RVG VV Nr. 1009; ZPO §§ 91 ff., 103 ff.
Leitsatz
Zahlt der Beklagte die Vergleichssumme und die festgesetzten Kosten an den Prozessbevollmächtigten des Klägers, ohne dazu aufgefordert worden zu sein, so hat er die durch die Weiterleitung der Gelder entstehenden Hebegebühren dem Kläger zu erstatten.
LG Karlsruhe, Beschl. v. 5.3.2019 – 3 O 22/14
1 Sachverhalt
Die Parteien hatten einen gerichtlichen Vergleich geschlossen, wonach die Beklagte sich verpflichtet hatte, einen Betrag i.H.v. 25.000,00 EUR an die Klägerin zu zahlen. Der Beklagte zahlte im Folgenden die 25.000,00 EUR, jedoch nicht an die Klägerin, sondern an deren Prozessbevollmächtigten. Auch die festgesetzten Kosten zahlte die Beklagte nicht an die Klägerin, sondern wiederum an deren Prozessbevollmächtigten. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin leitete die bei ihm eingegangenen Beträge an die Klägerin weiter und berechnete hierfür jeweils eine Hebegebühr. Die Klägerin beantragte sodann, diese Kosten gegen die Beklagte festzusetzen. Die Rechtspflegerin lehnte die Festsetzung ab, da es sich nicht um notwendige Kosten des Rechtsstreits handele. Vielmehr erstrecke sich die Prozessvollmacht nach § 81 ZPO auch auf eine Geldempfangsvollmacht für den Rechtsanwalt. So sei es auch in der Praxis üblich, dass ein Rechtsanwalt für solche Fälle Anderkonten bereithalte. Zudem ergebe sich aus dem Vergleich nicht, dass unmittelbar an die Klägerin zu zahlen sein soll. Die hiergegen erhobene Erinnerung hatte Erfolg.
2 Aus den Gründen
Die befristete Erinnerung ist gem. § 11 Abs. 2 RPflG zulässig und in der Sache auch begründet.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin war zunächst nicht zur Empfangnahme des Vergleichsbetrages aufgrund der vorliegenden Prozessvollmacht ermächtigt. Die Prozessvollmacht nach § 81 ZPO ermächtigt zur Empfangnahme des Streitgegenstandes oder anderer Leistungen nur, wenn sie sich ausdrücklich darauf erstreckt (Zöller/Althammer, ZPO, 32. Aufl., § 81 Rn 7). Dagegen ermächtigt die Prozessvollmacht gem. § 81 Hs. 4 ZPO zur Empfangnahme der von dem Gegner zu erstattenden Kosten.
Auch war die Beklagte nach dem eindeutigen Wortlaut des Prozessvergleiches nicht befugt, an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin die Zahlung zu leisten, noch hat die Klägerin eine Zahlung auf das Konto ihres Prozessbevollmächtigten von der Beklagten verlangt, so dass die von den Parteien zitierte Entscheidung des OLG München (NJW-RR 1998, 1452) mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar ist.
Zahlte demnach die Beklagte den Vergleichsbetrag auf das Konto der Prozessbevollmächtigten der Klägerin, ohne von diesem hierzu aufgefordert worden zu sein und ohne dass eine entsprechende Empfangsvollmacht vorlag, so entsteht eine Hebegebühr nach Nr. 1009 VV nebst Post- und Telekommunikationspauschale, die auch dann von der Beklagten im Rahmen des § 91 ZPO als notwendige Kosten des Rechtsstreits zu erstatten ist. Die entstandenen Gebühren sind somit allein aufgrund der Handlungen der Beklagten entstanden und damit aus Sicht der Klägerin notwendige Kosten des Rechtsstreits (Zöller/Herget, a.a.O., § 91 Rn 13, Stichwort: Geld; KG, Beschl. v. 3.8.2004 – 27 W 159/04; Schneider, in: Lützenkirchen, Anwalts-Handbuch Mietrecht, 6. Aufl., 2008, Rechtsanwaltsvergütung, 3. Allgemeine Gebühren (Teil 1 VV) a) Rn 82; Mayer, in: Gerold/Schmidt, RVG, 23. Aufl., 2017, VV 1009, V. 3.) Gleiches gilt auch für die Empfangnahme der vom Gegner zu erstattenden Kosten (Hartmann, KostG, 45. Aufl., Nr. 1009 VV Rn 4; Piekenbrock, in: BeckOK ZPO, Vorwerk/Wolf, 31. Edition, Stand 1.12.2018, § 81, Rn 15).
Entsprechend waren die beantragten Hebegebühren nebst Pauschale und Verzinsung nach § 104 Abs. 1 S. 2 ZPO festzusetzen.
3 Anmerkung
Die Entscheidung ist zutreffend. Die Forderung aus einem Urteil oder Vergleich steht nicht dem Anwalt zu, sondern seiner Partei. Daher ist auch unmittelbar an die Partei zu zahlen und nicht an den Anwalt. Wird ungeachtet dessen an den Anwalt gezahlt, dann entsteht bei diesem eine Hebegebühr nach Nr. 1009 VV, soweit er die Gelder weiterleitet, was hinsichtlich der Hauptforderung grds. der Fall sein wird. Gleiches gilt aber auch für die festgesetzten Kosten. Werden diese an den Anwalt gezahlt und leitet er diese an die Partei weiter, handelt es sich für den Anwalt um Fremdgeld, das er weiterleitet. Es handelt sich nämlich um einen weiteren Anspruch, der dem Mandanten gegen den Gegner zusteht. Es handelt sich keineswegs um die bloße Weiterleitung von Kosten, die keine Hebegebühr auslösen würden (Anm. Abs. 5 zu Nr. 1008 VV). Darunter fallen lediglich nicht verbrauchte Gerichtskosten, die die Landeskasse zurückerstattet, nicht aber Zahlungen, die aufgrund einer materiell-rechtlichen Grundlage vom Gegner zu erstatten oder zu ersetzen sind. Hat der Anwalt dagegen mit seinem Auftraggeber noch nicht abgerechnet und verrechnet er die eingegangene Kostenerstattung mit seinen Vergütungsansprüchen, dann entsteht keine Hebegebühr (Anm. Abs. 5 zu Nr. 1009 VV).
Die beim Anwalt für die Weiterleitung der eingegangenen Gelder entstehende Hebegebühr ist...