[Ohne Titel]
Vertritt ein Anwalt mehrere Auftraggeber wegen desselben Gegenstands, gilt Nr. 1008 VV. Danach erhöht sich die Geschäfts- oder Verfahrensgebühr bei Wertgebühren für jeden weiteren Auftraggeber um 0,3. Bei dieser Abrechnung stellen sich gleich mehrere Probleme.
I. Die Erhöhung der Geschäftsgebühr
1. Grundsatz
Vertritt der Anwalt mehrere Auftraggeber wegen desselben Gegenstands, erhöht sich die Geschäftsgebühr für jeden weiteren Auftraggeber um 0,3, höchstens um 2,0.
2. Erhöhung auch der Schwellengebühr
Die Erhöhung gilt auch für die sog. Schwellengebühr. Zwar erhält der Anwalt in Angelegenheiten, die weder umfangreich noch schwierig sind, nach Anm. Abs. 1 zu Nr. 2300 VV nur eine 1,3-Geschäftsgebühr. Diese Grenze gilt jedoch nur für einen Auftraggeber. Die Höchstgrenze erhöht sich bei mehreren Auftraggebern und beträgt also bei zwei Auftraggebern 1,6, bei drei Auftraggebern 1,9 usw. Dies ist durch die mit dem KostRÄG 2021 eingeführte Anm. Abs. 4 zu Nr. 1008 VV ausdrücklich klargestellt worden. Ist die Sache umfangreich oder schwierig, ergeben sich ohnehin keine Probleme. Ist also z.B. von der Mittelgebühr (1,5) auszugehen, dann erhöht sich diese Gebühr auf 1,8.
3. Berechnung der Erhöhung
Wie die Erhöhung genau zu berechnen ist, darüber besteht ein theoretischer Streit. Nach einer Auffassung sind der Mindestsatz und der Höchstsatz jeweils um 0,3 anzuheben, sodass sich bei zwei Auftraggebern ein Gebührenrahmen von 0,8 bis 2,8 ergibt und damit auch eine um 0,3 erhöhte Mittelgebühr von 1,8. Nach anderer Auffassung ist die konkrete Gebühr zu ermitteln und dann um 0,3 zu erhöhen. In der Regel ergeben sich insoweit im Ergebnis keine Unterschiede.
Beispiel
Der Anwalt wird wegen einer Forderung i.H.v. 10.000,00 EUR für zwei Gesamtgläubiger tätig.
a) Die Sache ist weder umfangreich noch schwierig.
b) Die Sache ist umfangreich und schwierig, aber durchschnittlich.
Im Fall a) ist von der Schwellengebühr nach Anm. Abs. 1 zu Nr. 2300 VV auszugehen, die sich von 1,3 auf 1,6 erhöht.
1. |
1,6-Geschäftsgebühr, Nrn. 2300, 1008 VV |
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982,40 EUR |
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(Wert: 10.000,00 EUR) |
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2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
1.002,40 EUR |
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3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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190,46 EUR |
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Gesamt |
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1.192,86 EUR |
Im Fall b) ist von der Mittelgebühr auszugehen, die sich von 1,5 auf 1,8 erhöht.
1. |
1,8-Geschäftsgebühr, Nrn. 2300, 1008 VV |
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1.105,20 EUR |
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(Wert: 10.000,00 EUR) |
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2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
1.125,20 EUR |
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3. |
19 % Umsatzsteuer |
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213,79 EUR |
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Gesamt |
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1.338,99 EUR |
4. Keine Erhöhungsgebühr
Soweit hier häufig eine “Erhöhungsgebühr” abgerechnet wird, ist dies unzutreffend. Die Vorschrift der Nr. 1008 VV schafft keinen eigenen Gebührentatbestand, sondern führt nur dazu, dass eine andere Gebühr (Geschäfts- oder Verfahrensgebühr) angehoben wird, worauf unter III. noch einzugehen sein wird.
II. Die Erhöhung der Verfahrensgebühr
1. Erhöhung
Folgt nach der außergerichtlichen Vertretung der Rechtsstreit, erhält der Anwalt nach Nr. 1008 VV eine um 0,3 erhöhte Verfahrensgebühr aus Nr. 3100 VV, also bei zwei Auftraggebern eine 1,6-Verfahrensgebühr.
2. Erhöhung auch neben den erhöhten Geschäftsgebühr
Soweit aus der Formulierung in Nr. 1008 VV, dass sich die Geschäfts- "oder" die Verfahrensgebühr erhöhe, früher herausgelesen wurde, dass sich nur eine der beiden Gebühren erhöhen könne, nicht aber beide zugleich, wird diese Auffassung seit der klarstellenden Berufungsentscheidung des LG Düsseldorf nicht mehr vertreten. Zu erhöhen sind beide Gebühren unabhängig voneinander. Wenn ein Rechtsanwalt mehrere Auftraggeber zunächst außergerichtlich und anschließend im gerichtlichen Verfahren vertritt, erhöhen sich sowohl die Geschäftsgebühr als auch die Verfahrensgebühr nach Nr. 1008 VV. Im gerichtlichen Verfahren entsteht damit bei zwei Auftraggebern eine einheitliche um 0,3 erhöhte 1,6-Verfahrensgebühr.
III. Die Anrechnung
Als nächstes stellt sich die Frage der Anrechnung. Die Geschäftsgebühr ist nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV hälftig, höchstens zu 0,75, anzurechnen. Nunmehr ist zu beachten, dass es keine Erhöhungsgebühr gibt, sondern nur eine nach Nr. 1008 VV erhöhte Geschäftsgebühr. Das KG hat hierzu Folgendes ausgeführt:
Zitat
"Die Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV RVG stellt keine eigenständige Gebühr dar. … Es kommt lediglich zur Erhöhung der jeweiligen Gebühr und nicht zur Begründung einer neuen, eigenständig zu behandelnden Gebühr."
Daraus folgt, dass die Erhöhung bis zu einem Gebührensatz von 1,5 mit angerechnet wird. Würde man dagegen die Auffassung vertreten, es gäbe eine selbständige Erhöhungsgebühr, könnte diese nicht angerechnet werden, da es hierfür keine Anrechnungsvorschrift gibt.
Darüber hinaus ist es inzwischen auch einhellige Auffassung, dass die Anrechnungsgrenze selbst nicht angehoben wird und es auch bei mehreren Auftraggebern bei der Anrechnungsgrenze von 0,75 als Höchstsatz bleibt. Auch das hat das LG Düsseldorf in der vorstehend zitierten Entscheidung klargestellt. Dies führt also dazu, dass bei ei...