InsO § 305 Abs. 1 Nr. 1; RVG VV Nrn. 2504 ff.
Leitsatz
Für den Anfall einer Gebühr nach Nrn. 2504 ff. VV reicht es aus, dass der im Wege der Beratungshilfe für ein Verbraucherinsolvenzverfahren tätig gewordene Anwalt den Gläubigern des Schuldners bei ungewisser Zukunftsperspektive einen sog. Nullplan angeboten hat. Der Senat hält an seiner früheren Rspr. (Beschl. v. 28.1.2014 – 8 W 35/14) nicht fest.
OLG Stuttgart, Beschl. v. 8.2.2019 – 8 W 236/17
1 Sachverhalt
Die Beteiligten streiten um die Vergütung für insolvenzrechtliche Beratungshilfe.
Mit Berechtigungsschein wurde der Antragstellerin Beratungshilfe für "Außergerichtliche Schuldenbereinigung auf Grundlage eines Plans gem. § 305 InsO" bewilligt.
Der im Rahmen der Beratungshilfe beauftragte Anwalt rechnete sodann seine Vergütung i.H.v. 345,10 EUR brutto ab und nahm zur Begründung seines Antrags auf den mit den Gläubigern geführten Schriftverkehr sowie den von ihm entworfenen Schuldenbereinigungsplan Bezug.
Das AG setzte die Vergütung auf 99,96 EUR fest und hielt dabei lediglich eine Beratungsgebühr gem. Nr. 2502 VV für verdient. Die erhöhte Geschäftsgebühr nach Nrn. 2504 ff. VV falle bei einem "Nullplan" nicht an. Die Erinnerung des Vergütungsantragstellers wies das AG mit Blick auf die Entscheidung des Senats v. 28.1.2014 (8 W 35/14) zurück.
Auf die Beschwerde des Vergütungsantragstellers setzte das LG die Vergütung in beantragter Höhe fest und ließ die weitere Beschwerde zu. Die Gebühr gem. Nr. 2504 VV hielt es dabei für festsetzungsfähig.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Staatskasse mit ihrer weiteren Beschwerde, mit der sie die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Festsetzung erstrebt. Zur Begründung wird ausgeführt, die erstinstanzliche Entscheidung folge der Rspr. des Senats und sei daher nicht zu beanstanden. Das LG hat der weiteren Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.
2 Aus den Gründen
Die weitere Beschwerde ist gem. §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 6 u. Abs. 3 RVG statthaft, wurde form- und fristgerecht eingelegt und ist auch i.Ü. zulässig. Der Senat ist an die Zulassung gebunden (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 6 S. 4 und Abs. 4 S. 4 RVG). Zur Entscheidung berufen ist der vollbesetzte Zivilsenat (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 8 S. 1 2. Hs. RVG), nachdem auch die Beschwerdekammer des LG in voller Besetzung entschieden hat.
Die weitere Beschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht; §§ 546, 547 ZPO gelten entsprechend (§§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 6 S. RVG). Mit dieser Maßgabe hat die weitere Beschwerde keinen Erfolg. Die Entscheidung des LG beruht nicht auf einer Verletzung des Rechts, vielmehr wurde Nr. 2504 VV richtig angewendet.
Das LG hat zur Begründung ausgeführt, die Vergütungsvorschrift Nr. 2504 VV sei ihrem Wortlaut nach einschlägig. Auch systematische Überlegungen sprächen für ihre Anwendung auf Nullpan-Fälle. Schließlich sei zu bedenken, dass die Festsetzungsbeamten, die die Vergütungsvorschriften anwenden müssen, handhabbare Kriterien benötigen.
1. Zwar können sich das AG und die Staatskasse auf die Rspr. des Senats zu den Beratungshilfegebühren bei so genannten Nullplänen berufen, mit der der Senat "starre Nullpläne" (Beschl. v. 13.11.2012 – 8 W 399/12) und "flexible Nullpläne ohne Befriedigungsperspektive" (Beschl. v. 29.1.2014 – 8 W 435/13) für nicht vergütungsfähig i.S.v. Nr. 2504 VV gehalten hat. Die im Beschl. v. 12.9.2016 (8 W 291/16) vorgesehene Ausnahme eines "Fast-Nullplans" ist hier nicht einschlägig. Von diesem Rechtsstandpunkt ausgehend, wäre vorliegend die erhöhte Vergütung nach Nr. 2504 VV in der Tat – mangels Befriedigungsperspektive – nicht festzusetzen gewesen.
2. Diese Entscheidungen des Senats (ähnlich OLG Bamberg, Beschl. v. 6.8.2010 – 4 W 48/10) haben sowohl in der Rspr. (OLG Köln, Beschl. v. 13.7.2016 – 17 W 85/16; OLG Nürnberg, Beschl. v. 21.11.2016 – 8 Wx 698/16; auch das LG in der hier gegenständlichen Beschwerdeentscheidung) als auch in der Lit. (bspw. Wozniak, juris-PR-InsR, Anm. 5; Knerr, ZInsO 2015, 208) Kritik erfahren.
Ausgehend von dem Beschl. d. BGH v. 10.10.2013 (IX ZB 97/12), nach dem auch ein Nullplan oder Fast-Nullplan Grundlage einer Schuldenbereinigung nach § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO sein kann, werden Wortlaut- und systematische Argumente vorgebracht, um zu begründen, dass auch der Nullplan vergütungsfähig i.S.v. Nr. 2504 VV sei. Darüber hinaus wird eingewandt, die Differenzierungen (nach starren und flexiblen Nullplänen, bzw. nach vorhandener oder fehlender Befriedigungsperspektive) seien im Vergütungsfestsetzungsverfahren nicht praktikabel.
3. Der Senat hält nach erneuter Prüfung und Abwägung der Argumente an seiner o.g. Rspr. nicht fest und schließt sich der Rspr. der Oberlandesgerichte Köln und Nürnberg an, nach der ein so genannter Nullplan grds. vergütungsfähig ist.
a) Im Ausgangspunkt gibt der Wortlaut der Vergütungsvorschrift in Nr. 2504 VV, die schlicht auf § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO Bezug nimmt, keinen Anlass, für eine Differenzierung nach dem Inhalt des k...