Die Entscheidung ist falsch und widerspricht dem Gesetzeswortlaut.
1. Richtige Anrechnungsregelung
Die von der UdG der Geschäftsstelle und dem folgend auch vom VG Leipzig herangezogene Anrechnungsregelung in Vorbem. 2.3 Abs. 4 S. 1 VV war hier nicht einschlägig. Diese betrifft den Fall, dass dem Rechtsanwalt für seine Tätigkeit im Verwaltungsverfahren eine Geschäftsgebühr angefallen ist und dem Anwalt dann im weiteren Verwaltungsverfahren, dass der Nachprüfung des Verwaltungsaktes dient, ebenfalls eine Geschäftsgebühr entstanden ist. In diesem Fall ist die zuerst angefallene Geschäftsgebühr zum Teil auf die im Widerspruchsverfahren angefallene Geschäftsgebühr anzurechnen. Vorliegend ging es jedoch nicht um die Anrechnung einer Geschäftsgebühr auf die andere, sondern um die Anrechnung einer Geschäftsgebühr auf die im Verwaltungsstreitverfahren entstandene Verfahrensgebühr. Diesen Fall regelt Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV. Diese Vorschrift setzt voraus, dass wegen desselben Gegenstandes (wie im anschließenden Rechtsstreit) eine Geschäftsgebühr nach Teil 2 VV entsteht und demselben Rechtsanwalt dann für die Vertretung im gerichtlichen Verfahren auch eine Verfahrensgebühr anfällt.
Ebenso zu Unrecht verweist das VG Leipzig mehrfach auf die Bestimmung des § 15a Abs. 1 RVG. Diese Regelung betrifft die Auswirkungen einer im RVG vorgesehenen Anrechnung einer Gebühr auf eine andere Gebühr im Innenverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandanten. Für das Verhältnis zwischen dem Kläger und der erstattungspflichtigen Beklagten kam nur § 15a Abs. 3 RVG in Betracht. Immerhin hat das VG Leipzig die dritte Fallgestaltung dieser Vorschrift erwähnt, wonach sich ein Dritter (hier: die Beklagte) auf die Anrechnung nur berufen kann, wenn beide Gebühren (hier: Geschäftsgebühr für das Verwaltungsvorverfahren und Verfahrensgebühr für das Verwaltungsstreitverfahren) in demselben Verfahren gegen ihn (sie) geltend gemacht werden. Dasselbe Verfahren war hier das Kostenfestsetzungsverfahren.
2. Einfluss einer Vergütungsvereinbarung
Der Kläger hatte hier geltend gemacht, für die Vertretung im Verwaltungsvorverfahren sei seinem Prozessbevollmächtigten gar keine Geschäftsgebühr angefallen, weil er eine Stundensatzvereinbarung geschlossen habe. Dabei lässt sich dem mitgeteilten Sachverhalt nicht eindeutig entnehmen, ob diese Stundensatzvereinbarung nur für die Tätigkeit im Verwaltungsvorverfahren oder auch für die Tätigkeit im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gilt. Für die Anrechnungsfrage spielt dies allerdings keine entscheidende Rolle.
a) Die Auffassung der Verwaltungsgerichte
Geht man davon aus, dass die Stundensatzvereinbarung nur für das Verwaltungsvorverfahren Geltung haben sollte, so wird für eine solche Fallgestaltung in der verwaltungsgerichtlichen Rspr. vielfach die Auffassung vertreten, dies stehe der im Gesetz angeordneten (teilweisen) Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr nicht entgegen (so OVG Berlin-Brandenburg NJW-Spezial 2022, 61; VGH Kassel DÖV 2013, 912).
b) Die Auffassung der Zivilgerichte
Demgegenüber wird in der zivilgerichtlichen Rspr. einhellig die Auffassung vertreten, die Anrechnungsvorschrift (hier der Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV) gelte in den Fällen, in denen der spätere Prozessbevollmächtigte vorgerichtlich aufgrund einer Vergütungsvereinbarung tätig geworden ist, nicht (BGH – Xa-Senat – RVGreport 2010, 32 [Hansens]; BGH – VIII. ZS – AGS 2009, 529 = RVGreport 2009, 433 [Ders.]; BGH – III. ZS – AGS 2015, 147 = RVGreport 2015, 72 [Ders.] = zfs 2015 m. Anm. Hansens; OLG Stuttgart AGS 2009, 214 = RVGreport 2009, 267 [Ders.]; OLG Celle RVGreport 2009, 389 [Ders.] = JurBüro 2009, 584; OLG Hamburg AGS 2015, 198 = RVGreport 2015, 151 [Ders.] = zfs 2015, 226 m. Anm. Hansens).
c) Eigene Meinung
Dieser Auffassung ist zuzustimmen. Die Anrechnungsregelung in Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV – dasselbe gilt übrigens für die hier vom VG Leipzig herangezogene, tatsächlich aber gar nicht einschlägige Regelung in Vorbem. 2.3 Abs. 4 S. 1 VV – spricht nämlich von einer entstandenen Geschäftsgebühr. Eine gesetzliche Regelung, die die – teilweise – Anrechnung einer vereinbarten Vergütung für die vorprozessuale Tätigkeit anordnet, existiert im RVG nicht. Damit scheidet die Anwendung der Anrechnungsregelungen aus (so auch KG – 2. ZS – AGS 2009, 213 = RVGreport 2009, 101 [Hansens] = zfs 2009, 226 m. Anm. Hansens). Dies gilt i.Ü. auch dann, wenn die Honorarvereinbarung lediglich zum Inhalt hat, dass die Anrechnung nach der gesetzlichen Regelung in Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV unterbleibt (so KG – 5. ZS – RVGreport 2010, 343 [Ders.]). Die davon abweichende Auffassung des X. ZS des BGH (AGS 2014, 468 = RVGreport 2014, 352 [Ders.] = zfs 2014, 647 m. Anm. Hansens), nach der eine für das vergaberechtliche Nachprüfungsverfahren geltend gemachte Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr auch dann anzurechnen sei, wenn der Anwalt des Erstattungsberechtigten für diesen auf der Grundlage einer Stundenhonorarvereinbarung tätig geworden ist, ist nur mit den Beson...