bezugnahme auf die Urteilsgründe die Berechnung der zugesprochenen Geschäftsgebühr ermitteln, so dass es dann im anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren auch keine Probleme bereitet, den Anrechnungsbetrag zu ermitteln und bei den angemeldeten Kosten des Erstattungsberechtigten in Abzug zu bringen.
Problematisch ist die Sache jedoch dann, wenn die Geschäftsgebühr mit eingeklagt wird und die Parteien dann einen Vergleich schließen. Soweit sich aus dem Vergleich ergibt, inwieweit damit auch die Geschäftsgebühr gegen den Gegner tituliert werden soll, ist die Sache wieder unproblematisch. Es gilt das gleiche wie bei einer Titulierung durch Urteil.
Häufig ergibt sich jedoch aus dem Vergleich nicht, inwieweit in der Vergleichssumme auch die Geschäftsgebühr – gegebenenfalls anteilig – enthalten sein soll. Im Kostenfestsetzungsverfahren stellt sich dann die Frage, wie der Vergleich auszulegen ist. Der Rechtspfleger muss sich also darüber Gedanken machen, was die beteiligten Anwälte bei Abschluss des Vergleichs gedacht haben. Sein Problem wird dann sein, dass die Anwälte sich nichts dabei gedacht haben und dass im Übrigen für eine Auslegung auch keine Anhaltspunkte vorhanden sind.
Anfangs hat die Rspr. dieses Problem rigoros gelöst und ist in solchen Fällen davon ausgegangen, dass die gesamte eingeklagte Geschäftsgebühr tituliert sei und folglich hälftig angerechnet werden müsse (AG Bremen AGS 2009, 566; OLG Saarbrücken AGS 2010, 60). Diese Auslegung ging damit eindeutig zu Lasten des Kostenerstattungsgläubigers, der bei Kalkulation der Vergleichssumme die Geschäftsgebühr möglicherweise außer Ansatz gelassen hatte, diese sich dann aber später doch hälftig anrechnen lassen musste.
Diese Rechtsprechung ging zum Teil sogar so weit, dass sie nach einem Gesamtvergleich auch gar nicht eingeklagte und gar nicht titulierte Geschäftsgebühren anrechnete. In einem vom LG Koblenz entschiedenen Fall war nur die Hauptforderung eingeklagt worden. Die Parteien hatten sich dann auf eine Vergleichssumme "zum Ausgleich aller wechselseitigen Ansprüche" geeinigt. Damit war selbstverständlich auch der nicht eingeklagte Anspruch auf Ersatz einer Geschäftsgebühr, wenn er bestanden hätte, mit abgegolten. Für das LG war dies bereits Anlass, die Geschäftsgebühr anzurechnen, da der Vergleich sich auch auf sie erstrecke. Dabei hat das LG völlig übersehen, dass nicht schon ein Vergleich über die Geschäftsgebühr zur Anrechnung führt, sondern erst die Titulierung der Geschäftsgebühr. Die Entscheidung ist glücklicherweise vom OLG Koblenz (Beschl. v. 23.4.2010 – 14 W 220/10) dann auch aufgehoben worden.
Die neuere Rspr. (OLG Karlsruhe, in diesem Heft S. 209; OLG Sachsen-Anhalt, in diesem Heft. S. 211; OLG Stuttgart, in diesem Heft S. 212) geht ebenso rigoros den umgekehrten Weg. Wird danach ein Gesamtvergleich über Hauptsache und vorgerichtliche Kosten geschlossen, ohne dass sich aus dem Vergleich ergibt, wie sich die Vergleichssumme zusammensetzt, dann wird eine Anrechnung der Geschäftsgebühr ausgeschlossen. Eine Anrechnung kommt danach nur in Betracht, wenn sich aus dem Vergleich eindeutig ergibt, inwieweit darin auch die Geschäftsgebühr enthalten sein soll.
Unabhängig davon, welche Auffassung sich letztlich durchsetzen wird und was der BGH schließlich dazu sagen wird, sollten die beteiligten Anwälte sich des Problems bewusst sein und diesem von vornherein aus dem Weg gehen. Wird die Geschäftsgebühr als Schaden mit eingeklagt und wird im Laufe des Verfahrens ein Gesamtvergleich geschlossen, so sollte darauf geachtet werden, dass sich aus dem Vergleich ergibt, inwieweit in der Vergleichssumme die vorgerichtliche Geschäftsgebühr enthalten ist.
Wird dies versäumt, wird jedenfalls einer der beteiligten Anwälte ein Problem haben.
Norbert Schneider