Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Erstreckung der Prozesskostenhilfe auf möglichen späteren Vergleich. Konkludenter Antrag nur bei offenem PKH -Verfahren möglich

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das BAG hat entschieden, dass in aller Regel von einem konkludenten Antrag auszugehen sei, die Prozesskostenhilfe auf einen Mehrwert des Vergleichs zu erstrecken, wenn ein Antrag auf Prozesskostenhilfe gestellt war und hierüber im Zeitpunkt des Vergleichsschlusses noch nicht entschieden worden ist (vgl. BAG 30. April 2014 - 10 AZB 13/14 - Rn. 17, NZA-RR 2014, 382).

2. Ist hingegen Prozesskostenhilfe gewährt worden und danach der Mehrvergleich geschlossen worden, bedarf es vor Abschluss des Rechtsstreits eines Antrags auf Erstreckung der Prozesskostenhilfe auf den Mehrwert des Vergleichs. Der Antrag muss dann ausdrücklich gestellt werden, ein konkludenter Antrag ist nicht ausreichend (entgegen LAG Köln 28. Oktober 2015 - 11 Ta 296/15).

 

Normenkette

ZPO §§ 114, 117, 127; ArbGG § 11a, 78; ZPO § 127 Abs. 4

 

Verfahrensgang

ArbG Offenbach am Main (Beschluss vom 23.01.2019; Aktenzeichen 4 Ca 252/18)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Offenbach a.M. vom 23. Januar 2019 - 4 Ca 252/18 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt die Erstreckung der bereits zuvor bewilligten Prozesskostenhilfe auf den Mehrwert eines gerichtlichen Vergleichs.

Zwischen den Parteien war ein Kündigungsrechtsstreit anhängig. Zusammen mit der Klage hat die Klägerin um die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nachgesucht. Im Gütetermin am 31. August 2018 unterbreitete das Arbeitsgericht den Parteien einen gerichtlichen Vergleichsvorschlag. Mit Beschluss vom gleichen Tag hat das Arbeitsgericht der Klägerin Prozesskostenhilfe bewilligt und Herrn Rechtsanwalt A beigeordnet. Die Beklagte lehnte den Vergleichsvorschlag mit Schreiben vom 11. September 2018 ab.

Die Beklagte teilte dann mit Schriftsatz vom 12. November 2018 mit, dass sich die Parteien geeinigt hätten. Das Arbeitsgericht stellte mit Beschluss vom 21. November 2018 das Zustandekommen eines gerichtlichen Vergleiches im schriftlichen Verfahren fest. Der Vergleich enthielt in Ziff. 5. insbesondere eine Regelung bezüglich des Zeugnisses, wobei das Zeugnis bislang im Prozess nicht streitgegenständlich gewesen ist.

Mit Schreiben vom 22. Januar 2019 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin geltend gemacht, dass sich die Prozesskostenhilfe auch auf den Mehrwert des Vergleichs erstrecken müsse, vorsorglich beantrage er eine ergänzende Beschlussfassung. Mit Beschluss vom 23. Januar 2019 hat das Arbeitsgericht diesen Antrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass nach der Rechtsprechung des BAG der Prozesskostenhilfeantrag im Zweifel auch den Mehrvergleich betreffe, wenn zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses über den Prozesskostenhilfeantrag noch nicht entschieden worden sei. Eine solche Konstellation liege hier indes nicht vor.

Dieser Beschluss ist der Klägerin am 31. Januar 2019 zugestellt worden. Am 19. Februar 2019 hat sie hiergegen sofortige Beschwerde eingelegt.

Zur Begründung der Beschwerde trägt sie vor, dass die Prozesskostenhilfe „für dieses Verfahren“ und damit auch für den gesamten Vergleich bewilligt worden sei. Der Beschluss über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe sei jedenfalls so auszulegen, dass er auch einen Mehrwert umfasse. Auch der BGH argumentiere, dass der gegen die Staatskasse gerichtete Vergütungsanspruch gemäß §§ 45, 48 RVG grundsätzlich sämtliche angefallene Anwaltsgebühren erfasse.

Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.

II. Die sofortige Beschwerde ist zwar zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

Die sofortige Beschwerde ist zunächst zulässig. Sie ist statthaft (§§ 78 Satz 1 ArbGG, 567 Abs. 1, 127 Abs. 2 ZPO). Ferner wurde sie auch innerhalb der gesetzlichen Notfrist von einem Monat form- und fristgerecht eingelegt (§§ 569 Abs. 2, 127 Abs. 3 Satz 3 ZPO).

1. Der Klägerin ist nicht bereits mit dem Beschluss vom 31. August 2018 Prozesskostenhilfe auch für den Mehrwert in dem Vergleich vom 21. November 2018 bewilligt worden. Dies ergibt die Auslegung des Beschlusses. Zwar hat das Gericht am gleichen Tag des Erlasses des Beschlusses einen Vergleichsvorschlag unterbreitet, der auch eine Regelung in Bezug auf das Zeugnis, welches in dem später geschlossenen Vergleich den wesentlichen Mehrwert bildet, enthält. Allerdings hatten sich die Parteien zu dem damaligen Zeitpunkt noch nicht mit dem Vergleichsvorschlag einverstanden erklärt; die Beklagte hat den Vorschlag später ausdrücklich abgelehnt. Es spricht nichts dafür, dass das Arbeitsgericht in dem Beschluss zur Gewährung von Prozesskostenhilfe bereits einen nur möglicherweise zukünftig in Betracht kommenden Vergleich schon mit aufnehmen wollte (a.A. möglicherweise für Bewilligung von Prozesskostenhilfe und einen beabsichtigten Vergleic...

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