Jetzt reichte es dem BVerfG. Das OLG Oldenburg verkündete am 26.11 2007, am 3.3.2008 und am 15.4 2008 drei Beschlüsse, die erneut die Festsetzung des Streitwertes in Ehesachen bei beidseits bewilligter Prozesskostenhilfe betrafen und setzte sich in allen drei Entscheidungen in eklatanten Widerspruch zu der Rspr. des BVerfG:
In der am 26.11.2007 verkündeten Entscheidung hatte bereits das AG darauf hingewiesen, dass aus verfassungsrechtlichen Gründen der Umstand der Bewilligung von Prozesskostenhilfe keinen Einfluss auf die Bemessung des Streitwerts haben dürfe, und daher richtig entschieden. Dies imponierte aber weder dem die Beschwerde einlegenden Bezirksrevisor noch dem OLG Oldenburg, das ausführte: Wegen des geringen Umfangs der Sache, der nur durchschnittlichen Bedeutung der Ehescheidung und der nur durchschnittlichen Einkommens- und Vermögenssituation sei die Festsetzung des Streitwerts auf 2.500,00 EUR angemessen.
Nachdem das BVerfG in den Begründungen der vorangegangenen Entscheidungen allein auf eine Verletzung des Art. 12 Abs. 1 GG abgestellt hatte, wurden die am 17.12.2008 verkündeten Beschlüsse allein auf eine Verletzung des Willkürverbots gestützt. Das BVerfG war offenbar brüskiert darüber, wie nachhaltig es vom OLG Oldenburg ignoriert wird!
"Bereits der Ausgangspunkt des OLG, den Streitwert in Ehesachen in einfach gelagerten Fällen grundsätzlich mit dem Mindeststreitwert festzusetzen, begegnet verfassungsrechtlichen Bedenken, weil es sich bei dem in § 48 Abs. 3 S. 2 GKG vorgesehenen Mindestwert gerade nicht um einen Regelstreitwert handelt. Es ist daher mit der gesetzlichen Regelung schlechthin unvereinbar, Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien bei der Streitwertfestsetzung völlig außer Betracht zu lassen, weil diese nur durchschnittliche Beträge erreichen. Unter Berücksichtigung des Einkommens der Parteien hätte der Streitwert immerhin auf 8.520,00 EUR festgesetzt werden müssen."
In seiner am 3.3.2008 verkündeten Entscheidung, in der es den vom AG festgesetzten Streitwert in Höhe von 8.000,00 EUR auf 2.000,00 EUR herabsetzte, erdreistet sich das OLG Oldenburg, wie folgt zu begründen:
"Der Senat halte an seiner Rspr. fest, in einfach gelagerten Fällen den Streitwert auf 2.000,00 EUR festzusetzen. Nach der Rspr. des BVerfG begegnet es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, neben den Vermögensverhältnissen alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Der Umstand, dass beiden Parteien Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, habe bei der Streitwertbemessung keine Rolle gespielt."
Hierin sieht das BVerfG eine klare Verletzung des aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden Willkürverbotes: Willkür liegt dann vor, wenn der Inhalt einer Norm in krasser Weise missverstanden oder sonst in nicht mehr nachvollziehbarer Weise angewendet wird. Zwar geht das OLG Oldenburg formal davon aus, insbesondere auch Umfang und Bedeutung der Sache berücksichtigt zu haben. Auch bestehen keine Bedenken gegen ein Abweichen vom einzusetzenden dreifachen Nettoeinkommen. Der Streitwertfestsetzung darf es indes nicht an einer nachvollziehbaren Grundlage fehlen. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Entscheidung des OLG Oldenburg unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vertretbar und deshalb willkürlich.“
Auch die weitere Entscheidung des OLG Oldenburg vom 15.4.2008 begegnet den gleichen verfassungsrechtlichen Bedenken: "Bei Zugrundelegung des Einkommens hätte immerhin ein Streitwert von 8.820,00 EUR festgesetzt werden müssen. Die Reduzierung auf 2.000,00 EUR ist weder nachvollziehbar noch vertretbar. Trotz der bereits in den Entscheidungen vom 24.7.2007 (1 BvR 1678/07) und vom 11.12.2007 (1 BvR 3032/07) zum Ausdruck gekommenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Argumentation des OLG Oldenburg wird nicht nachvollziehbar erläutert, warum die Festsetzung des Mindeststreitwerts vertretbar sein könnte. Die Begründung, es habe sich um ein einfaches Scheidungsverfahren gehandelt, reicht zur Begründung nicht aus. Mit der gesetzlichen Regelung schlechthin unvereinbar ist, die Vermögens- und Einkommensverhältnisse deshalb außer Betracht zu lassen, weil diese nur durchschnittlich sind."
Während das BVerfG in der am 23.5.2005 verkündeten Entscheidung noch überwiegend darauf abgestellt hatte, die Verfassungswidrigkeit ergebe sich aus der Verletzung der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG, liegt der Schwerpunkt der Begründung in den am 17.12.2008 verkündeten Entscheidungen auf einer Verletzung des sich aus Art. 3 Abs. 1 GG ergebenden Willkürverbots und es lassen sich der Entscheidung die nachfolgenden Leitsätze entnehmen:
Es ist willkürlich, den Streitwert in einer Ehesache ohne Berücksichtigung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse festzusetzen.
Eine Verminderung des Streitwerts der Ehesache wegen Bewilligung von Prozesskostenhilfe für beide Parteien ist unzulässig.
Es dürfte nicht zu widerlegen sein, dass der Rückgriff auf das Willkürverbot dem Umstand Rechnung trägt, dass das BVerfG sich nun durch bereits fünf Entscheidungen des OLG...