Zu Recht hat das LG nach Auffassung des OLG Köln angenommen, dass Rechtsanwältin E ihre Tätigkeit nach Teil 4 Abschnitt 1 VV abrechnen kann. Die von ihr im Rahmen der Wahrnehmung des Haftverkündungstermins vom 29.3.2023 entfalteten Handlungen seien nicht lediglich als Einzeltätigkeit i.S.v. Teil 4 Abschnitt 3 VV, namentlich nicht als Beistandsleistung bei einer richterlichen Vernehmung nach dessen Nr. 4301 VV anzusehen, sondern als Tätigkeit eines Verteidigers nach Teil 4 Abschnitt 1 VV.
1. Teil 4 Abschnitt 1 VV
Teil 4 Abschnitt 1 VV regele die Vergütung des Verteidigers. Diese sei dabei unabhängig davon zu bemessen, ob die Verteidigung als Wahl- und Pflichtverteidigung durchgeführt werde. Liege ein Verteidigungsverhältnis vor, mache es grds. auch keinen Unterschied, ob sich die Tätigkeit – insbesondere in den Fällen des sog. "Terminsvertreters" – auf die Wahrnehmung eines einzelnen Termins beschränkt. Dies gelte für die Fälle der Pflichtverteidigung auch dann, wenn sich die vorangegangene Bestellung durch das Gericht nur auf einen bestimmten Termin bezogen habe. Dies habe das OLG Köln bereits für die auf einen einzelnen Hauptverhandlungstag beschränkte Beiordnung eines Pflichtverteidigers entschieden (OLG Köln, Beschl. v. 26.3.2010 – 2 Ws 129/10, AGS 2011, 286 = RVGreport 2010, 462). Dieser Rspr. des 2. Strafsenats schließe sich der Senat an. Auch wenn sich die Wahrnehmung der Pflichtverteidigung auf einen oder mehrere einzelne Termine beschränke, begründe die Beiordnung ein eigenständiges Beiordnungsverhältnis, in dessen Rahmen der Pflichtverteidiger die Verteidigung umfassend und eigenverantwortlich wahrzunehmen habe. Eine gebührenrechtlich unterschiedliche Behandlung dieses Verteidigers gegenüber dem Hauptverteidiger würde dem nicht gerecht und ließe eine Entwertung des Instituts der Pflichtverteidigung und damit einhergehend des Rechtes des Angeklagten auf eine effektiven rechtsstaatlichen Grundsätzen genügenden Verteidigung besorgen (vgl. OLG Köln, a.a.O.; OLG München, Beschl. v. 23.10.2008 – 4 Ws 140/08, NStZ-RR 2009, 32; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 16.7.2008 – 3 Ws 281/08, NJW 2008, 2935 = AGS 2008, 488).
2. Verteidigung im Rahmen einer Haftbefehlseröffnung
Diese Grundsätze gelten nach Auffassung des OLG nicht nur für die Verteidigung im Rahmen der Hauptverhandlung, sondern auch für andere Tätigkeiten wie vorliegend die Verteidigung im Rahmen einer Haftbefehlseröffnung nach § 115 StPO (OLG Zweibrücken, Beschl. v. 7.6.2023 – 1 Ws 105/23, AGS 2023, 310 = StraFo 2023, 335 = StRR 11/2023, 41).
Soweit aus der von der Bezirksrevisorin angeführten Entscheidung des 2. Strafsenats des OLG Köln v. 15.5.2007 (2 Ws 189/07, AGS 2007, 452 = RVGreport 2007, 306) anderes folgen sollte, schließe sich der Senat dem nicht an. Es bestehe kein sachlich gerechtfertigter Anlass, die Verteidigung im Verfahren nach § 115 StPO gebührenrechtlich anders zu beurteilen als eine solche im Rahmen der Hauptverhandlung. Das Verfahren nach § 115 StPO sei kein formalistischer Selbstzweck. Es trage dem hohen Rang des von der Haftanordnung betroffenen, grundrechtlich gewährleisteten Freiheitsrechtes Rechnung und stelle sicher, dass der Beschuldigte möglichst schnell von dem Richter über die Grundlagen des Haftbefehls unterrichtet werde und Gelegenheit erhalte, sich sowohl gegen den Tatvorwurf als auch die Annahme von Haftgründen zu verteidigen (KK-StPO/Graf, 9. Aufl., 2021, § 115 Rn 1a). Dieser Bedeutung entsprechend sei das Verfahren nach § 115 StPO seiner Natur nach zwingend und der Verzicht des Beschuldigten auf dessen Einhaltung nur in besonderen Fällen möglich (vgl. BeckOK StPO/Krauß, 49. Ed., § 115 Rn 4 m.w.N.; KK-StPO/Graf, a.a.O., § 115 Rn 6; LR/Lind, StPO, 27. Aufl., 2019, § 115 Rn 11). Der gebührenrechtlichen Gleichbehandlung der Verteidigungstätigkeit im Verfahren nach § 115 StPO mit derjenigen in der Hauptverhandlung stehe auch nicht entgegen, dass sich Vorführungen nach § 115 StPO oftmals in der Verkündung des Haftbefehls nebst entsprechender Belehrung erschöpfen und nur von kurzer Dauer sind. Dem habe der Gesetzgeber gebührenrechtlich durch die Ausgestaltung der Voraussetzungen Rechnung getragen, unter denen nur die Terminsgebühr nach Nr. 4102 Nr. 3 VV anfalle (vgl. BT-Drucks 15/1971, 223). Sei absehbar, dass sich die Vorführung des Beschuldigten nach § 115 StPO auf die Verkündung des Haftbefehls und die erforderlichen Belehrungen durch das Gericht beschränken werde, könne der gebotenen Bestellung eines Pflichtverteidigers in geeigneten Fällen bei Verhinderung des Hauptverteidigers auch dadurch Rechnung getragen werden, dass dem Beschuldigten zunächst Gelegenheit zur telefonischen Rücksprache mit dem von ihm gewünschten Hauptverteidiger gegeben werde und beide auf die Teilnahme eines Verteidigers zu dem Termin nach § 115 StPO verzichten. Jedenfalls für diese Fälle sei die Bestellung eines Terminsvertreters bzw. die Bestellung eines weiteren Verteidigers neben dem Hauptverteidiger nicht geboten (vgl. zu der Frage der Bestellung eines...