1. Vorschussanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts

a) Umfang des Vorschussanspruchs

Von der Möglichkeit, sich gegen die Staatskasse einen Vorschuss festsetzen zu lassen, machen beigeordnete oder bestellte Rechtsanwälte in Zivil-, Arbeits- und Verwaltungsgerichtssachen relativ selten Gebrauch. Deshalb nimmt es nicht Wunder, dass so mancher Rechtsanwalt – wie hier auch der Prozessbevollmächtigte des Klägers – mit der gesetzlichen Regelung nicht so recht vertraut ist. In Strafsachen kommt es hiergegen in der Praxis häufiger vor, dass Pflichtverteidiger gegenüber der Staatskasse einen Vorschussanspruch geltend machen.

Der Vorschussanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts besteht nur hinsichtlich der bereits entstandenen Gebühren und der entstandenen Auslagen und der voraussichtlich entstehenden Auslagen, nicht hingegen hinsichtlich der voraussichtlich entstehenden Gebühren.

b) Darlegung der Voraussetzungen

Den Anfall der vom Vorschussanspruch erfassten Gebühren und Auslagen hat der Rechtsanwalt in seinem Vorschussantrag darzulegen. Ergibt sich der Anfall der entstandenen Gebühren und Auslagen aus den Gerichtsakten, reicht ein kurzer Hinweis hierauf aus. Werden entstandene Rahmengebühren als Vorschuss geltend gemacht, sollte der Rechtsanwalt kurz die für die Gebührenbestimmung nach § 14 Abs. 1 RVG maßgeblichen Umstände vortragen. Bei den voraussichtlich entstehenden Auslagen ist ebenfalls näherer Vortrag erforderlich.

Es ist übrigens nicht ausgeschlossen, dass auch bei noch nicht erfolgter Terminierung durch das Prozessgericht dem beigeordneten Rechtsanwalt schon eine Terminsgebühr angefallen ist. Nach Vorbem. 3 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 VV fällt die Terminsgebühr auch dem beigeordneten Rechtsanwalt für die Mitwirkung an Besprechungen, die auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtet sind, an. Da sich dies den Gerichtsakten im Regelfall nicht entnehmen lässt, hat der beigeordnete Rechtsanwalt, der in einem solchen Fall einen Vorschussanspruch auch für die Terminsgebühr geltend macht, den Anfall der Terminsgebühr durch Schilderung der Einzelheiten dieser Besprechung gem. § 55 Abs. 5 S. 1 i.V.m. § 104 Abs. 2 ZPO vorzutragen und glaubhaft zu machen.

2. Exkurs: Vorschussanspruch gegen den Auftraggeber

a) Allgemeines

Der – nicht im Wege der PKH oder VKH beigeordnete – Rechtsanwalt kann von seinem Auftraggeber einen Vorschuss gem. § 9 RVG verlangen. Dieser umfasst – anders als der Vorschussanspruch des beigeordneten oder bestellten Rechtsanwalts gegen die Staatskasse – sowohl die entstandenen als auch die voraussichtlich entstehenden Gebühren und Auslagen. § 9 RVG bestimmt, dass der Rechtsanwalt von seinem Auftraggeber insoweit einen angemessenen Vorschuss fordern kann. Gleichwohl erfasst der Vorschussanspruch alle bereits entstandenen und voraussichtlich entstehenden Gebühren und Auslagen in voller Höhe (BGH AGS 2004, 145).

b) Besonderheiten bei Rahmengebühren

Besonderheiten bestehen lediglich bei Rahmengebühren. Bei diesen wird der Rechtsanwalt im Regelfall einen Vorschuss nicht im Umfang der Höchstgebühren anfordern können, wenn noch nicht absehbar ist, ob der tatsächliche Aufwand der Mandatserfüllung diese Gebührenhöhe rechtfertigt. Vielmehr wird der Rechtsanwalt im Normalfall als Vorschuss die Mittelgebühr anfordern und ggf. dann, wenn Umfang und Schwierigkeit und weitere Umstände zur Berechnung einer darüber hinaus gehenden Gebühr führen würden, einen weiteren Vorschuss anfordern (BGH, a.a.O.).

c) Anforderung des Vorschusses

Für die Anforderung des Vorschusses beim Auftraggeber bestimmt das RVG keine Form. Somit kann der Rechtsanwalt folglich von seinem Auftraggeber den Vorschuss in einem kurzen Anschreiben geltend machen. Zum besseren Verständnis empfiehlt es sich jedoch, den Vorschussanspruch aufzuschlüsseln, etwa wie in einer Vergütungsberechnung. Wie in § 10 Abs. 2 RVG bestimmt, sollte der Rechtsanwalt die Beträge der einzelnen Gebühren und Auslagen, eine kurze Bezeichnung des jeweiligen Gebührentatbestandes und der Auslagen sowie die einschlägigen Nrn. des VV angeben. Berechnen sich die Gebühren nach dem Gegenstandswert, sollte der Anwalt auch diesen angeben.

d) Beigeordneter Rechtsanwalt

Ist der Rechtsanwalt seinem Mandanten im Wege der PKH oder VKH beigeordnet, darf er gem. § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO einen Anspruch auf die Vergütung und damit auch einen Vorschussanspruch nach § 9 RVG gegen seinen Mandanten nicht geltend machen. Stattdessen hat der beigeordnete Rechtsanwalt gem. § 47 Abs. 1 S. 1 RVG einen Vorschussanspruch gegen die Staatskasse.

VorsRiLG a.D. Heinz Hansens, Berlin

AGS 5/2024, S. 209 - 210

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