RVG VV Vorbem. 3 Abs. 3, 3. Var., Nr. 3104
Leitsatz
Eine Terminsgebühr des Anwalts entsteht auch dann, wenn er nach Mandatierung noch vor Einreichung der Klage bei Gericht mit der Gegenseite außergerichtliche Vergleichsverhandlungen führt, die erfolgreich verlaufen und hierdurch ein gerichtliches Verfahren vermieden wird.
LAG Nürnberg, Urt. v. 13.1.2011 – 4 Ta 172/10
1 Sachverhalt
Der von den Parteien geführte Rechtsstreit über die Kündigung des Arbeitsverhältnisses und die Erteilung eines qualifizierten Zwischenzeugnisses ist nach Durchführung einer Güteverhandlung und außergerichtlicher Vergleichsverhandlungen durch feststellenden Beschluss des Gerichts wie folgt vergleichsweise beigelegt worden:
Die Parteien sind sich einig, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher betriebsbedingter Arbeitgeberkündigung vom 26.3.2010 unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist mit Ablauf des 31.5.2010 enden wird.
Die Beklagte verpflichtet sich, die Abmahnung vom 24.4.2010 aus der Personalakte zu entfernen und die darin erhobenen Verhaltensvorwürfe nicht weiter aufrechtzuerhalten.
Das Arbeitsverhältnis wird bis zum Beendigungstermin ordnungsgemäß abgerechnet und abgewickelt. Insbesondere wird die Klägerin ab dem 19.5.2010 von ihrer Arbeitsverpflichtung zur Abgeltung ihrer Urlaubsansprüche freigestellt.
Die Beklagte zahlt an die Klägerin für den Verlust des Arbeitsplatzes gem. §§ 9, 10 KSchG eine Abfindung in Höhe von 5.500,00 EUR brutto. Die sofort fällige und vererbbare Abfindung ist zahlbar zusammen mit dem Schlussgehalt.
Die Beklagte verpflichtet sich weiterhin, der Klägerin ein wohlwollendes, qualifiziertes Zeugnis mit einer guten Leistungsbeurteilung auszustellen und ihr dieses zuzusenden. Der Inhalt des Zeugnisses wird zwischen den Parteien abgestimmt. Die Verhaltensvorwürfe im Zusammenhang mit der Abmahnung dürfen im Zeugnis nicht erwähnt werden.
Mit der Erfüllung dieser Vereinbarung ist der außergerichtliche Streit der Parteien über den Weiterbeschäftigungsanspruch der Klägerin erledigt.
Damit ist der Rechtsstreit erledigt.
Die Kosten des Rechtsstreits und dieses Vergleichs werden gegeneinander aufgehoben.
Den Streitwert hat das ArbG für das Verfahren auf 7.721,36 EUR und für den Vergleich auf 15.831,52 EUR festgesetzt und hierbei für die Regelung in Nr. 6 des Vergleichs einen überschießenden Wert von 2.407,12 EUR (ein Bruttomonatsgehalt) in Ansatz gebracht.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat die Festsetzung seiner Vergütung gem. § 11 RVG in Höhe von restlichen 409,12 EUR beantragt. Dem hat der Rechtspfleger nur teilweise entsprochen. Er hat hierbei eine Terminsgebühr nur aus dem Verfahrenswert und nicht – wie begehrt – aus dem höheren Vergleichswert berücksichtigt.
Dagegen hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin sofortige Beschwerde eingelegt.
Sie wird damit begründet, aufgrund der außergerichtlichen Vergleichsgespräche sei eine Terminsgebühr auch hinsichtlich der miterledigten Streitgegenständen angefallen.
Der Rechtspfleger hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem LAG zur Entscheidung vorgelegt.
2 Aus den Gründen
1. Die von dem Beschwerdeführer eingelegte Beschwerde ist statthaft, §§ 11 Abs. 2 S. 3 RVG, 104 Abs. 3 ZPO und auch im Übrigen zulässig.
2. Die Beschwerde ist sachlich begründet.
Der Beschluss des Rechtspflegers ist abzuändern und die beantragte restliche Vergütung festzusetzen, § 11 Abs. 1 S. 1 RVG.
Entgegen der Rechtsansicht des Erstgerichts ist aufgrund der nachgewiesenen außergerichtlichen Vergleichsverhandlungen zur Vermeidung eines gerichtlichen Verfahrens eine Terminsgebühr auch bezüglich der im Vergleich miterledigten Streitgegenstände angefallen, Vorbem. 3 Abs. 3 VV.
Die Terminsgebühr entsteht gem. Vorbem. 3 Abs. 3 VV auch durch die Mitwirkung an einer auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechung ohne Beteiligung des Gerichts.
Für die Entstehung des Gebührentatbestandes der Nr. 3104 VV wird in diesem Zusammenhang nicht vorausgesetzt, dass der Anspruch, der Gegenstand der Besprechung ist, bereits bei Gericht anhängig gemacht worden ist. Ein Verfahren "vermeiden" lässt sich im Rahmen der Vorbem. 3 Abs. 3 VV nämlich nur, wenn dies gerade noch nicht begonnen hat. Voraussetzung für die Entstehung der Terminsgebühr ist demnach nur, dass dem Prozessbevollmächtigten bereits ein Klageauftrag erteilt worden ist; es muss noch nicht zur Einreichung der Klage bei Gericht gekommen sein.
Sinn und Zweck der Vorbem. 3 Abs. 3 VV ist, zu einer Entlastung der Gerichte beizutragen, indem ein gebührenrechtlicher Anreiz für eine außergerichtliche Erledigungen geschaffen wird. Das Entstehen einer Terminsgebühr von der Einreichung einer Klage abhängig zu machen, würde dieser Zielsetzung entgegenwirken (so BGH v. 8.2.2007 – IX ZR 215/05, NJW-RR 2007, 720 [= AGS 2007, 166]).
Aus diesem Grund ist der Rechtsansicht des Rechtspflegers beim ArbG nicht zu folgen, die Entstehung einer Terminsgebühr setze stets voraus, dass ein Streitgegenstand bereits gerichtlich anhängig gemacht worden ist.
Der Prozessbevollmächtigte...