1. Grundsatz
Gem. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO hat die unterliegende Partei der obsiegenden Partei die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendigen Kosten zu erstatten. Hinsichtlich der Anwaltskosten gilt die besondere Regelung des § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO, wonach die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei in allen Prozessen zu erstatten sind.
2. Besonderheiten bei mehreren Streitgenossen
Dies hat nach Auffassung des OLG Brandenburg zur Folge, dass dann, wenn mehrere Streitgenossen sich durch verschiedene Rechtanwälte vertreten lassen, die hierdurch entstandenen Mehrkosten grds. vom unterlegenen Gegner zu ersetzen sind. Es besteht nämlich – auch erstattungsrechtlich – keine allgemeine Verpflichtung für Streitgenossen, von einer Individualvertretung abzusehen (s. BVerfGE 81, 387 = Rpfleger 1990, 387). Dieser an sich großzügige Maßstab bedarf nach Auffassung des OLG Brandenburg jedoch einer Korrektur in den Fällen, in denen ein anzuerkennendes besonderes sachliches Bedürfnis für die Einschaltung eines eigenen Prozessbevollmächtigten nicht gegeben ist. Jede Prozesspartei sei nämlich grds. verpflichtet, die Kosten ihrer Prozessführung, die sie im Falle ihres Sieges vom Gegner erstattet verlangen will, so niedrig zu halten, wie sich dies mit der Wahrung ihrer berechtigten Belange vereinbaren lasse (s. BGH AGS 2007, 541 m. Anm. Schons).
Hieraus folgt nach den weiteren Ausführungen des OLG Brandenburg, dass ein Kostenerstattungsanspruch im Falle eines Rechtsmissbrauchs oder dann nicht besteht, wenn feststeht, dass ein eigener Prozessbevollmächtigter für eine eigene interessengerechte Prozessführung nicht erforderlich sein wird (BGH AGS 2004, 188 = zfs 2004, 379 m. Anm. Hansens = RVGreport 2004, 188 [Hansens]; OLG Brandenburg RVGreport 2011, 307 [Ders.]).
Das OLG Brandenburg hat darauf hingewiesen, dass hierbei die Umstände des Einzelfalls maßgeblich sind. Nach den Umständen des Einzelfalls sei ein Recht auf individuelle anwaltliche Vertretung dann zu verneinen, wenn die Partei davon ausgehen könne und müsse, ein eigener Rechtsanwalt werde zur Wahrung der persönlichen rechtlichen Interessen im Rahmen der Prozessführung nicht erforderlich sein. Die individuelle Beauftragung von eigenen Prozessbevollmächtigten durch mehrere Streitgenossen könne den Vorwurf der Rechtsmissbräuchlichkeit dann begründen, wenn plausible und schutzwürdige Belange für ein solches Vorgehen nicht erkennbar seien. Die Möglichkeit einer Ausgleichspflicht zwischen den Streitgenossen stelle keinen sachlichen Grund für eine eigene Prozessvertretung dar.
3. Ausnahmen
Demgegenüber kann nach den weiteren Ausführungen des OLG Brandenburg ein erstattungsrechtlich anerkennenswerter Grund für die individuelle anwaltliche Vertretung mehrerer Streitgenossen in folgenden Fällen vorliegen:
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Zwischen den einzelnen Streitgenossen besteht bei der Prozessführung ein Interessengegensatz (s. BGH AGS 2007, 541 m. Anm. Schons). |
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Hinsichtlich der Streitgenossen sind unterschiedliche Sachverhalte zu beurteilen. |
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Nach der rechtlichen oder tatsächlichen Ausgestaltung der Streitgenossenschaft ist ein sachliches Bedürfnis für die Hinzuziehung eines eigenen Rechtsanwalts erkennbar, etwa weil eine von der gesetzlichen Regelung des § 426 Abs. 1 BGB abweichende Ausgleichsregelung in Betracht kommt (s. BGH AGS 2014, 45 = RVGreport 2013, 356 [Hansens], OLG Saarbrücken RVGreport 2019, 462 [Ders.] = JurBüro 2019, 524). |
4. Darlegungslast
Der erstattungspflichtige Gegner der Streitgenossen ist in aller Regel nicht in der Lage, die Notwendigkeit der Einschaltung mehrerer Anwälte auf der Gegenseite zu beurteilen. Deshalb obliegt es nach Auffassung des OLG Brandenburg den obsiegenden Streitgenossen, im Kostenfestsetzungsverfahren darzulegen, aus welchen plausiblen und schutzwürdigen Belangen sie die Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht als ausreichend interessenwahrend erachtet haben.
5. Die Umstände im Fall des OLG Brandenburg
Vorliegend hatten die Beklagten auch auf konkreten Hinweis des Rechtspflegers im Kostenfestsetzungsverfahren keine entsprechenden Tatsachen vorgebracht. Eine Gruppe der Beklagten hat auf die Aufforderung zu ergänzendem Vorbringen überhaupt nicht reagiert und war den entsprechenden Rügen des Klägers nicht entgegengetreten. Die zweite Gruppe der Beklagten hat lediglich spekuliert, möglicherweise seien für den Fall des Unterliegens unterschiedliche Strategien in den Blick genommen worden. Es hätten möglicherweise unterschiedliche Interessen bestanden, die zu einer etwaigen Regresspflicht eines – einheitlichen – Prozessbevollmächtigten hätten führen können.
Dieses Vorbringen reicht nach Auffassung des OLG Brandenburg nicht aus, von der Notwendigkeit einer individuellen anwaltlichen Vertretung der beiden Gruppen der Beklagten auszugehen. Die bloß theoretische Möglichkeit eines Interessenkonflikts zwischen einzelnen Streitgenossen begründe noch keinen sachlichen Grund für die Erstattung der Kosten mehrerer Prozessbevoll...