ZPO §§ 114, 117, 127 Abs. 3, 569 Abs. 2, 321; ArbGG §§ 11a, 72 Abs. 2, 78 S. 1; S. 3,
Leitsatz
- Das BAG hat entschieden, dass in aller Regel von einem konkludenten Antrag auszugehen sei, die Prozesskostenhilfe auf einen Mehrwert des Vergleichs zu erstrecken, wenn ein Antrag auf Prozesskostenhilfe gestellt war und hierüber im Zeitpunkt des Vergleichsschlusses noch nicht entschieden worden ist (vgl. BAG 30.4.2014 – 10 AZB 13/14, Rn 17, NZA-RR 2014, 382).
- Ist hingegen Prozesskostenhilfe gewährt worden und danach der Mehrvergleich geschlossen worden, bedarf es vor Abschluss des Rechtsstreits eines Antrags auf Erstreckung der Prozesskostenhilfe auf den Mehrwert des Vergleichs. Der Antrag muss dann ausdrücklich gestellt werden, ein konkludenter Antrag ist nicht ausreichend (entgegen LAG Köln v. 28.10.2015 – 11 Ta 296/15).
LAG Hessen, Beschl. v. 16.9.2019 – 4 Ta 67/19
1 Sachverhalt
Die Klägerin begehrt die Erstreckung der bereits zuvor bewilligten Prozesskostenhilfe auf den Mehrwert eines gerichtlichen Vergleichs.
Zwischen den Parteien war ein Kündigungsrechtsstreit anhängig. Zusammen mit der Klage hat die Klägerin um die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nachgesucht. Im Gütetermin am 31.8.2018 unterbreitete das ArbG den Parteien einen gerichtlichen Vergleichsvorschlag. Mit Beschluss vom gleichen Tag hat das ArbG der Klägerin Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt A beigeordnet. Die Beklagte lehnte den Vergleichsvorschlag mit Schreiben v. 11.9.2018 ab.
Die Beklagte teilte dann mit Schriftsatz v. 12.11.2018 mit, dass sich die Parteien geeinigt hätten. Das ArbG stellte mit Beschl. v. 21.11.2018 das Zustandekommen eines gerichtlichen Vergleiches im schriftlichen Verfahren fest. Der Vergleich enthielt in Nr. 5. insbesondere eine Regelung bezüglich des Zeugnisses, wobei das Zeugnis bislang im Prozess nicht streitgegenständlich gewesen ist.
Mit Schreiben v. 22.1.2019 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin geltend gemacht, dass sich die Prozesskostenhilfe auch auf den Mehrwert des Vergleichs erstrecken müsse, vorsorglich beantrage er eine ergänzende Beschlussfassung. Mit Beschl. v. 23.1.2019 hat das ArbG diesen Antrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass nach der Rspr., des BAG der Prozesskostenhilfeantrag im Zweifel auch den Mehrvergleich betreffe, wenn zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses über den Prozesskostenhilfeantrag noch nicht entschieden worden sei. Eine solche Konstellation liege hier indes nicht vor.
Dieser Beschluss ist der Klägerin am 31.1.2019 zugestellt worden. Am 19.2.2019 hat sie hiergegen sofortige Beschwerde eingelegt.
Zur Begründung der Beschwerde trägt sie vor, dass die Prozesskostenhilfe "für dieses Verfahren" und damit auch für den gesamten Vergleich bewilligt worden sei. Der Beschluss über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe sei jedenfalls so auszulegen, dass er auch einen Mehrwert umfasse. Auch der BGH argumentiere, dass der gegen die Staatskasse gerichtete Vergütungsanspruch gem. §§ 45, 48 RVG grds. sämtliche angefallene Anwaltsgebühren erfasse.
Das ArbG hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.
2 Aus den Gründen
Die sofortige Beschwerde ist zwar zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.
Die sofortige Beschwerde ist zunächst zulässig. Sie ist statthaft (§§ 78 S. 1 ArbGG, 567 Abs. 1, 127 Abs. 2 ZPO). Ferner wurde sie auch innerhalb der gesetzlichen Notfrist von einem Monat form- und fristgerecht eingelegt (§§ 569 Abs. 2, 127 Abs. 3 S. 3 ZPO).
1. Der Klägerin ist nicht bereits mit dem Beschl. v. 31.8.2018 Prozesskostenhilfe auch für den Mehrwert in dem Vergleich v. 21.11.2018 bewilligt worden. Dies ergibt die Auslegung des Beschlusses. Zwar hat das Gericht am gleichen Tag des Erlasses des Beschlusses einen Vergleichsvorschlag unterbreitet, der auch eine Regelung in Bezug auf das Zeugnis, welches in dem später geschlossenen Vergleich den wesentlichen Mehrwert bildet, enthält. Allerdings hatten sich die Parteien zu dem damaligen Zeitpunkt noch nicht mit dem Vergleichsvorschlag einverstanden erklärt; die Beklagte hat den Vorschlag später ausdrücklich abgelehnt. Es spricht nichts dafür, dass das ArbG in dem Beschluss zur Gewährung von Prozesskostenhilfe bereits einen nur möglicherweise zukünftig in Betracht kommenden Vergleich schon mit aufnehmen wollte (a.A. möglicherweise für Bewilligung von Prozesskostenhilfe und einen beabsichtigten Vergleich LAG Hamm 3.8.2018 – 8 Ta 653/17, juris Rn 25).
2. Nach Beendigung der Instanz kann grds. nicht mehr ein Antrag auf Prozesskostenhilfe mit einer Rückwirkung oder auf Erstreckung der bereits gewährten Prozesskostenhilfe auf einen Mehrvergleich gestellt werden. Der Antrag v. 22.1.2019 erfolgte zu spät.
a) Nach § 114 S. 1 ZPO kann Prozesskostenhilfe lediglich für eine "beabsichtigte" Rechtsverfolgung gewährt werden. Eine Rückwirkung der Bewilligung ist grds. ausgeschlossen. Jedoch kann die Rückwirkung bis zu dem Zeitpunkt erstreckt werden, in dem der Antragsteller durch einen formgerechten Bewilli...