§§ 3a, 15a RVG; Nrn. 2300, 3100, Vorbem. 2.3 Abs. 3, Abs. 4 S. 1 VV RVG; §§ 162 Abs. 1 und 2 VwGO
Leitsatz
Die Geschäftsgebühr im Widerspruchsverfahren wird auf die Verfahrensgebühr im verwaltungsgerichtlichen Verfahren angerechnet, auch wenn eine Vergütungsvereinbarung geschlossen wurde.
VG Leipzig, Beschl. v. 5.1.2023 – 6 K 741/18
I. Sachverhalt
Der Rechtsanwalt hatte seinen Mandanten, den späteren Kläger, zunächst im Widerspruchsverfahren und sodann vor dem VG Leipzig im anschließenden Verwaltungsstreitverfahren vertreten. In seiner Kostenentscheidung hat das VG Leipzig angeordnet, dass die Beklagte dem Kläger seine notwendigen Aufwendungen zu erstatten hat einschließlich seiner Kosten für die anwaltliche Tätigkeit im Vorverfahren. Außerdem hat das VG in seinem Beschluss die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt.
Im Kostenfestsetzungsverfahren hat der Kläger für die Tätigkeit seines Prozessbevollmächtigten im Widerspruchsverfahren eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV und für das Verwaltungsstreitverfahren – soweit hier von Interesse – eine 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV nebst Auslagen geltend gemacht. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) hat in ihrem Kostenfestsetzungsbeschluss für die Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten im Widerspruchsverfahren eine Geschäftsgebühr mit einem Gebührensatz von 1,8 zzgl. Postentgeltpauschale und Umsatzsteuer in Ansatz gebracht. Auf die im Verwaltungsstreitverfahren angefallene 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV hat die UdG unter Hinweis auf die Anrechnungsvorschrift der Vorbem. 2.3. Abs. 4 S. 1 VV eine 0,75-Geschäftsgebühr angerechnet und den weitergehenden Kostenfestsetzungsantrag des Klägers zurückgewiesen.
Gegen die Absetzung hat der Kläger einen Antrag auf Entscheidung des Gerichts (Erinnerung) eingereicht und geltend gemacht, die Anrechnungsregelung in Vorbem. 2.3 Abs. 4 S. 1 VV sei vorliegend nicht anwendbar, weil er mit seinem Rechtsanwalt eine stundensatzbezogene Honorarvereinbarung geschlossen habe und eine vereinbarte Vergütung gerade nicht mit der gesetzlich vorgeschriebenen Vergütung gleichgestellt werden könne. Das VG Leipzig hat die Erinnerung des Klägers zurückgewiesen.
II. Erstattung außergerichtlicher Kosten
1. Gesetzliche Grundlagen
Zu den erstattungsfähigen Kosten gehören gem. § 162 Abs. 1 VwGO die Gerichtskosten sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens. Nach § 162 Abs. 2 S. 1 VwGO sind die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind die Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren als notwendig erklärt hat (§ 162 Abs. 2 S. 2 VwGO).
Somit lagen hier die Voraussetzungen für die Erstattungsfähigkeit der Anwaltskosten im Vorverfahren und im anschließenden Verwaltungsstreitverfahren vor.
2. Kosten des Vorverfahrens
Der Kläger hatte hier in seinem Kostenfestsetzungsantrag für die Tätigkeit seines Prozessbevollmächtigten im Widerspruchsverfahren eine 1,8-Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV nebst Postentgeltpauschale und Umsatzsteuer geltend gemacht. Die UdG hat diesem Antrag ohne Absetzungen entsprochen.
3. Kosten des Verwaltungsstreitverfahrens
Für die Tätigkeit seines Rechtsanwalts im Verwaltungsstreitverfahren hat der Kläger u.a. eine 1,3-Verfahrensgebühr nebst Auslagen in Ansatz gebracht. Auf diese Verfahrensgebühr hat die UdG nach Vorbem. 2.3 Abs. 4 VV die Geschäftsgebühr mit einem Gebührensatz von 0,75 angerechnet und lediglich den Restbetrag festgesetzt.
III. Anrechnung der Geschäftsgebühr
1. Grundsätze
Diese Anrechnung ist nach Auffassung des VG Leipzig nicht zu beanstanden. Das VG hat auf die Regelung in § 15a Abs. 1 RVG verwiesen, wonach in den Fällen, in denen die Anrechnung einer Gebühr auf eine andere Gebühr vorgesehen ist, der Rechtsanwalt beide Gebühren fordern könne, jedoch nicht mehr als den um den Anrechnungsbetrag verminderten Gesamtbetrag der beiden Gebühren. Ferner hat das VG auf die auch von der UdG angewandte Vorbem. 2.3 Abs. 4 S. 1 VV verwiesen, die die Anrechnung einer für eine Tätigkeit im Verwaltungsverfahren entstandenen Geschäftsgebühr zur Hälfte, höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75 regelt.
2. Vergütungsvereinbarung steht Anrechnung nicht entgegen
Das VG Leipzig ist der Argumentation des Klägers nicht gefolgt, die Anrechnungsbestimmungen seien hier deshalb nicht anwendbar, weil er mit seinem Rechtsanwalt eine stundensatzbezogene Honorarvereinbarung geschlossen hat. Dieses Vorbringen hat das VG Leipzig zunächst als in sich widersprüchlich angesehen, weil der Kläger in seinem Kostenfestsetzungsantrag eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV geltend gemacht hat und damit unterstellt habe, dass diese nach Vorbem. 2.3 Abs. 3 VV auch entstanden sei. Demgegenüber habe er später vorgetragen, die Geschäftsgebühr sei nicht entstanden, weil er mit seinem Rechtsanwalt eine Vergütungsvereinbarung geschlossen habe.
Das VG Leipzig weist darauf hin, dass ...