§§ 91 Abs. 2 S. 1, 103 ff. ZPO; § 242 BGB
Leitsatz
- Es ist als rechtsmissbräuchlich anzusehen, wenn der Antragsteller die Festsetzung von Mehrkosten beantragt, die darauf beruhen, dass mehrere von demselben Prozessbevollmächtigten vertretene Antragsteller in engem zeitlichen Zusammenhang mit weitgehend gleichlautenden Antragsbegründungen aus einem weitgehend identischen Lebenssachverhalt ohne sachlichen Grund in getrennten Prozessen gegen denselben Antragsgegner vorgehen.
- In diesem Fall muss sich der Antragsteller erstattungsrechtlich so behandeln lassen, als hätten er und der weitere Antragsteller ein einziges Verfahren als Streitgenossen geführt.
- Der Antragsteller kann deshalb die Kosten seiner Rechtsverfolgung nicht in voller Höhe, sondern nur anteilig unter Berücksichtigung der Kosten des Parallelverfahrens erstattet verlangen.
KG, Beschl. v. 24.9.2020 – 19 W 1065/20
I. Sachverhalt
Die Antragsgegnerin hatte am 15.1.2020 einen Artikel online und am 16.1.2020 in einem Printmagazin mit ergänzenden Passagen und mit Bildaufnahmen des Antragstellers und einer Frau M, mit der der Antragsteller eine Liebesbeziehung unterhielt, sowie mit Bildern aus dem Inneren der Wohnung des Antragstellers veröffentlicht.
Hieraufhin hat der Antragsteller beim LG Berlin unter dem Aktenzeichen 27 O 31/20 eine einstweilige Verfügung erwirkt, mit der der Antragsgegnerin aufgegeben wurde, die entsprechenden Veröffentlichungen zu unterlassen. Die Kosten des Verfügungsverfahrens legte das LG der Antragsgegnerin nach einem Verfahrenswert von 160.000 EUR auf. Frau M hat – vertreten durch dieselben Prozessbevollmächtigten wie der Antragsteller – beim LG Berlin zum Aktenzeichen 27 O 32/20 gegen die Antragsgegnerin aufgrund derselben Berichterstattung ebenfalls eine einstweilige Verfügung erwirkt. Dabei hat das LG die Kosten dieses Verfahrens nach einem Verfahrenswert von 100.000 EUR auferlegt.
Auf den Kostenfestsetzungsantrag des Antragstellers hat der Rechtspfleger des LG Berlin die Kosten gegen die Antragsgegnerin antragsgemäß auf 2.909,59 EUR nebst Zinsen festgesetzt. Mit ihrer hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde hat die Antragsgegnerin geltend gemacht, die Verfolgung der Ansprüche des Antragstellers und der Frau M in zwei getrennten Verfahren sei eine unnötige Prozessaufspaltung gewesen. Deshalb seien die durch die getrennte Verfahrensführung zusätzlich entstandenen Kosten nicht erstattungsfähig.
In seiner Beschwerdeerwiderung hat der Antragsteller geltend gemacht, die getrennte Beauftragung durch ihn einerseits und Frau M andererseits sei zur Wahrung des Anwaltsgeheimnisses erforderlich gewesen. Die Prozessbevollmächtigten hätten getrennte Handakten anlegen müssen und die Ansprüche in zwei getrennten Verfahren geltend machen müssen. Außerdem seien er und Frau M von der Berichterstattung in unterschiedlicher Weise betroffen gewesen. Folgerichtig seien die Verfügungsanträge auch nicht gleichlautend gewesen. So habe Frau M sich in dem sie betreffenden Verfahren nicht gegen die Veröffentlichung der Bilder aus seiner Wohnung gewandt, sondern gegen die Berichterstattung über das von ihr – Frau M – genutzte Fahrzeug.
Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin hatte Erfolg.
II. Notwendigkeit getrennter Rechtsverfolgung
1. Gesetzliche Grundlagen
Gem. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO hat die unterlegene Partei der obsiegenden Partei die Kosten des Rechtsstreits zu erstatten. Gem. § 91 Abs. 2 S. 1 HS 1 ZPO sind die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei in allen Prozessen zu erstatten. Diese Vorschrift stellt insofern eine Ausnahme von dem Grundsatz des § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO dar, als sie für ihren Anwendungsbereich von der grds. gebotenen Prüfung der Notwendigkeit entstandenen Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung entbindet (s. etwa BGH AGS 2012, 10 = RVGreport 2021, 59 [Hansens] = zfs 2012, 43 m. Anm. Hansens für die Terminsgebühr für Besprechungen).
2. Verstoß gegen Treu und Glauben
Nach Auffassung des KG sind Anwaltskosten gem. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO nur soweit erstattungsfähig, als sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren. Das zwischen den Parteien bestehende Prozessrechtsverhältnis werde nämlich vom Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) beherrscht, der auch das Tatbestandsmerkmal der Notwendigkeit bestimme. Deshalb könne es als Verstoß gegen Treu und Glauben, mithin als rechtsmissbräuchlich anzusehen sein, wenn der Antragsteller die Festsetzung von Mehrkosten beantragt, die darauf beruhen, dass mehrere von demselben Prozessbevollmächtigten vertretene Antragsteller in engem zeitlichen Zusammenhang mit weitgehend gleichlautenden Antragsbegründungen aus einem weitgehend identischen Lebenssachverhalt ohne sachlichen Grund in getrennten Prozessen gegen denselben Antragsgegner vorgegangen sind (BGH AGS 2014, 300 = RVGreport 2014, 315 [Hansens]).
3. Anhaltspunkte für Rechtsmissbrauch
Anhaltspunkte für einen solchen Rechtsmissbrauch hat das KG darin gesehen, dass der Antragsteller dieses Verfahrens und die Antragstellerin Frau M des Paral...