Nach Auffassung des OLG kann PKH unter Beiordnung eines Nebenklägervertreters nach § 397a Abs. 2 StPO für das Strafverfahren und für den Rechtszug nur einheitlich bewilligt werden. Einzelne Teile des Verfahrens, insbesondere einzelne Hautverhandlungstage oder einzelne Tatvorwürfe, können nicht ausgenommen werden.

1. Erfolgsaussicht spielt keine Rolle

§ 397a Abs. 2 S. 1 StPO definiere die Voraussetzungen. unter denen PKH bewilligt werde. Dem Nebenkläger sei für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts auf Antrag PKH nach denselben Vorschriften wie in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zu bewilligen, wenn er seine Interessen selbst nicht ausreichend wahrnehmen kann oder ihm dies nicht zuzumuten ist. Weitere Bedingungen sehe das Gesetz nicht vor. Die Verweisung auf die Vorschriften der §§ 114 ff. ZO durch die Formulierung "nach denselben Vorschriften wie in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten" führe unzweifelhaft nicht dazu, dass sich die Bewilligung von PKH danach orientierte, ob und inwieweit eine Nebenklage Erfolg haben kann oder nicht. § 114 S. 1 HS 2 ZPO werde von § 397a Abs. 2 S. 3 StPO für nicht anwendbar erklärt, sodass die Erfolgsaussicht der Nebenklage für die Bewilligungsentscheidung keine Rolle spiele.

2. Besondere Verfahrensrolle des Nebenklägers

Der Nebenkläger genieße nach den Vorstellungen des Gesetzes eine besondere Verfahrensrolle. Das komme dadurch zum Ausdruck. dass § 397 StPO dessen Rechte besonders definiert und damit die Stellung des Nebenklägers in Abgrenzung zu einem Privatkläger hervorhebt. Dazu gehöre insbesondere das Recht des Nebenklägers zur Anwesenheit in der Hauptverhandlung (§ 397 Abs. 1 S. 1 StPO), sodass die seine Anwesenheit beschränkenden Vorschriften der §§ 58 Abs. 1, 243 Abs. 2 S. 1 StPO nicht gelten (u.a. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl., 2021, § 397 Rn 2). Das Anwesenheitsrecht erstrecke sich hierbei auf die gesamte Hauptverhandlung (Valerius, in: MüKo-StPO, 1 Aufl., 2019. § 397. Rn 4).

Mit dem Wesen der Nebenklage sei es nicht zu vereinbaren, die Entscheidung des Nebenklägers und des ihm beigeordneten Rechtsanwalts zur Ausübung des Anwesenheitsrechts über die Form der PKH-Bewilligung zu steuern und ihn kostenrechtlich davon abzuhalten, das Anwesenheitsrecht auszuüben. Diese Kompetenz stehe dem Gericht nach dem gesetzgeberischen Willen nicht zu, selbst wenn der Vorsitzende die Hauptverhandlung so gestalte, dass einzelne Teile (insbesondere Verhandlungstage oder Verhandlungsinhalte) keinen unmittelbaren Bezug zum Nebenkläger und den ihn unmittelbar berührenden Tatvorwurf gegen den Angeklagten aufweisen sollen und Rechte dem Nebenkläger nach Sachlage des Einzelfalls nur im Hinblick auf das Nebenklagedelikt zustehen (LR-Hilger, StPO, 26. Aufl., 2009, § 397, Rn 2). Hierbei gehe es jedoch vornehmlich um Befugnisse des Nebenklägers in einer Hauptverhandlung wie etwa Beteiligungsrechte, nicht das Anwesenheitsrecht des Nebenklägers selbst. Die Hauptverhandlung unterliege außerdem einer Dynamik. Es lässt sich nicht sicher vorhersagen, dass die Erörterungen in der Hauptverhandlung an einem konkreten Verhandlungstag stets den anfangs erwarteten Verlauf nehmen und sich die Erwartung des Gerichts bei Abfassung einer Bewilligungsentscheidung erfüllt, dass den Nebenkläger betreffende Themen an bestimmten Verhandlungstagen nicht oder erst an einem späteren Verhandlungstag zur Sprache kommen. Ungeachtet dessen stehen einem Nebenkläger Erklärungsrechte im Hinblick im Hinblick auf eine mögliche Gesamtstrafenbildung, Maßregel der Besserung und Sicherung nach Nebenfolgen zu, sodass keinesfalls von vornherein eine Beschränkung der Teilnahme erfolgen darf. Schon deshalb könne die Beschränkung der Bewilligung keinen Bestand haben, wobei, wie ausgeführt, der Gesetzgeber sich gegen eine Beschränkung entschieden hat.

3. Uneingeschränktes Anwesenheitsrecht des Nebenklägers

Nichts anderes folge – so das OLG – aus der Tatsache, dass die Bewilligung im angefochtenen Beschluss, so zeigt es der Nichtabhilfebeschluss, praktisch zwei Hauptverhandlungstage von der Bewilligung ausnimmt, an denen zwei Mitangeklagten und deren Verteidigern nach § 231c StPO eine Entfernung von der Hauptverhandlung gestattet wurde. Denn die Beurlaubung einzelner Mitangeklagter schränke das allein maßgebliche Anwesenheitsrecht eines Nebenklägers aus § 397 Abs. 1 StPO nicht ein. § 231c StPO stelle nämlich nur auf das "Betroffensein" der Mitangeklagten ab. Eine Regelung zu anderen Verfahrensbeteiligten als zu Mitangeklagten enthalte die Norm nicht. Deshalb sei es auch nicht zulässig, aus der Beurlaubung von Mitangeklagten abzuleiten, dass Nebenkläger nicht anwesend sein müssen und ihnen im Falle einer Anwesenheit die Kostenlast auferlegt werden darf. § 231c StPO erlaube keine Rückschlüsse auf den Gebrauch des umfassend vorgesehenen Anwesenheitsrechts eines Nebenklägers, auch wenn der Zweck der Vorschrift Verteidigern Zeit zu ersparen und einzelne Mitangeklagte zeitlich nicht über Gebühr zu belasten, sinngemäß auch für einen Nebenklägervertr...

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