Der Beschluss ist abzulehnen, weil die Richter bei der Streitwertbestimmung einer schematischen Rechtsanwendung das Wort reden, die nicht danach differenziert, welche Bedeutung der Stattgabe der Klage auf Einsicht bzw. Herausgabe einer Behandlungsdokumentation in Kopie für den Patienten zukommt, sondern vereinfachend argumentiert: "Der Bruchteil von 1/10 entspricht dem, was der Senat bei Klagen auf Einsicht in Behandlungsunterlagen regelmäßig ansetzt." Wenig anderes also als der aus der Verwaltung bekannte Dreiklang an Totschlagargumenten: "das machen wir schon immer so, weil es sich bewährt hat", "das haben wir noch nie so gemacht" und "da könnte ja jeder kommen". Wer sich in dieser Form ex ante festlegt, 10 % eines Streitwerts aus einem später noch zu führenden Verfahren als Obergrenze festzusetzen, handelt unsouverän, bietet beim Umgang mit freiem Ermessen ein schlechtes Vorbild und wendet § 3 ZPO anders an, als vom Gesetzgeber ursprünglich gewollt.
Da der eigentliche Hauptsachestreitwert in der Frühphase einer Arzthaftungsauseinandersetzung überdies kaum zutreffend kalkuliert werden kann, solange der Patient nicht einmal die Behandlungsdokumentation kennt, gibt es einen "Wert der Hauptsache" bis dahin auch noch nicht; auf dieses Paradox sei aber nur am Rande verwiesen. Der vorliegende Rechtsstreit wurde – um die Rechtsschutzversicherung zu beruhigen – eingangs auf der Basis des Auffangstreitwerts aus § 52 Abs. 2 GKG beim AG anhängig gemacht (AG Köln 145 C 118/08). Später wurde er zur Fachkammer des LG abgegeben und dort entschieden (LG Köln 3 O 359/08, Urt. v. 25.8.2009). Der Streitwert von 13.000,00 EUR kam zustande als 1/10 des Streitwerts aus einem in gleicher Sache vorangegangenen selbstständigen Beweisverfahren (OLG Köln zfs 2009, 507), in welchem die Klägerin, eine selbstständige Hausärztin, einen auf chirurgische und zahnärztliche Behandlungsfehler zurückzuführenden Körperschaden mit drohender Berufsunfähigkeit feststellen lassen wollte, um sich alsbald in eine Anschlussbehandlung begeben zu können. In diesem Beweissicherungsverfahren, in welches der Beklagte als Gesamtschuldner einbezogen war, wurden für Schmerzensgeldansprüche und sämtliche materielle Schadensfolgen 130.000,00 EUR festgesetzt, was beim Blick auf ein Arzteinkommen allerdings eher moderat erschien.
Warum dann jedoch 1/10 dieses Streitwerts, warum nicht 10–25 %, wie ihn das OLG Saarbrücken weitaus überzeugender angenommen hat: "Auskunftsbegehren werden regelmäßig mit einem Teilwert der Hauptsache bewertet, wobei die Höhe des Bruchteils davon abhängig ist, in welchem Maße die Durchsetzung der Hauptsacheforderung von der begehrten Auskunft abhängt." Genau! Der Wert ärztlicher Aufzeichnungen liegt schließlich nicht in Papier und Tinte begründet, sondern in den Möglichkeiten, die sich hieraus haftungsrechtlich für die Patienten eröffnen.
Vorliegend musste der Beklagte bekennen, dass er über den nackten OP-Bericht und zwei Röntgenfotos hinaus keine weitere Behandlungsdokumentation mehr besitzt, also – quod non est in actis, non est in mundo – weder präoperativ aufgeklärt noch postoperativ Nachsorge betrieben hat, weswegen er nun erheblichen Beweisnachteilen entgegensieht. In einer solchen Situation sind Berufshaftpflichtversicherungen leichthin geneigt, sich außergerichtlich geräuschlos zu vergleichen. Wenn aber ein solches Ergebnis am Ende einer Herausgabeklage steht, ist es zu wenig, die Bedeutung des Klageverfahrens genau so hoch zu bemessen wie bei einer ordnungsgemäß geführten (entlastenden) Behandlungsdokumentation. In solchen Fällen lässt das OLG Saarbrücken zu Recht einen Streitwert für die Herausgabeklage bis zur Höhe des anzunehmenden Hauptsachestreitwerts zu.
Tipp für die Praxis
Rspr. wie der des OLG Köln ist künftig dadurch zu begegnen, dass der Patientenanwalt bei Einsichts- und Auskunftsklagen regelmäßig schwerste Folgeschäden (drohende Berufsunfähigkeit: als Wert das 3,5-faches Jahreseinkommen als Rente, komplizierte Anschlussbehandlungen, zu erwartenden Pflegemehrbedarf, Heil- und Hilfsmittelkosten, Haushaltsführungsschäden etc.) im Bereich von prognostizierten 300.000,00 bis 500.000,00 EUR durchblicken lassen sollte, was argumentativ gut begründet auch nicht von vornherein unrealistisch zu erscheinen braucht. Dann klappt es auch wieder, basierend auf solcherlei schematischer Streitwertfestsetzung eine am Arbeitsaufwand orientierte angemessene Anwaltsvergütung zu erzielen. Oder wie die Engländer zutreffend sagen: "If you can't beat them, join them" (dt.: mit den Wölfen heulen).