FamFG §§ 78 Abs. 2, 112 Nr. 1, 231 Abs. 2 EstG § 64 Abs. 2 S. 3
Leitsatz
- In Unterhaltsverfahren nach § 231 Abs. 2 FamFG (hier: Bestimmung des Kindergeldberechtigten nach § 64 Abs. 2 S. 3 EStG), die gem. § 112 Nr. 1 FamFG keine Familienstreitsachen sind, ist die Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht vorgeschrieben.
- In Unterhaltsverfahren nach § 231 Abs. 2 FamFG ist eine Anwaltsbeiordnung gem. § 78 Abs. 2 FamFG nicht bereits deswegen erforderlich, weil die Familienkasse aufgrund widersprüchlicher Angaben der Eltern zu einer überwiegenden Betreuung der Kinder durch einen von ihnen den Kindergeldberechtigten nicht feststellen kann; die – gegebenenfalls durch Beweisaufnahme – zu treffende Feststellung der tatsächlichen Betreuungsanteile gebietet regelmäßig keine Anwaltsbeiordnung.
OLG Celle, Beschl. v. 19.4.2011 – 10 WF 109/11
1 Sachverhalt
Die weiteren Beteiligten zu 1) und 2) sind getrennt lebende Eheleute und Eltern der beiden betroffenen Kinder; zwischen ihnen sind bereits verschiedene Verfahren vor dem FamG anhängig – eines betreffend den Trennungs- und Kindesunterhalt, eines betreffend die elterliche Sorge, eines betreffend den Umgang sowie ein Scheidungsverfahren – bzw. vor kurzem abgeschlossen worden – ein einstweiliges Anordnungsverfahren betreffend den Umgang sowie ein einstweiliges Anordnungsverfahren betreffend die elterliche Sorge.
Im vorliegenden Verfahren erstrebt die Kindesmutter (Antragstellerin), sie gem. § 64 Abs. 3 EStG als Kindergeldberechtigte zu bestimmen, und hat um Verfahrenskostenhilfe sowie Beiordnung ihrer Verfahrensbevollmächtigten nachgesucht. Hintergrund ist, dass sich die Kinder abwechselnd jeweils mehrere Tage im Haushalt eines der beiden Elternteile aufhalten, wobei die genaue Aufteilung zwischen den Eltern streitig ist. Die Oberfinanzdirektion Niedersachsen – Landesfamilienkasse – sieht sich aufgrund der widersprüchlichen Angaben der Eltern nicht in der Lage festzustellen, wer von ihnen vorrangig kindergeldberechtigt ist.
Die für das vorliegende Verfahren zuständige Rechtspflegerin hat – ohne allerdings aus der Akte ersichtlich dem Antragsgegner zuvor Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, Verfahrenskostenhilfe bewilligt, die Beiordnung der Verfahrensbevollmächtigten dagegen versagt.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin, die das Ziel der Anwaltsbeiordnung weiter verfolgt und vorträgt, im vorliegenden Fall stritten sich die Kindeseltern um die Kindergeldberechtigung, insbesondere darum, wo der Schwerpunkt der Betreuung liege; diese Frage sei "so hoch zerstritten und unklar", dass die Familienkasse den Antrag der Antragstellerin abgelehnt habe, obwohl diese den Schwerpunkt der Betreuung in ihrem Haushalt dargelegt habe. Die Sach- und Rechtslage sei mithin so schwer, dass die Beiordnung eines Rechtsanwalts erforderlich sei.
Das AG hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Sie hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen
Zutreffend geht das AG davon aus, dass im Streitfall die Voraussetzungen für eine Anwaltsbeiordnung weder ersichtlich noch von der Antragstellerin dargetan sind.
1. Anders als vom AG angenommen sind für die Frage einer etwaigen Anwaltsbeiordnung vorliegend allerdings nicht § 113 FamFG, § 121 Abs. 2 ZPO maßgeblich, sondern vielmehr § 78 Abs. 2 FamFG.
Gem. § 231 Abs. 2 S. 1 FamFG sind Unterhaltssachen auch Verfahren nach § 3 Abs. 2 S. 2 BKiGG und § 64 Abs. 2 S. 3 EStG; allerdings handelt es sich insofern nicht zugleich auch um Familienstreitsachen, denn laut § 112 Nr. 1 FamFG sind dies nur Unterhaltssachen nach § 231 Abs. 1 FamFG, also nicht – wie vorliegend – Unterhaltssachen nach § 231 Abs. 2 FamFG; insofern ist für Verfahren der vorliegenden Art auch § 113 Abs. 1 FamFG nicht einschlägig und führt insofern nicht zur Verdrängung von §§ 76 ff. FamFG hinsichtlich der Vorschriften über die Verfahrenskostenhilfe.
Lediglich der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass anderenfalls – also bei dem vom AG angenommenen Vorliegen einer Familienstreitsache – gem. § 114 Abs. 1 FamFG die Vertretung durch einen Rechtsanwalt vorgeschrieben wäre, so dass im Falle der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe gem. § 121 Abs. 1 ZPO zugleich die Beiordnung eines vertretungsbereiten Rechtsanwalts zwingend erfolgen müsste.
2. Nach der seit September 2009 – also auch für das vorliegende Verfahren – maßgeblichen Regelung in § 78 Abs. 2 FamFG erfolgt für Verfahren, in denen – wie vorliegend – die Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht vorgeschrieben ist, im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe die Beiordnung eines Anwalts nur (noch) dann, wenn dies wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage erforderlich erscheint, also in qualifizierten Fällen.
Das Vorliegen eines derartigen Falles ist vorliegend jedoch weder ersichtlich noch von der Antragstellerin dargetan. Soweit die Antragstellerin insofern allein geltend macht, dass die Bestimmung des Kindergeldberechtigten aufgrund der unterschiedlichen Darstellungen der Kindeseltern durch die Familienkasse nicht erfolgen konnte, so...