§§ 63 Abs. 1, 68 GKG
Leitsatz
Eine vorläufige Wertfestsetzung ist auch nicht mit der Begründung anfechtbar, eine vorläufige Wertfestsetzung sei unzulässig und zur Beseitigung eines Rechtsscheins aufzuheben.
OLG Frankfurt, Beschl. v. 25.4.2024 – 1 WF 57/24
I. Sachverhalt
Das FamG hatte im zugrunde liegenden Scheidungsverbundverfahren zunächst den Wert der Ehesache vorläufig festgesetzt. Nach Ausscheiden der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin aufgrund Mandatskündigung hat das FamG auf deren Antrag den Verfahrenswert für die Ehesache und die zwischenzeitlich anhängig gemachten Folgesachen vorläufig auf 351.390,00 EUR festgesetzt. Gegen diesen Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde, mit der sie beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben. Eine Verfahrenswertfestsetzung sei erst nach Abschluss des Verfahrens zulässig; eine vorläufige Wertfestsetzung hätte nicht ergehen dürfen, da eine solche voraussetze, dass Gerichtsgebühren nach dem Wert vorauszuzahlen seien, was allerdings nur für die Ehesache der Fall sei. Für das Abrechnungsinteresse ihres vormaligen Verfahrensbevollmächtigten sei vielmehr ein Antrag nach § 33 RVG der richtige Weg.
Der Einzelrichter hat darauf hingewiesen, dass ein Beschluss, durch den der Verfahrenswert vorläufig festgesetzt wird, mit Rechtsmitteln nicht anfechtbar sein dürfte.
Die Antragstellerin hat daraufhin dahingehend Stellung genommen, dass hier die Besonderheit vorliege, dass der vormalige Verfahrensbevollmächtigte die Festsetzung des Verfahrenswertes und damit eine endgültige Wertfestsetzung beantragt habe. Auch eine vorläufige Wertfestsetzung sei nicht zulässig, da nur aus dem Wert der Ehesache Gerichtskosten vorauszuzahlen seien. Durch die vorläufige Verfahrenswertfestsetzung auch der Folgesachen werde ein Rechtsschein der Wertfestsetzung geschaffen, den es zu beseitigen gelte. Die Beschwerde ist unzulässig.
II. Vorläufige Wertfestsetzung ist unanfechtbar
Gegen einen Beschluss, durch den der Verfahrenswert vorläufig festgesetzt wird, ist das Rechtsmittel der Beschwerde nicht gegeben (OLG Köln, Beschl. v. 28.6.2016 – II-10 WF 38/16, juris Rn 4, AGS 2017, 47; BeckOK Kostenrecht/Siede, 44. Ed., Stand: 1.1.2024, § 55 FamGKG Rn 21; Stollenwerk, in: Schneider/Volpert/Fölsch, FamGKG, 3. Aufl., 2019, § 55 Rn 10; Dörndorfer, in: Binz/Dörndorfer/Zimmermann, 5. Aufl., 2021, § 59 FamGKG Rn 1). Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 59 Abs. 1 S. 1 FamGKG findet die Beschwerde nur gegen Beschlüsse nach § 55 Abs. 2 FamGKG, mit denen der Verfahrenswert endgültig festgesetzt wurde, statt. Hieraus folgt im Umkehrschluss, dass gegen vorläufige Wertfestsetzungen die Beschwerde nicht statthaft ist. Damit wird der Zweck verfolgt, Streitigkeiten über die vorläufige Festsetzung auszuschließen und das eigentliche Rechtsschutzverfahren vor seinem Abschluss nicht mit derartigen Nebenstreitigkeiten zu belasten (OLG Köln, a.a.O.). Einwendungen gegen die vorläufige Wertfestsetzung können demnach nur im – hier nicht gegebenen – Verfahren nach § 58 FamGKG geltend gemacht werden (OLG Köln, a.a.O. Rn 5; Stollenwerk, a.a.O.).
Nichts anderes folgt vorliegend daraus, dass der vormalige Verfahrensbevollmächtigte nicht ausdrücklich eine vorläufige Wertfestsetzung, sondern eine "Festsetzung des Verfahrenswertes" erbeten hat. Denn mit dem angefochtenen Beschluss wurde seinem eindeutigen Wortlaut nach der Verfahrenswert lediglich vorläufig festgesetzt.
Der Antragstellerin kann daher auch nicht darin gefolgt werden, dass mit dem angefochtenen Beschluss der Rechtsschein einer endgültigen Wertfestsetzung geschaffen wurde. Eine Festsetzung des Wertes auch von Folgesachen kann dem angefochtenen Beschluss ebenfalls nicht entnommen werden. Schließlich ist auch der Verweis auf Rspr., die Fälle der Wertfestsetzung trotz Erhebung von Festgebühren betrifft, nicht behelflich. Denn zum einen betreffen die von der Antragstellerin angeführten Entscheidungen keine Fälle der vorläufigen Wertfestsetzung und zum anderen werden vorliegend auch keine Festgebühren erhoben.
Eine gesonderte Wertfestsetzung nach § 33 Abs. 1 RVG ist nicht Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens. Demnach konnte es hier auch dahinstehen, ob in dem bereits gestellten Festsetzungsantrag des vormaligen Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin ein Antrag nach § 33 Abs. 1 RVG zu erkennen ist.
III. Bedeutung für die Praxis
Die Entscheidung ist insoweit zutreffend, als vorläufige Wertfestsetzungen nach dem eindeutigen Wortlaut des § 59 Abs. 1 S. 1 FamGKG nicht anfechtbar sind. Dies gilt auch dann, wenn eine vorläufige Wertfestsetzung – wie hier – gar nicht hätte ergehen dürfen.
Es hätte dem OLG jedoch gut zu Gesicht gestanden, von der Möglichkeit des § 55 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 FamGKG Gebrauch zu machen und die unzutreffende Wertfestsetzung aufzuheben.
Rechtsanwalt Norbert Schneider, Neunkirchen
AGS 5/2024, S. 237 - 238