§§ 397 ff., 404 StPO; § 114 ZPO
Leitsatz
- Die rückwirkende Bewilligung von PKH nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens kommt nicht in Betracht.
- Ein nach Abschluss des Verfahrens im Hinblick auf einen versäumten Prozesskostenhilfeantrag gestellter Wiedereinsetzungsantrag mit dem Ziel, das Verfahren in den Stand vor Erlass der jeweiligen das Verfahren abschließenden Entscheidung zurückzuversetzen, ist unzulässig.
BGH, Beschl. v. 18.3.2021 – 5 StR 222/20
I. Sachverhalt
Der BGH hat durch Beschl. v. 1.9.2020 die Revision des Angeklagten gegen ein Urteil des LG Görlitz, das den Angeklagten u.a. wegen besonders schweren Raubes verurteilt und Adhäsionsentscheidungen zugunsten des Neben- und Adhäsionsklägers getroffen hatte, als offensichtlich unbegründet verworfen. An dem Verfahren war der Nebenkläger beteiligt. Der hat am 9.11.2020 beantragt, ihm PKH für das Adhäsionsverfahren in der Revisionsinstanz unter Beiordnung seines Rechtsanwalts zu bewilligen. Der BGH hat diesen Antrag und einen vom Nebenkläger gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen. Der Nebenkläger hatte insoweit geltend gemacht, bereits mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 6.7.2020 PKH unter dessen Beiordnung für das Revisionsverfahren beantragt zu haben. Das Schreiben sei am gleichen Tag mit einfachem Brief durch Einwurf in den Briefkasten der Deutschen Post versandt worden. Auf Grund der Ablehnung seines Vergütungsantrags mit Beschluss des LG Görlitz vom 3.11.2020 habe sein Prozessbevollmächtigter erstmals Kenntnis davon erlangt, dass er in der zweiten Instanz nicht bestellt worden war. Ein Antrag auf Bewilligung von PKH mit Datum vom 6.7.2020 ist – als Anlage zum Wiedereinsetzungsantrag – erstmals am 9.11.2020 beim BGH eingegangen. Aus den Akten der Staatsanwaltschaft oder des GBA ergab sich kein (früherer) Eingang des PKH-Antrags.
II. Keine rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe
Der BGH hat eine rückwirkende Bewilligung von PKH abgelehnt. Nach § 404 Abs. 5 S. 1 StPO i.V.m. § 114 Abs. 1 S. 1 ZPO erhalte eine Partei unter den dort genannten weiteren Voraussetzungen PKH für eine "beabsichtigte" Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung. Grds. müsse die Förderung eines noch nicht abgeschlossenen Rechtsstreits in Rede stehen. Aufgabe der PKH se es demgegenüber nicht, finanziell bedürftige Personen für prozessbedingte Kosten oder dafür eingegangene Verpflichtungen nachträglich zu entschädigen. Nach Abschluss der kostenverursachenden Instanz komme demgemäß die Bewilligung von PKH nicht mehr in Betracht. Etwas anderes gilt ausnahmsweise für den Fall, dass vor rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens ein Bewilligungsantrag mit den erforderlichen Unterlagen gestellt, aber nicht bzw. nicht vorab beschieden worden sei und der Antragsteller mit seinem Antrag bereits alles für die Bewilligung der PKH Erforderliche getan habe (BGH StraFo 2011, 115; 2018, 401; RVGreport 2018, 75; 5 StR 587/17; Zöller-Schultzky, 33. Aufl., § 127 Rn 12, 18). Daran fehle es hier, weil der Antrag des Nebenklägers auf Bewilligung von PKH erst am 9.11.2020, nach Erlass des – das Verfahren rechtskräftig beendenden – Beschlusses vom 1.9.2020, beim BGH eingegangen sei.
III. Bedeutung für die Praxis
1. Die Bewilligung von PKH gilt nur für die jeweilige Instanz (§ 397a Abs. 2 i.V.m. § 119 Abs. 1 S. 1 ZPO; BGH StraFo 2008, 131; 2009, 349; NStZ-RR 2015, 351; KG RVGreport 2011, 142). PKH muss also in jeder Instanz neu beantragt werden. Die Bewilligung von PKH kann für den Rechtszug nur einheitlich ergehen und nicht einzelne Teile des Verfahrens, insbesondere einzelne HV-Tage oder einzelne Tatvorwürfe, hiervon ausnehmen (OLG Naumburg, Beschl. v. 16.3.2021 – 1 Ws (s) 60/21, AGS 2021, 232, in diesem Heft). Der Nebenklägervertreter oder der Vertreter des Adhäsionsklägers darf also die Antragstellung nicht übersehen, da eine nachträgliche Bewilligung nach der ständigen Rspr. des BGH, die er in diesem Beschluss bestätigt, ausscheidet.
2. Es hilft dann auch – wie der Beschluss des BGH zeigt – kein Wiedereinsetzungsantrag. Denn für eine Wiedereinsetzung nach § 44 StPO ist in diesem Fall kein Raum. Der Wiedereinsetzungsantrag mit dem Ziel, das Verfahren in den Stand vor Erlass der jeweiligen das Verfahren abschließenden Entscheidung zurückzuversetzen, ist nämlich unzulässig, da keine Frist versäumt wurde. Die bis zum rechtskräftigen Verfahrensabschluss reichende Zeitspanne, innerhalb der ein PKH-Antrag gestellt werden kann, ist weder bestimmt noch im Voraus bestimmbar und somit keine Frist i.S.d. § 44 StPO (BGH NStZ-RR 1997, 136).
Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg
AGS 5/2021, S. 232