§ 2 Abs. 1 BerHG; §§ 44, 55 RVG; Nr. 2503 VV RVG
Leitsatz
Im Vergütungsfestsetzungsverfahren im Rahmen der Beratungshilfe findet durch den Urkundsbeamten keine Prüfung mehr statt, ob eine Vertretung durch den Rechtsanwalt erforderlich i.S.d. § 2 Abs. 1, 2 S. 1 BerHG war. Die Änderungen des BerHG vom 1.1.2014 und zum 1.8.2021 geben diesbezüglich keine Veranlassung zu einer anderen Bewertung.
OLG Stuttgart, Beschl. v. 29.9.2022 – 8 W 229/18
I. Sachverhalt
Dem Beteiligten Ziff. 1 wurde mit Beratungshilfeschein vom 10.4.2017 durch das AG Aalen für die Angelegenheit "Widerspruch gegen Bescheid des Jobcenters vom 10.3.2017 (Anrechnung von nicht vorhandenem Einkommen)" bewilligt.
Der Beteiligte Ziff. 2 wurde als Rechtsanwalt in der Angelegenheit tätig und hat den Widerspruch gegenüber dem Jobcenter begründet.
Das AG Aalen hat im Vergütungsfestsetzungsverfahren die dem Beteiligten Ziff. 2 anstelle der beantragten Geschäftsgebühr gem. Nr. 2503 VV lediglich eine Beratungsgebühr gem. Nr. 2501 VV zuerkannt und anstelle der beantragten 303,45 EUR lediglich 243,95 EUR festgesetzt. Zur Begründung hat das AG ausgeführt, dass aus dem Schreiben des Jobcenters vom 26.4.2017 hervorgehe, dass für die Durchsetzung des Anliegens die Zuziehung eines Rechtsanwalts nicht nötig gewesen sei und der Bescheid vom 10.3.2017 lediglich aufgrund fehlender Unterlagen abgeändert worden sei. Eine Beratung dahingehend, welche Unterlagen von dem Rechtsuchenden einzureichen sind, hätte hier daher genügt.
Der Beteiligte Ziff. 2 hat gegen den Beschl. v. 18.10.2017 Erinnerung eingelegt und zur Begründung vorgetragen, dass die Erforderlichkeit einer Vertretung nur bei der Erteilung des Beratungshilfescheins zu prüfen sei und nicht bei der Abrechnung. Die Gegenauffassung sei verfassungsrechtlich nicht haltbar.
Die Kostenbeamtin hat der Erinnerung nicht abgeholfen und die Sache dem zuständigen Richter zur Entscheidung vorgelegt. Dieser hat mit Beschl. v. 13.3.2018 auf die Erinnerung des Rechtsanwalts den Beschluss abgeändert und die an den Beteiligten zu Ziff. 2 zu zahlende Vergütung auf 303,45 EUR festgesetzt. Begründet wurde die Abänderung damit, dass die Überprüfung der Entscheidung über die Bewilligung der Beratungshilfe nicht Aufgabe des Urkundsbeamten sei. Dieser sei an die Prüfung und Bejahung der Erforderlichkeit der Vertretung durch den damit beauftragten Rechtsanwalt gebunden.
Die Beteiligte Ziff. 3 als Vertreterin der Staatskasse hat gegen diesen Beschluss im Wege der vom AG zugelassenen Beschwerde am 22.3.2018 eingelegt. Der Richter am AG hat dieser nicht abgeholfen und die Akten dem LG Ellwangen vorgelegt. Die Beschwerde wurde mit ausführlich begründetem Beschluss (auf die Gründe wurde im vorliegenden Beschluss verwiesen – diese sind aus der vorliegenden Entscheidung nicht ersichtlich) vom 15.5.2018 zurückgewiesen.
Das LG hat gegen diesen Beschluss weitere Beschwerde zugelassen, von der die Beteiligten Ziff. 3 als Vertreterin der Staatskasse unter Wiederholung und Vertiefung ihres Rechtsstandpunktes Gebrauch gemacht hat.
Das LG hat der weiteren Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache zur Entscheidung des OLG Stuttgart zur Entscheidung vorgelegt.
Die weitere Beschwerde ist statthaft, form- und fristgerecht eingelegt und damit zulässig (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 6, Abs. 3 S. 2 und 3 RVG). Sie ist in der Sache jedoch nicht begründet und hat daher keinen Erfolg.
II. Unterscheidung zwischen Bewilligungs- und Vergütungsfestsetzungsverfahren
Zunächst ist – wie das OLG Stuttgart hervorgehoben hat – zwischen dem Bewilligungsverfahren betreffend die Beratungshilfe selbst und dem diesen nachfolgenden Vergütungsfestsetzungsverfahren zu unterscheiden. Beratungshilfe kann aufgrund eines gestellten Antrages des Rechtsuchenden, der sowohl mündlich bei der Rechtsantragstelle des zuständigen AG, durch schriftliche Einreichung oder auch in elektronischer Form gestellt werden kann, bewilligt werden. Funktionell für die Bewilligung der Beratungshilfe ist der Rechtspfleger gem. §§ 3 Nr. 3f, 24 a RPflG zuständig. Die Beratungshilfe kann auch gem. §§ 4 Abs. 6, 6 Abs. 2 BerHG mittels Direktzugang bei der Beratungsperson (in der Regel ist dies ein Rechtsanwalt) erfolgen. Der Antrag ist in diesem Fall nachträglich bei dem zuständigen AG innerhalb einer Frist von 4 Wochen nach Beginn der Beratungshilfetätigkeit zu stellen.
§ 55 RVG regelt die Zuständigkeit und das Verfahren zur Festsetzung der der Beratungsperson zustehenden Vergütung (Lissner/Dietrich/Schmidt, Beratungshilfe mit Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, 4. Aufl., 2022, Rn 23). Für die Festsetzung dieser Vergütung ist gem. §§ 44, 55 Abs. 4 RVG der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des in § 4 Abs. 1 BerHG bezeichneten Gerichts zuständig (Lissner/Dietrich/Schmidt, a.a.O., Rn 342). Hierbei handelt es sich nicht um die funktionelle Zuständigkeit des Rechtspflegers nach dem RPflG, allerdings kann auch hier "der Rechtspfleger" in seiner Funktion als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle im Rahmen der Vergütungsfestsetzung tätig sein.
Die bewilligte Beratungshilfe ist als Kostengrundentscheidung für das Vergütungsfestsetzungsverfah...