Das erstinstanzliche Beschwerdegericht
Gibt's nicht? - Gibt's doch! - Jedenfalls nach Auffassung des OLG Köln.
Nach § 335 Abs. 4 HGB kann gegen einen Ordnungsgeldbeschluss des Bundesamtes für Finanzen "Beschwerde" zum Landgericht erhoben werden. Zuständig ist immer das Landgericht Bonn (§ 335 Abs. 5 S. 2 HGB), da das Bundesamt seinen Sitz dort hat.
Bereits auf den ersten Blick mutet es seltsam an, dass gegen Entscheidungen einer Verwaltungsbehörde eine "Beschwerde" gegeben ist, denn die Beschwerde ist nach der ZPO ein Rechtsmittel und daher in Buch 3 der ZPO geregelt (§ 567 ZPO). Rechtsmittel wiederum sind aber besondere Rechtsbehelfe, mit denen gerichtliche Entscheidungen angefochten werden, nicht aber Entscheidungen einer Verwaltungsbehörde.
Nach ständiger Rechtsprechung des OLG Köln (FGPrax 2010, 58; FGPrax 2009, 180 = NZG 2009, 1236) kommt eine Beschwerde gegen landgerichtliche Entscheidungen des LG Bonn im Verfahren nach § 335 HGB nicht in Betracht. Das Landgericht entscheide als Beschwerdegericht. Eine weitere Beschwerde sei nicht vorgesehen (was auch zutrifft). Folglich könne eine Entscheidung des Landgerichts nur mit der Rechtsbeschwerde angegriffen werden. Diese müsse aber zugelassen worden sein – was bislang noch nie der Fall war. Eine Zuständigkeit des OLG als Beschwerdegericht sei dagegen nicht gegeben. So weit, so gut.
Im Hinblick auf dieses Rechtsverständnis hatte ein Rechtspfleger des Landgerichts Bonn in einem Verfahren den dort eingereichten Kostenfestsetzungsantrag als unzulässig verworfen (LG Bonn, Beschl. v. 10.6.2008 - 11 T 33/07). Nach § 104 Abs. 1 ZPO sei der Kostenfestsetzungsantrag beim Gericht des ersten Rechtszugs zu stellen. Da das LG Bonn aber nach dem Rechtsverständnis des OLG Köln Beschwerdegericht sei, könne es folglich auch nicht für die Kostenfestsetzung zuständig sein. Der Antrag müsse konsequenterweise vor dem Bundesamt der Finanzen gestellt werden. Wenn das LG Bonn Beschwerdegericht sei, müsse das Bundesamt logischerweise erste Instanz sein. Gegen diesen in der Sache konsequenten Beschluss des Rechtspflegers hatte der Antragsteller Beschwerde erhoben. Nach der in Bezug genommenen Rechtsprechung des OLG hätte diese Beschwerde an sich schon als unzulässig verworfen werden müssen, weil das OLG ja auch in diesem Fall nicht Beschwerdegericht hätte sein können, eine weitere Beschwerde nicht vorgesehen ist und die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Weit gefehlt! Das OLG hat die Beschwerde bedenkenlos angenommen und als zulässig erachtet und darüber hinaus sogar auch noch als begründet angesehen. Denn jetzt führt es aus, dass das Landgericht erstinstanzliches Gericht sei. Zwar spreche das Gesetz von einem Verfahren der Beschwerde; allerdings sei das Landgericht die erste mit der Sache befasste Instanz und damit erstinstanzliches Gericht. Dort sei die Kostenfestsetzung vorzunehmen, nicht vor der Behörde, bei der es sich – zutreffender Weise – nicht um ein Gericht handele und die folglich auch nach § 104 ZPO gar nicht zuständig sein könne (OLG Köln FGPrax 2008, 216 = OLGR Köln 2009, 60).
Damit ist nun die Verwirrung komplett.
Damit aber nicht genug. Jetzt eröffnet sich ein Streit über die Vergütung des Anwalts in Verfahren nach § 335 HGB vor dem Landgericht.
Folgt man der ersten Entscheidung des OLG Köln, dass es sich tatsächlich um ein Beschwerdeverfahren handele, dann wäre nach Nr. 3500 VV lediglich eine 0,5-Verfahrensgebühr gegeben. Geht man dagegen mit der zweiten Entscheidung davon aus, dass das Landgericht Bonn das erstinstanzliche Gericht ist, dann ist Nr. 3500 VV nicht anwendbar, weil es sich tatsächlich gar nicht um eine Beschwerde handelt. Mangels besonderer Vorschriften gelten dann die Gebühren der Nr. 3100 ff. VV. Es kann dann nichts anderes gelten wie bei der Notarkostenbeschwerde, die auch keine Beschwerde im eigentlichen Sinne ist und auf die ebenfalls die Gebühren nach Nr. 3100 ff. VV angewandt werden (LG Berlin AGS 2006, 484 = RVGreport 2006, 306). Ebenso verhält es sich bei der sofortigen Beschwerde gegen eine Entscheidung der Vergabekammer nach § 116 Abs. 1 GWB, die ebenfalls keine Beschwerde im Sinne der Prozessordnung ist und für die daher ebenfalls die Verfahrensgebühren nach Teil 3 VV gelten, wobei allerdings Vorbem. 3.2.1 VV sogar die Verfahrensgebühren des Berufungsverfahrens für anwendbar erklärt. Da es sich hier jedoch um erstinstanzliche Verfahren handelt, ist die Geschäftsgebühr des Nachprüfungsverfahrens, das ja vor dem LG stattfindet, anzurechnen (BGH AGS 2009, 540 = AnwBl 2009, 876 = RVGreport 2009, 474).
Ein entsprechendes Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 11 RVG, in dem dieser Streit zu klären ist, ist bereits vor dem LG Bonn anhängig. Der Festsetzungsbeamte ist nach Rücksprache mit dem Bezirksrevisor (was hat der Bezirksrevisor mit diesem Fall überhaupt zu tun?) der Auffassung, es falle nur eine 0,5-Gebühr nach Nr. 3500 VV an, weil es sich, wie das OLG Köln ausgeführt habe, um ein Beschwerdeverfahren handele.
Bleibt er bei seiner Auffassung...